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[OBF-411031-002-01]
Briefkorpus

Sonnabend, am 31. Oktober 1941.
Reformationsfest.

Herzallerliebster mein! Du liebes, liebes Mannerli!

Da bin ich doch gestern mit dem Mutterbesuch ganz aus dem Konzept gekommen, mein Schätzelein, daß ich doch nicht einmal an Dich schreiben konnte. Aber ich weiß, Du bist mir nicht böse darum – und Du verstehst es auch, daß wir die wenigen Stunden unsres Beisammenseins recht nützen wollen. Wer weiß, wann Mutter einmal wieder kommt, dieses Jahr bestimmt nicht mehr. Und am Montag früh beizeiten muß sie doch schon wieder abfahren, weil sie auf der Durchreise in Dresden den Mann aufsuchen muß, der ihre Einlagen arbeitete. Sie müssen nachgezogen werden, damit sie wieder gut gehen kann. Und ab 1. November fahren die Züge wieder anders, viele werden ganz eingestellt. Ich muß mich nachher gleich mal erkundigen, wie's am besten klappt. Mutter muß ja auch die Geschäftszeit einhalten. Dienstag früh kommt dann die Tante Marie an, da möchte Mutter gerne daheim sein.

Herzlieb! Jetzt ist es vormittags um 10 [Uhr], eben sind wir vom Kaffeetisch aufgestanden. Bis 800 [Uhr] schliefen wir, weil es gestern nacht 1 Uhr war! als wir schlafen gingen!! Die Mutsch hat sich über die Hausordnung erbarmt, Mutter und [Hilde] sitzen sich gegenüber und lassen die Feder sprechen! Hellmuth ist an der Reihe. Und mich könnte jetzt auch kein Dachstuhlbrand vom Briefbogen verscheuchen!

Als Mutter gestern Mittag gegen 2 [Uhr] ankam, war ich gerade überm Geburtstagsbrief an Hellmuth. Den schrieb ich aber auch fertig; denn nun käme ich doch wieder 3 Tage nicht dazu! Denke Dir nur! Hellmuth ist in einem Lyzeum untergebracht in Striegau (Schlesien). Fidi hat gestern einen Brief bekommen, daß sie ihn besuchen könnte und da fuhr sie gleich mittags los. Später, ab 1.11. darf man nur mit Erlaubnisschein reisen. Wie wird aber die Freude groß sein, bei beiden! Ich gönne es ihnen ja so! Vater will Hellmuth zum Geburtstag überraschen! Es geht ihm jetzt so gut, hat er am Donnerstag geschrieben, sie würden liebevoll behandelt von den Schwestern, daß es ihm ganz verwunderlich vorkomme, sie sind's noch garnicht wieder gewöhnt, das Leben in der Heimat. Wenn Hellmuth einigermaßen wieder g hergestellt ist, muß er an seinen alten Standort zurück nach Prag; dann ist wohl mit Urlaub zu rechnen. Weißt Du denn auch schon das Neueste?

Ich erzählte Dir doch, als Du daheim warst, daß im Frontberichte der Gefreite [Nordhoff] besonders hervorgehoben wurde, ob seiner Tapferkeit – das war Hellmuth! Er bekam das E.K.! Selbst hat er's niemandem, außer Fidi gesagt. Die erzählte es den Eltern. Ich freu' mich so für Hellmuth. Und seinen Asessor hat er nun auch!

Es wird doch keiner vergessen, auch wenn's manchmal den Anschein hat. Dem lieben Hellmuth gönne ich's auch von ganzem Herzen, er hat lange genug immer im Schatten gestanden und sich immer durchkämpfen müssen. Haben die Leutchen also doch mal ein Einsehen gehabt. Schändlich lange genug dauerte es ja mit seiner Beförderung; 6 Jahre. Ach Du!! Ich freue mich ja so mit den Eltern, daß der Hellmuth nun an Ort und Stelle ist, sie sind richtig erlöst, ihn geborgen zu wissen. Du! Herzlieb! Da denke ich doch eben an Deinen Fuß, an dem Du zuhause Beschwerden hattest. Wie geht es damit? Sei dahinter, lieber [Roland]! Laß' Dir doch eine Einlage geben, damit sich der Knochen wieder zurückbildet, jetzt ist's noch Zeit! Hörst Du? Wozu habt Ihr denn Eure Ärzte! Wenn Du wieder bei mir bist, Du!!! Dann sollen doch unsre „Wanderjahre" noch mal beginnen! Herzlieb! Ich freue mich ja sooo drauf! Versteh' mich nur recht! Nicht ausziehen von einem Ort zum andern mit der Wohnungseinrichtung wollen wir, nur wir zweie ganz alleine! Auf Schusters Rappen wollen wir durch Gottes schöne Welt marschieren! Und da muß doch mein Herzlieb wie früher, so tüchtig zu Fuß sein!! Damit ich nicht den Mut verliere und schlapp mache.

Ach! Du solltest mal jetzt einen Blick tun können zu uns, nach Oberfrohna. Alles ist in Weiß gehüllt! Mindestens 5 cm Schnee liegen, außer den höheren Wehen. Die Mutter war ganz erstaunt. In Kamenz liegt kein Schnee. Und heute früh waren die Fenster gefroren, alles knirscht draußen – aber nun kommt die liebe Sonne hervor, die wird das Rauhbein nochmal verjagen, es ist uns noch allen zu zeitig! Unsre Großbauern haben ja noch nicht mal die Kartoffeln ausgenommen! Erst konnten sie vor Nässe nicht. Nun nicht vor Frost.

Ich bin so sehr erkältet, immer noch, ich kann so schlecht reden, aber nun spüre ich wie es sich zu lösen beginnt durch die Kompressen und Tabletten. Ich halte mich brav! Morgen sollte nun zum Reformationsfest gesungen werden in der Kirche, ich kann nicht mit. Doch den Gottesdienst wollen wir alle besuchen.

Herzensschätzelein! Gestern bekam ich nun endlich wieder Post von Dir, heute wieder nicht. Und ich freute mich doch so sehr darüber. Ein Nachzügler war dabei, wo auch Du noch klagst, daß Du nichts von mir bekommst. Und einen Boten bekam ich, worin sich alle Freude und alle Seligkeit Deines Herzens spiegeln! Geliebter!! Vom Freitag ist der Brief, Du bekamst an dem Tage 3 Boten von mir. Ach Du!! Du!! Wie bricht es jubelnd aus Dir hervor, all unser reiches, köstliches Liebesglück! Oh Sonnenscheinchen, Du, mein geliebtes, bestes Mannerli! Wie liebst Du mich!! Du!! Tränen der Freude standen in meinen Augen als ich Deine lieben Zeichen las! Du bist so von Herzen glücklich und froh! Und was könnte mich wohl mehr, tiefer beglücken, mein Geliebter? Als die beseligende Gewißheit, daß ich es bin, die all Deine Erfüllung ist! Ich allein! Oh Du! Mein geliebter [Roland]! Du hast mich so ganz in Dein Herz geschlossen, hast mich so ganz einbezogen in Dein Leben. Und ich bin sooo sehr glücklich darum! Geliebter! Oh Geliebter!! Du sagst es mir doch wieder zu meiner höchsten Seligkeit: „ich bin doch schon ganz ganz Dein! Ich gehöre Dir doch schon so ganz!" Ach Herzelein! Du!!! Ich danke Dir! Danke Dir!! Du liebst mich! Du liebst mich! Wer ist noch so glücklich wie ich? Herzallerliebster mein! Oh Du! Ich denke immer an Dich, voll heißer Sehnsucht! Du!! Du!! Ich denk' an den Märchenschein unsrer Liebe, an alles Entzücken. unser [sic] Reich – unsere Insel der Seligkeit – Du und ich – ganz allein sind wir – Du mein Märchenprinz! Nur Dich lasse ich ein!! Du darfst mein Erlöser sein! Du allein!

Oh, fühlst Du meine Herzensfröhlichkeit, die mir aus der beglückenden Gewißheit Deiner Liebe erwächst? Geliebter! Gott behüte Dich mir! Er segne unser Glück! Du!! Du!!! Du!!!!!!!!!!!!

Ich liebe Dich in alle Ewigkeit und bin ganz Deine Holde. Du!!

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946