Dienstag, am 14. Januar 1942.
Herzensschätzelein! Mein geliebtes, gutes Mannerli!
Du! Ist doch heute morgen ein lieber Bote von Dir angekommen! Ach – wie habe ich wieder herzklopfend gestanden und gewartet, Du!!! Und mit zitternden Händen öffnete ich Deinen Brief und sah zuerst nach dem Schluß, Du! Ob da nicht stünde: ,,Ich komme, ich komme! Her nein, Herzelein! Es stand etwas andres am Schluß! Auch etwas ganz Schönes und Liebes!! Du! Etwas klein Geschriebenes vom Mannerli ,,Ich küsse Dich, Du! Auf`s Mündelein! Und auf`s Herzelein! Darf ich denn das? Du!!!
Ach Du! Wie fragst Du mich denn Herzlieb? Du!! Hast Du denn ganz vergessen? Was mein ist, das ist auch Dein! Geliebter! Ich bin Dein! Ich bin ja so ganz Dein! Du!!! Ach Du!!! Herzelein! Herzelein! Ich sehne mich nach Dir. Ach Geliebter! Wie habe ich nun heute nach den Worten gesucht, die mir endlich, endlich Gewißheit bringen möchten! Vergeblich. Du konntest mir in Deinem lieben Brief, den Du am Montag schriebst, noch nichts über Deinen Urlaub sagen. Es war wohl noch nicht soweit. Aber heute!!! Denke doch, Herzelein! Es sind seitdem 9 Tage vergangen, was kann da nicht schon alles geschehen sein!!!! Du kanst längst schon auf der Fahrt in die Heimat sein, Geliebter! Der Brief, vom Montag geschrieben, ist erst am 7. Januar abgestempelt und heute, am 14. bei mir angekommen. Wenn Du nun wirklich zwischen dem 12. - 17. Januar abgefahren bist, dann erreicht mich wohl kaum die Nachricht vorher. Ach Du! Herzelein! Ich bin soo ungeduldig! Ich hab doch bloß Drasch, daß Du nun kommst! Du!! Kannst Du mir nachfühlen, wie ich aufgeregt bin und wie ich darauf brenne, Dich bald, ach bald bei mir zu haben?! Ach Du!! Du!!! Die ganze Wohnung habe ich schon auf den Kopf gestellt! Die Eltern habe ich ganz verrückt gemacht mit meinem Drasch! Sie sind nun genauso aufgeregt und voller Erwartung und Fragen wie ich. Jeden Tag ist es ihre erste Frage: „Was hat denn nun [Roland] geschrieben??“ Und ich kann Ihnen doch so gut wie nichts erzählen, Du! Vom Urlaub schreibst Du nicht und das andre all ist doch ganz allein nur für mich bestimmt! Geliebter!!! Ach Herzelein! Heute Nacht schlief ich fast kaum. Immer habe ich gelauscht, ob sich nicht etwas rührt, so närrisch bin ich nun jetzt schon, daß ich denke, Du erscheinst mitten in der Nacht bei mir! Als ich gestern aus dem Roten Kreuz kam, habe ich schon die Schlüssel gelegt, Du!! Und heute früh um 6 bin ich aufgestanden, habe im Dunkeln schon Betten abgezogen, sie in‘s Haus gehängt zum Lüften. Dann säuberte ich gründlich das Schlafzimmer. Mit dem Staubsauger hantierte ich. Papa muß ins Jungfernstübel diese Woche! Und heute abend darf das [Hildele] ganz allein im Schlafzimmer schlafen, im neuwaschenen. Die Mutsch will es so. Sie selbst schläft in meinem Bettlein drüben, damit früh ihr Papa ein angewärmtes Bett hat, wenn er so verfrohren heimkommt. Ist das nicht fein? So weißt Du nun, daß ich ganz allein bin im Bettlein, wenn Du nachts kommst, brauchst garnicht bange zu sein, daß Du die Falsche erwischt beim Wecken, Du!! Du!!!
Ach mein [Roland]! Ich warte doch sooo auf Dich! Ich sehne mich so sehr nach Dir, Herzelein! Ach – wenn es so ist, daß die Macht, die Kraft meiner Sehnsucht und Liebe Dich heimziehen können, Du! Dann mußt Du ganz gewiß bald heimkommen. Herzensschatz, Du! Es ist Mittagsstunde, da ich Dir schreibe, Du! Eben bin ich fertig mit meinem Reinemachdrasch für heute. Das Essen ist nun auch fertig, Papa und Mama wollen essen, sie meinen: „Wir werden nicht satt vom Schreiben und vom Liebhaben!“ Ach Du! Ich hab doch gar keinen Hunger mehr seit paar Tagen. Ich bin ganz satt, ich mag garnichts haben. Aber Du mußt nicht denken, Herzelein, daß ich soo satt bin, daß ich kein Kussel mehr mag! O nein! So satt bin ich noch nie gewesen, daß ich so etwas verschmähte! Du!!!
Ach Herzlieb! Du! Wenn ich doch erst wüßte, ob Du schon unterwegs bist!!! Ich bin sooo neugierig, Herzelein! Ganz sehr. Du? Ob Du mir telegrafierst, wenn Du in Wien lange Zeit hast? Ob Du mich wieder anrufst, wenn Du in Chemnitz bist?
Ach Du !! Ich mag doch von nichts anderem mehr reden als von Deinem Kommen, Du! Es ist jetzt um 1 Uhr mittags. Der Papa geht wieder ins Bett und die Mutsch wäscht auf. Ich muß erst mit meinem Herzelein zu Ende sprechen, eher fange ich keine Arbeit an. Und heute habe ich ja auch wieder Kinderschar, nach den Ferien zum ersten Male. Denke nur, was mir da passiert ist. Am Montag Vormittag, ich hatte in der Stadt einen Weg zu besorgen, bin ich mit zur Schulhausmeisterin herein, mich anmelden für Mittwochs von 15 – 17 Uhr. „Ach Du lieber Himmel! Sie können nicht mehr in Ihr Zimmer, alles, alles besetzt. Sogar die Krefelder Jungen müssen ausziehen, nach Chemnitz in die Lessingschule.“ Es sind nämlich in Limbach Teillazarette eingerichtet worden. Und zwar draußen die II. Schule, neben dem Krankenhaus, auch das Krankenhaus selbst ist Lazarett, bis auf 4 Zimmer für Dringlichkeitsfälle. Nun müssen die Schulkinder wieder verteilt werden. Die Limbacher gehen weiter in Limbach zur Schule. Die Oberfrohnaer müssen teils auch nach Limbach (Pestallozzischule) und teils nach Rußdorf!! Es ist ein wahres Elend! Ich möchte bloß mal die Lehrer hören, glaubst das ist eine unverschämte Zumutung. Und unsere Schule ist auf Jahre hinaus in Beschlag genommen. Ein Hauptlazarett ist daraus geworden: Kreis Chemnitz III. Und der Chefarzt ist Dr. H. Pfarrer B. sa[g]te mir das, denn er ist nun auch für die Limbacher Lazarette als Geistlicher befohlen. Und ich mußte ja nun mit meinen Buben auch ein Plätzel haben. Ich fragte Frau H., ob ich mit in G.s Luftschutzraum könnte. Jawohl. Nun mußte ich doch auch alle 36 Jungen benachrichtigen, vor allem die Eltern müssen wissen, wo sich ihre Kinder aufhalten. Da habe ich mich gleich hingesetzt und 36 Briefe geschrieben! So kurz wie möglich gehalten. Aber ich habe trotzdem 3 Stunden gebraucht dazu. Dann die Umschläge dazu schreiben. Und weils am Montag so grimmig kalt war, mochte ich mir nicht ein Kind von der Schar holen, zum Briefe austragen. Die Post wollte ich auch nicht so belasten. Bin ich halt selbst losgezogen. Sie wohnen ja alle in Ooberfrohna. Den Randsiedlungsbewohnern schickte ich's durch die Post zu. Und die Mutsch half mir auch bissel mit! Nun bin ich neugierig, ob sich alle einfinden heute im neuen Raum. Frau Pfarrer B. sagte mir, daß ihr Martin jeden Tag am Nachmittag Schule hätte. Vielleicht haben alle kleineren Jahrgänge nachmittags Schule? Meinetwegen, da lasse ich einfach die Kinderschar ausfallen. Wenn die Schule soviel Rücksicht nehmen muß auf alles Neue, dann muß es die Partei und ihre Gliederungen auch – erst recht. –
Ach Herzelein! Dein lieber, lieber Brief kam zu mir. Und trotzdem alles schon so altbacken ist, ich freue mich doch ganz, ganz sehr darüber! Du!!! Nun sagst Du mir erst, daß Du endlich auch Post von mir hast, die Weihnachtspost! Wir haben ja alle beide sooo warten müssen! Aber nun ist alles gut. Wir wissen wieder, wie es einander ums Herze ist! Und wissen, daß unserer Liebe kein Ende ist! Ach Schätzelein! Du!! Spürst es ja auch wie ich, daß alles leer ist, daß es überall fehlt, wenn wir kein Zeichen voneinander bekommen. Und es drängt uns so mächtig aneinander! Du!!! Liebe ist es! Unendlich große Liebe!
Ach Geliebter! Wie will ich dich fest in meine Arme schließen, ganz fest, wenn Du bei mir bist!! Ich will Dich nimmermehr loslassen. Wie will ich Dich liebhaben! Liebhaben!!!!! Und Du mußt bei mir bleiben, Geliebter! Oh – ich sehne mich sooo nach Dir! Herrgott im Himmel, sei du uns gnädig, schenke unserem Bitten Gehör! Laß mir mein Liebstes gesund heimkehren!
Oh Geliebter! Geliebter!!! Komm zu mir! Komme heim, heim! Du!!!!!
Ich liebe Dich! Ich bin in Ewigkeit
ganz Deine [Hilde].
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Hilde Nordhoff
Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.
Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen
Oberfrohna
Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946