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[OBF-420320-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 20. März 1942.

Herzensschätzelein! Meine liebe, liebste [Hilde]! Holde mein!

Wenn mich die liebe Großmutter heute morgen hätte sehen können, sie hätte gelacht und ihre helle Freude gehabt. Und mein Schätzelein? Weiß nicht – Schon gestern habe ich an unserem Öfchen herumgedoktert, es rauchte und rauchte nur immer toller, ganz unerträglich.

Heut früh, ich war eben nur bis in die Buxen geschlüpft, da regte es sich in mir. Das Bett abgerückt von der Wand, die Stubenleiter angelehnt, und unser Ofenrohr abmontiert, hinausgetragen und über dem Eimer mit einem Holz abgeklopft. Dann mit bloßen Armen in die Knie gefahren [sic] – Ruß über Ruß – und Dein Mannerli trotz seiner Vorsicht ein halber Rußbuttenbu [sic] – ungewaschen, unfrisiert. „So müsste man Dich mal knipsen“, meinte K. Ich aber war mit Eifer und Leidenschaft ganz bei der Sache. Baute den Ofen wieder zusammen. Und heute Abend, da gab es anstelle einer verqualmten Stube ein Freudenfeuer. Oh ja! Dein Mannerli hält es mit der Wärme! Nun sind wir wieder Herr über den Ofen, soviel wir hineinstecken, muß er herausgeben. Abends wäre es im ungeheizten Raum ganz ungemütlich. Auch tagsüber ist es noch frisch und kühl. Vom Sonnen und anschließenden Sitzen im Schatten hatte ich mir den Magen verkühlt – das ist hier eine ganz eigenartige Reaktion – und bekam den Durchfall, nicht schlimm. Seit vorgestern ist wieder alles im Lote, ganz von selber. Ich bin froh.

In der kommenden Woche muß ich den Zahnarzt noch einmal aufsuchen. Es fängt einer an zu muckern.

Herzelein! Wirst Du denn nun wieder glücklich daheim sein? Morgen ist doch Geburtstag und Frühlingsanfang. Da möchte doch die ganze Familie versammelt sein. Ich denk, ich finde Dich heute wieder in den vertrauten Räumen! Ich habe heute immer auch einmal daran gedacht, daß Du in der fremden Stadt Dich aufhältst. Mein Tag war reichlich angefüllt mit Beschäftigung. Recht ausgeschlafen war ich nicht, kein Wunder nach der Wache. Und dann ging es hurtig hintereinander und durcheinander. Am Exerzierdienst brauchte ich nicht teilzunehmen.

Dein liebes Sonnabendbote ist heute zu mir gekommen. In dieser Woche haben sie sich doch ganz der Reihe nach glücklich eingestellt – Herzelein! Zeugnis Deiner Liebe, treuen Gedenk[en]s. Oh Du! Du!!! Habe Dank! Ich bin doch heute so froh, gestern schon, Herzelein! Ganz tief im Herzen bin ich’s doch immer, Geliebte! Weil ich Dich habe, Du!!!!!!

Hast Dich gefreut über meinen Frühlingsgruß. Der Frühling läßt auch hier noch auf sich warten. Heute war der Himmel wild und schwarz umzogen, und in den Abendstunden gab es einen warmen Regen.

Nun hast Du ja auch die Malerei auf meinem Briefumschlag gesehen. Siehste? Du hast damit angefangen. Ob ich Angst habe? Du! Wirst mir immer energischer, weil ich Dich alleinlasse, habe es schon an einigen Stellen gemerkt (Recht so!) – diesmal an dem Lümmel. Na, lassen wir nur die Bäume getrost ein Weilchen in den Himmel wachsen – und dem Mannerli die Hörner und dem Weiberli – die Dörner [sic] – die stoßen sich beide bald wieder ab, wenn wir beisammen sind – ja? Du!!! Du!!!!! Freilich habe ich furchtbare Angst. Ich führe aber auch Strafbuch, Du! Auch von amtswegen! Und der Polizist ist doch tatsächlich immer schlimmer als der Übeltäter! An Deine Deutung habe ich gar nicht gedacht! Du! Du!!! So hätte ich doch Deine lieben jungen Herzelein – meine Herzelein – Du! Ja? bitte, bitte!!! – gar nicht abmalen dürfen. Nein, nein! Die beiden M-Dickerle sollten etwas anderes darstellen. Na nun freue fürchte ich maich aber auf die Gefängnisstrafe [sic]– hu – hu!! Du! Du!!! Und das lange Busserl kriegst  jetzt gleich wieder: „ – – – – – – – – – – – –                                            !" [siehe Abbildung] Geliebte, mein!!!!! !!!!! !!!

Heute Abend muß Kamerad H. Abschied nehmen von Hause [sic]. Wir haben schon ein paarmal an ihn gedacht. Es wird ihnen allen schwer sein ums Herz. Und dabei fährt er noch in einen befriedeten Raum. Ach Du! Wie muß das sein, wenn der Mann in das ungewisse Schlachtgewitter zieht, das Kindlein im Mutterschoße muß es fühlen.

Herzelein! Es scheinen wohl nicht alle so schwer wie wir – wie sie sich nicht alle so zärtlich und innig lieben, Du!!! Mein Goldherzelein! Herzblümelein!

Gewiß – oh gewiß! Auch wir würden es tragen – tapfer und mutig, ganz eng und lieb Seit an Seit. Und doch ist es besser so. Und ich bin so froh und dankbar, oh, Du!!! Daß wir uns auch darin ganz[,] ganz lieb verstehen, geliebtes Weib! Und dankbar müssen wir Gott sein, daß es uns bislang so nach Wunsch ging. Ach Herzelein! Wie sehne ich mich doch und freue mich darauf, ganz sehr, mit Dir zu leben, an Deiner Seite – Du! Wir beide ganz allein! Wohin werden wir unseren Lebenswagen kutschieren? Du! Du!! Oh, wo warten zwei noch so sehnsüchtig, so voll Hoffnung und guten, starken Willens? Geliebte! Du! Du!!! Und ich bin sooo stolz und glücklich ob meiner Lebensgefährtin! Du!

Liebes geliebtes Weib! Meine [Hilde]! Ich habe Dich sooooooooooooo lieb, sooo lieb! Du sollst mit mir gehen, mit mir leben! Unsre Leben sollen ganz verbunden sein für immer! Ich soll nie mehr allein für mich dahindusseln. Du, oh Herzelein! Wie beglückt fühle ich die Ergänzung meines Wesens! Wie beglückt, daß der Thron im Herzen nun nicht mehr leer steht! Deine liebe, liebe Hand! Oh Du! Nun greift meine Sehnsucht nicht mehr ins Leere. Nun ist der Strom der Liebe befreit. Nun kann ich ein Menschenkind ganz lieb an mein Herz drücken – welch liebes, liebes Menschenkind!!! Oh Herzelein! Du! Siehst Du, wie ich mich freue – fühlst Du es? Du bist alle Freude! Von Dir kommt sie, lieber Sonnenschein! Mein Reichtum! Mein Glück! Und darum halte ich Dich sooo fest! sooooooooooooo fest. Du!!! Du weißt und fühlst es, wie so fest ich Dich halte! Ich halte Dir die Treue für dieses ganze Leben. Oh, daß ich sie Dir so erzeigen könnte, wie Du, Herzallerliebste! Aber Du schaust mir ins Herz und weißt, daß ich es ganz verloren habe an Dich.

Oh Herzelein! Behüte Dich Gott! Er segne unseren Bund! Er führe uns bald, recht bald zusammen zu gemeinsamem Leben! Er schenke uns auch Kraft und Geduld, getreulich auszuharren. Herzallerliebste! Meine [Hilde]! Du wartest mein, immer, des bin ich ganz gewiß! Du hütest unseren Schatz, so lieb und treu wie ich! Das macht mich froh und zuversichtlich, das erleichtert mir unser Getrenntsein.

Ich küsse Dich ganz lieb Herzelein!

Ich habe Dich ganz sehr lieb, sooooooooooooo lieb, Du!

Ich bleibe ewig

Dein [Roland], ganz Dein! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Viel liebe Grüße auch den Eltern.

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Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.420320-001-01a.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946