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[OBF-420323-002-01]
Briefkorpus

42. 

Montag, am 23. März 1942. 

Geliebtes Herzelein! Mein herzallerliebster [Roland]! 

Montagmorgen um 9 [Uhr] – ich muß jetzt gleich zu Dir kommen. Mein Nachmittag ist heute besetzt und es wäre ohnehin die Mutsch daheim, weißt? Wenn ich allein bin komme ich doch viel lieber zu Dir, Du!! Ich fühle mich doch immer so beobachtet, selbst wenns meine eigne Mutter ist, die im Zimmer weilt. Ich mag am liebsten so ganz allein sein wenn ich mit Dir rede, Herzelein! Dann brauche ich doch meinen Zügen keinen Zwang anzutun, kann ganz mich geben, wie mir ums Herze ist. Und mein ganzes Glück kann sich spiegeln im Antlitz, ohne daß es jemand sieht. Es ist doch unser kostbares Geheimnis Herzelein, gelt? Unser unendliches, reiches, tiefes Liebesglück! Oh Du!!!!! Ich möchte doch soo gern, daß es unser beider schönstes Geheimnis bleibt! Du!!! Wenn auch unsre Angehörigen und einige Bekannte wissen, daß wir ganz glücklich sind – Du! Den Umfang unsres Glückes in Wahrheit aber, den kann doch niemand ermessen, außer mir und Dir! Ach Du! Und so soll es bleiben, Du! Wie ein Schleier soll es über uns gebreitet sein, das wundersame Geheimnis unsres Einsseins, kein Mensch soll das mächtige Strahlen in seiner ganzen Größe sehen, nur Du und nur ich! Weil es das größte, schönste Geschenk ist, was wir einander bringen können: das Glückstrahlen unsrer heißen Liebe! Und in den trautesten Stunden wollen wir einander damit beglücken, Du! Oh mein [Roland]! Ich wache doch so eifersüchtig darüber, daß niemand mein Herz schaut! Alles, alles will ich doch allein Dir aufheben! Allein Dir – Geliebter!!! Ich muß Dich so sooo unendlich liebhaben, oh!!! Mein Goldherzelein! Mein Herzallerliebster, Du!!!!! !!!!! !!! 

Ich bin Dir verloren mit Leib und Seele, bin ganz Dein! Du!!! Gestern abend – wir kamen vom Spazierengehen und hatten uns auch den Film angesehen „Der Strom“, was ich Dir empfehle, Herzelein! – da habe ich doch, als die Eltern zu Bett waren, nochmal Deine lieben Boten all hervorgeholt, Du! Den ganzen Strauß Deiner Liebe! Oh Du! Ich bin doch sooooo glücklich in Deiner Liebe! Geliebter! Du kannst es vielleicht kaum nachfühlen, wie unendlich glücklich ich bin! Ach Du!!! Und ich habe mich in die Sofaecke gekuschelt mit der Decke, habe Deine Boten alle noch einmal ganz lieb in mich aufgenommen. Ach Geliebter! Das Herz wird mir weit vor Glück und unendlicher Dankbarkeit! Der Herrgott hat uns so reich beschenkt mit unsrer Lie[be]! Unser Leben soll ein einziger Dank darum allein sein! Und nimmer wollen wir nachlassen, um seine Gnade zu beten, um seinen Schutz! Ach Geliebter! Ich habe geweint vor Glück und Freude. Du hast mich soo lieb! So ganz unermeßlich lieb! Du!!! Und Du bekennst es mir in so lieben, ach so lieben guten Worten! Du! Welch liebes, gutes, herzensgutes Mannerli habe ich doch zu Eigen! Wie reich bin ich! Wie so glücklich! Oh, ein einziger Jubel ist in mir darum. Ach Geliebter! Will nicht alle kleine Sorge neben diesem gewaltigen Glück verblassen? Ist nicht alles erträglich, was uns vorerst untragbar scheint, mit diesem Schatz im Herzen? Es gibt keinen Zweifel mehr. Wir werden ganz gerade und mutig, ganz unangefochten durch die Zeit gehen bis hin zu unsrer Erlösung, mit dieser Liebe im Herzen! Du! Urquell all unsrer seelischen Kraft ist uns diese Liebe – ebenso mächtig wie der Glaube durchpulst sie uns, unverlierbar sind wir darum dem Leben, dem Leben und uns einander! Du!!! Geliebter! Gott segne unseren starken Willen, einander zu leben! Er sei mit Dir, mein Glück, auf allen Deinen Wegen! Du bist mein Ein und Alles, bist der ganze Inhalt meines Daseins! Mein [Roland]! Oh mein [Roland]! Laß mich ganz lieb und fest Dich umfangen! Fühle Du den Schlag meines Herzens – es ist Dein, gehört Dir für dieses Leben! Oh mein Geliebter! Wie soll ich Dir denn am deutlichsten bezeugen, wie ich Dich liebe, Du! Mein ganzes Leben, ich schloß es um Deines herum. Ich bin Dein, so ganz Dein für immer. Und wenn man mich in eine Einöde verschleppte, die Liebe in mir glüht weiter in unverminderter Kraft! Du! Ich kann nicht mehr anders, als Dir leben [sic]. Du!!! Ach Geliebter! Was uns das Schicksal auch auferlegen wird noch, an Opfern und Not und Leiden: eines steht unverrückbar fest in meinem Herzen, meine treue Liebe zu Dir! Alles will ich verlieren, nur Dich nicht, mein Glück! Oh Herrgott im Himmel! Schaue in Gnaden auf uns herab! 

Herzelein! Nun zu Deinen lieben Boten. Vom 11.,12.,13.,14. März sind sie. Einen ganzen Zeitabschnitt brachten sie mir auf einmal ins Haus! Du! Von Dir! Vom Herzallerliebsten! Und ich muß nun gleich der Reihe nach durchgehen, um mich zu Einzelheiten zu äußern. Die Geschichte vom Briefkasten billigst Du also auch, wie ich sie löste. Das freut mich. Noch mehr freute mich aber, daß Du nun endlich nicht länger zögertest, in den neuen Kasten zu schlüpfen, Du! Ich hatte doch beinah Bange, daß Du deshalb so lang bei mir ausbliebst! Nun zur neuen Firma! Du! Ja, Du unverbesserlicher Eigennutz! Immer willst Du alles [h]aben, gibst Dich nicht mal mit einem Teil nur zufrieden! Du!! Da habe ich nun Deinen Familiennamen angenommen, Du hast keinen angenommen von mir! Und nun willst Du auch noch Dich mit auf den kleinen Stempel drängen! Nein, alles geht nicht, Du! Ich möchte doch auch mal Herr im Hause sein, wenn mein Mann nicht daheim ist! Verstehst mich noch, Schlingel? Wenn Du wieder da bist, werden wir eine kleine Operation vornehmen lassen am Stempel, dann hat alles seine Or[dnu]ng. Einverstanden Herr und Gebieter? Aber daß Du über meine neue Firma Dich so ablehnend äußern kannst! Du!! Nimmst mir doch gleich allen Mut! „Ich hoffe, daß sie bald, recht bald ihren Konkurs ansagt!“ Du! Das ist stark, wenn Du mir das als Geschäftsfreund sagst! Wenn ich nun meine Lieferungen an Dich einstelle, auf Deine Äußerung hin. Siehste! Da bleibt Dir wohl gleich die Sprache weg?! Na, mach nur Dein Mäulchen wieder zu! Ich will mal nicht so sein, weil Krieg ist. Aber im Frieden würde ich sofort meine Konsequenzen ziehen, Du! Mit einem alten geriebenen „Geschäftsmann“ darf man nicht Katz‘ und Maus spielen Du! 

Lausbub, Du! 

Ach Du liebes Schätzelein! Wenn ich mich doch könnte in Wirklichkeit mit Dir mal wieder so necken! Du! Ich würde dann einfach kurzen Prozess machen, wenn Du mir mit dem Mundwerk gar so weit über bist! Ich tät Dir Dein Mündel gleich ganz fest verschließen – mit einem ganz langen tüchtigen Kussel, Du! Du!!!!! Du! Und ich geb‘ Dir auch gleich eines aus Papier! Du! ––––––– 

Am Donnerstag war Dein freier Nachmittag. Und Ihr beiden habt Euch auf dem Balkon gesonnt! Wie schön!! Könnten wir das hier auch erst! Aber sehr lange kann es auch nicht mehr dauern, es geht ja schon auf Ende März. Und Du berichtest mir von Eurem Bummel nach der Vorstadt, wie dabei das Heimweh so deutlich in Dir erwachte. Liebes Herzelein! Wir können uns nie an das fremde Leben gewöhnen; an ihr Brauchtum, an ihren Lebensstil. Wir sind zu sehr deutsch, zu sehr heimatverwurzelt. Und das ist doch eigentlich alles Zeichen, daß wir zu den innerlichen Menschen gehören, zu den empfindsamen, den Gemütsmenschen. Die Eingeborenen da, in ihrer Sturheit und Stumpfheit, die merken doch garnicht, wie das Leben an ihnen vorbeizieht in seinem Wunder und seinem eigentlichen Sinn. 

Ach, es ist bejammernswert, so etwas zu erleben. 

Geliebter! Umso lieber flüchtest Du Dich dann heim, in Deine Soldatenbleibe, wo Du doch ein Stückchen Heimat eingefangen hast in Deine vier Wände, Du! Ich bin so froh, daß Deine Unterkunft so ist, daß Du für Stunden vergessen kannst, wo Du leben mußt und unter welchen Umständen; gezwungenermaßen. Und wieder ist es unser Liebesglück, das uns den Alltag verklärt, das uns froh macht und zuversichtlich zugleich! Oh Du! Wir wollen einander immer ganz fest halten, Geliebter! Es läßt sich dann alles ertragen. Du!! Ich bleibe Dir! Und es beglückt mich, von Dir zu wissen, daß Du mir vertraust, so ganz vertraust, daß ich unser Glück recht bewahren werde, daß ich es hoch und heilig halte. Du! Ich warte Dein! Ich bewahre Dir die Heimat – vergiß‘ es nie, Geliebter! Wie ich mir immer vor Augen halte: Du bist mein, Du baust an der Brücke zur Heimkehr! 

Und im Freitagboten erzählst Du mir, daß Du ganz allein zuhaus bist und die Schreibstube hütest, während die anderen „Leibvisitation“ halten müssen! Brrrr!! Ich bin beruhigt, daß Du alle Vorsichtsmaßregeln beachten wirst, um nicht zu solchem Kleintierkram zu kommen! Herzelein! Ein ganz heimliches Plätzel hast Du inne, wo uns garniemand [sic] belauschen könnte, als Sonne, Wind und Wellen? Oh Du! Ich käm‘ doch gleich einmal hin zu Dir! Zu Dir! Ach, bald bald, so hoffen wir, darfst Du mir für immer heimkehren! Oh Ddann wird eine Freude sein, ein Jubel! Und was uns das Leben auch an Schwerem bringen mag, wir wissen: Liebe, innige Liebe wird unseren Weg säumen. Was wird sein, wenn Du frei bist? Oh Du! Ich weiß! Dann werde ich Deine Gefangene sein, wie gern!!! Ich möchte doch lieber heut‘ als morgen in Deine liebe, liebe Gefangenschaft! Du goldiges Mannerli! Mein Herzensbub! Oh Du! Ich liebe Dich ohne Ende – ewig. Ich bin Dein. Herzelein! Für heute drücke ich Dich ganz lieb an mich! Ich küsse Dich ganz lieb! Du! Und bleibe in Treue und unendlicher Liebe ganz Deine [Hilde].

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Kommentare

Hilde liest alle Briefe voller Liebesglück erneut durch. Sie sieht Rolands Heimweh und Verbundenheit mit der Heimat als Zeichen für „Gemütsmenschen“.

Einordnung
Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.420323-002-01a.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946