36.
Sonnabend, am 14. März 42
Mein Herzelein! Lieber, allerliebster [Roland]!
Du! Heute bin ich ganz allein zuhaus.
Die Mutsch ist in Chemnitz, Vater ging vorhin nach Mittelfrohna, um ein wenig zu helfen. Ich könnte mir doch heute einen Mann einladen!! Und ich hab’s schon getan! Einen, der jetzt mit mir Mittagstunde hält! Du kennst ihn schon!! Aber heute ist sie nicht bequem auf dem Sofa – sondern fein sittsam am Tische hinter’m Schreibepapier! Die Mittagstunde mein’ ich!
Ja Herzelein! Heute ist Schreibetag. Mal sehen, wie weit ich komme, neben Deinem Brief soll noch einer nach Kamenz und einer nach Bautzen gehen zu M.s. Und gegen Abend will ich heute einmal ins Kino gehen. „Kinderarzt Dr. Engel“ Mit Paul Hörbiger, dieser Film war schon einmal hier, er soll sehr schön sein. Am liebsten nähme ich Dich doch mit, Herzelein! Es geht ja nicht!!
Aber im Herzen bist Du doch immer mit mir! Vielleicht gehst auch Du heute mit Kamerad K. ins Kino, weil Wochenende ist.
Kamerad H. ist nun auch schon eine ganze Weile daheim und wird im Stillen an Euch denken. Ach Herzelein! Zuerst muß ich Dir doch jetzt ganz lieb und herzlich danken für Deine beiden so lieben Boten, die am Vormittag ankamen. Es sind die vom Donnerstag und Sonnaben[d], den 5. + 7. III. Ich habe mich so sehr gefreut! Und ganz besonders über den zarten Blumengruß[.] Nun hab ich mir doch auch den Frühling eingefangen! Ich will die Blütenranke austau[sche]n mit der Glockenheide hinterm Glas meines Bildes! Mein katholischer Wandschmuck! Du!
Da habe ich immer ein paar Blüten aus meines Herzlieb Gegend um mich, je nach der Jahreszeit. Im Sommer kommt die Heide wieder rein. Am Donnerstag war Dein freier Nachmittag, von dem Du mir so lieb erzählst. Mit K. bist Du durch die Gegend gepilgert und hast Dich am Frühling erfreut. Ich bekomme ordentlich Sehnsucht nach dem Frühling, wenn ich Deine lebendigen Schilderungen lese. Ach – hier will der Wintersmann nicht weichen. 16° Kälte sind noch momentan. Heute nacht heulte ein fürchterlicher Sturm ums Haus, sodaß ich garnicht schlafen konnte. Irgendwo in der Nachbarschaft fielen Fensterscheiben klirrend zur Erde. Auf dem Bauplatz machte sich der Windsjunge [sic] an allem zu schaffen, was nicht niet- und nagelfest war. Es gab einen wilden Anblick heute früh. Und nun ist noch garnicht so recht entschieden, was der Sturm wohl bringen wird. Es ist nur kalt draußen und Wolkenfetzen jagen am Himmel lang. In den „höheren Regionen“ stürmt’s noch! Vielleicht naht nun der Frühling mit Brausen?! Es ist, als ob sich zu aller Kriegsnot auch noch die Natur gegen uns stellen will.
Gebe Gott, daß alles noch nachzuholen ist, was jetzt versäumt werden muß in der Feldbestellung. Du! Herzlieb! Eben betrachte ich mir die Hüllen Deiner Boten, so große bräunliche sind’s – und ich denke daran, daß Du letzthin meiner Handschrift mißtrautest – bist aber nun dahinter gekommen, daß alles seine Ordnung hat. Meinst[,] ich hätte Dich abmalen wollen, meinen Hubo, mein Dickerle, das keines ist? Mag sein! Du! Und ich muß feststellen, daß Du Dich revanchiert hast heute! Du Lümmel! Ich will Dir sagen, wie ich es mir deute!
„[Hilde Nordhoff]“ [*] so ähnlich sieht’s aus. [**] das ist wohl der dicke „Po..“ von mir? Hm? Und dies [***] die Vorderansicht von mir? Was?
Na warte Du Schlingel! Wenn Du mich nochmal so öffentlich auf dem Umschlag abmalst! Merke Dir: die erste Strafe, für den nächsten Urlaub abzubüßen, steht schon wieder auf meiner Liste! Ich hab ein gutes Gedächtnis, Du!
Hast Du Angst, mein gutes Mannerli?
Ehe ich weiterschreibe, will ich Dir erst ein ganz liebes, süßes, langes Kussel geben, gell? „_____________!“ Es sieht’s ja keiner! Ich bin doch allein, Du!!
Mein Schätzelein! Du kannst mir noch nichts sagen über Deine künftige Verwendung. Ich will mit Dir ganz geduldig warten – mich mit Dir in Gottes Willen schicken. Das eine sollst Du immer froh wissen: daß ich immer bei Dir bin, wohin Du Dich auch wendest – ich bin bei Dir! D[u]! Abgesehen von der Möglichkeit, auf die Ihr einige Hoffnung setzt, steuert Ihr mit einiger Gewißheit auf den Unteroffizierslehrgang los.
Man gewöhnt Dich jetzt auch langsam wieder an[‘]s Exerzieren! Turne nur fleißig, dann fällt’s Dir nachher alles um so leichter.
Wenn Du schon Unteroffizier werden mußt, dann mußt Du auch den Kursus machen und ich meine: je eher umso besser; sei froh, wenn’s hin[ter] Dir liegt. Wenn Du nur gesund bleibst und ohne Beschwerden alles überstehst, mein Lieb! –
Du rätst uns beiden Frauen, nicht so viel über der Strickerei zu sitzen, lieber an die Luft gehen! Du gutes, besorgtes Mannerli! Sobald der Erdboden besser zum Spazierengehen geeignet ist, wollen wir auch tüchtig Luft trinken. Und an den Sonntagen – so haben wir uns vorgenommen – gehen wir alle 3 aus!
Ich will darauf achten, daß es durchgeführt wird. Und wenn ich Dir sonntags nur mal eine Ansichtskarte schreibe und montags wieder mehr, gelt? Du bist es auch zufrieden, Du! Freitags muß mein Mannerli meist exerzieren? Da exerziert das Weibel auch daheim! Mit Scheuereimer und Bürste!! Ach Du! Für Beweglichkeit ist schon gesorgt in unser beider Tagewerk! Körperlich wie geistig, wenn die geistige Beweglichkeit auch manchmal eher nerventötend als -anregend wirkt. Na – es wird alles so vertan wie es kommt, gelt? Die große, schöne Hoffnung auf ein baldiges Ende aller Not, die kann uns nichts und niemand rauben! Die bleibt gleich groß und stark in uns. Ach Herzlieb! Daß wir einander so ganz in Liebe zugeneigt sind, daß wir uns so gut verstehen, daß wir einander auch zu jeder Zei[t] [e]inmal das Herz ausschütten können – da [****] doch soviel Glück, das söhnt uns auch mit dem Los aus, das wir neben Millionen teilen. Uns kann so leicht nichts erschüttern;
Wir haben einander! Du!!!
Ich habe Dich – Du hast mich!
Und ganz sicher und vertrauensvoll wissen wir unser Schicksal in Gottes Händen.
Ach Herzelein, ist unser Leben nicht reich, trotz allem? Wir dürfen nicht klagen! Uns blieb wahre Not bisher noch fern. Und ich bitte unsern Herrgott täglich, daß er Dich und unser Glück davor behüte. Oh Herzallerliebster! Wir sind jetzt schon sooo glücklich in unsrer Liebe!
Und dann? Und dann – dann?! Du! Wenn Du für immer bei mir bist! O schenke uns Gott in Gnaden solches Glück. Ach Geliebter! Beglückt, zutiefst beglückt nehme ich Deine geliebten Boten an mein Herz. Du schreibst mir von Deinem Glück, von Deiner Seligkeit! Oh wie glücklich machst Du m[ich], Geliebter! Wenn Du mir sagst, was ich Dir sein kann! Daß Du meine Liebe annimmst! Du! Daß Du mich ebenso innig wiederliebst! Oh mein Geliebter! Es gibt Stunden, da ich mein übervolles Herz erleichtern möchte mit einer ganz besonderen Tat – da ich mein Glück hinausjubeln könnte in alle Welt!
Ich liebe, liebe Dich[!]
Mein Herzelein! Nicht so sehr freuen, sonst nimmt die Sehnsucht überhand, nach Dir! Oh Du! Du!!!!!!!!!!!!
Die liebe Elfriede hat Dir einen sehr lieben, schönen Brief geschrieben, die Gute! Versorge sie nur mit Tee.
Ich will in einen Geburtstagsbrief nach Bautzen auch eine gute Prise beilegen, damit ich zum 5-Uhr-Tee vertreten bin! Friedel ist ja auch mit dort! Donnerwetter! Wenn die Beschwerden schon über Saloniki kommen, da muß ich aber bald mal schreiben! Friedel ist doch ein gutes Mädel! Und ein Original! Ich habe so gelacht.
„Capez-vous, Monsieur?“ – ooch!? –
Kapiert, Herr? Ja!
französisch? griechisch? Deutsch?
Bist Du mir auch noch soooo gut, wie ich Dir? Es küßt Dich herzinnig
Deine glückliche [Hilde].
[*= geschrieben in Sütterlin]
[**=Hier ist ein Pfeil auf den Bogen in den Sütterlin geschriebenen Buchstaben "H" gerichtet]
[*=Pfeil auf das "N" gerichtet, das in der nicht anonymisierten Variante eine Kreisform hat]
[****=Papierfraß]
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Hilde Nordhoff
Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.
Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen
Oberfrohna
Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946