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[OBF-411030-002-01]
Briefkorpus

Donnerstag, am 30. Oktober 1941.

Herzensschätzelein! Mein geliebter, guter [Roland]!

Ich will Dein denken heute, trotzdem ich voll Drasch bin, Vorbereitungsdrasch auf meinen lieben Besuch hin! Meines Herzlieb' Mutter kommt!! Du!! Wenn ich an die ersten Monate unsrer Freundschaft zurückdenke, Liebster – dann vermeine ich sie noch zu fühlen, die Angst – war es Angst?, ich kann’s nicht anders nennen, die ich vor der ersten Begegnung mit Deiner Mutter hatte. Es ist sonderbar, der Eindruck, den das Wesen einer Mutter zurückläßt, ist doch der tiefste im Seelenleben des Menschen – überall im Leben wird er daran erinnert – einmal mehr, einmal weniger. Und so wie ich immer, seit ich denken kann, meiner Mutter prüfenden, wachsamen und auch so gütigen Blick fühlte, so erwartete ich auch ein ähnliches von Deiner lieben Mutter.

Ob ich ihr die rechte Tochter sein kann?

Das war die brennende Frage, die mich vor allem anderen beschäftigte. Die Begegnung mit dem Vater war an der mit Mutter gemessen, furchtloser. Verstehst Du mich wohl heute, Herzlieb? Du!

Ich glaube, daß ich Dir noch nicht davon gesprochen habe. Mutter.... ich sollte in der Deinen meine andere, zweite Mutter haben. So soll es sein, wenn zwei Menschen einen Bund für's Leben schließen, wenn der Kreis der Familie sich nach beiden Seiten hin erweitert. Der Inbegriff einer Familie ist die Mutter, sie ist die Seele des Hauses, sie ist gewissermaßen das Licht, oder das wärmende Feuer, um das sich alle scharen. Als Herrn und Gebieter sehe ich den Vater.

Und ich selbst, als Mädchen spürte, daß mein ganzes Glück mit an der Entscheidung Deiner Mutter lag. Nichts Schöneres, als inniges, festes Einvernehmen zwischen Mutter und den Töchtern, die ihr durch die Wahl ihrer Söhne zugeführt werden. Und ich weiß es noch wie heute, daß mir trotz der Angst im Allgemeinen, die ich in mir hatte, beim ersten Besuch in Deinem Elternhaus, daß mir die Frage am allernächsten lag: ob ich der Mutter die Rechte bin?

Und dann stand sie vor mir mit ihrem gütigen Blick, mit ihrem lieben, sonnigen Wesen, daßs alle Scheu und Angst vertreibt, daß [sic] einem so warm und froh ums Herz werden läßt. Deine Mutter war mir lieb vom ersten Augenblick an, Du! Und den Abend, den ich bei Euch verlebte – dann als es Schlafenszeit war, den werde ich nie mehr im Leben vergessen. Deine liebe Mutter und ich, wir verstanden uns im Herzen. Und das war mir der schönste Augenblick unsres Bundes, Herzlieb, als ich nun fühlte, auch hier hat unsre Liebe eine Heimat, auch hier, im andern Elternhause schenkt man uns Vertrauen und Geborgenheit. Nun war es mir, als wäre unsere Liebe erst Wirklichkeit – sie war nun nicht mehr heimlich, sie war dem Blick beider lieben Eltern preisgegeben. Und wir fühlten es beide in der Zeit nach diesem wichtigen Schritt auf unserem Weg: Wie froher und sicherer gingen wir vorwärts Hand in Hand. Mit dem Bewußtsein und einem mächtigen Gefühl der Freude im Inneren, nun sind so liebe, gute Menschen uns zur Seite, die mit uns sorgen und schaffen für unser Glück, zum gemeinsamen Leben. Ich wäre tiefunglücklich bei aller Liebe, die Du mir gibst, Herzlein – wenn ich nicht das Herz Deiner Eltern hätte, ihr Vertrauen! Das glaube mir. Und nun ist alles gut geworden.

Immer lieber wurden wir uns und vertrauter. Gemeinsame Pläne und Sorgen verbanden uns. Das Leben ging seinen Lauf und wir standen mitten drin, fest einander verbunden. Und heute, da der Krieg die Familien auseinander riß unbarmherzig, da spüren wir, wie die Bande sich nur fester und inniger schließen zwischen uns allen. Das ist der Segen einer Familienzusammengehörigkeit, die immer hochgehalten und gepflegt wurde.

Und im Frieden – gebe Gott, daß er recht bald uns geschenkt wird – da wollen wir alle miteinander wieder ganz fest zusammenstehen. Keine bessere Freundschaft findest du nicht in dieser Welt, als die in der eigenen Familie.

Und morgen um diese Zeit habe ich Dein liebes Muttel bei mir. Ich freue mich!

Es werden ein paar frohe Tage sein. Und wir werden uns wieder einmal so recht von Herzen austauschen können miteinander. Ich wäre ja froh, wenn auch unser lieber Sohnemann mit dabei wäre!!

Aber der kann erst später kommen, genau wie der liebe Vater! Ihr Mannsvolk, Ihr böses, laßt die Weiberl so lange warten! Herzensschatz! Gleich ist es ½ 6 [Uhr], die Mutsch kommt heim und ich muß ihr den Wäschekorb mit auf die Rolle tragen helfen. Sie hat mich nicht rollen lassen, weil ich so sehr heiser bin. Und anschließend will ich zur Post. Die süßen Päckel fortschaffen, für die Brüder sind auch paar Schmätzel abgefallen! Paar Äpfel dazu. Und dann baden wir und plätten muß ich auch noch!

Heute kam immer noch kein Bote von Dir!

Herzallerliebster mein! Du!!! Der Herrgott behüte Dich mir!

Ich habe Dich sooooooooooooo lieb! Ich bin Dir sooooooooo gut!

Allezeit bleibe ich Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946