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[OBF-420327-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 27. März 1942

Herzensschätzelein! Geliebte! Mein liebes, teures Herz!

Freitagabend – wieder verronnen eine Woche. Die nächste sieht uns schon vor dem Osterfest. Die Griechen feiern es an denselben Tagen. Osterfest – es wird daheim noch wenig österlich ausschauen nach diesem harten Winter. Wir hatten heute wieder einen Prachttag. Aber am Westhimmel künden dunkle Wolken ein[e] Änderung an. Auch das unruhige Meer heute abend deutet darauf hin. So warm es in der Mittagssonne ist, so kühl ist es abends im Zimmer, sodaß wir uns gern unsres Öfchens erinnern. Es brummelt in meinem Rücken vor Wärme und Behaglichkeit. An die Behaglichkeit daheim gemahnt es mich, heute am Badetag zumal. Von seinen drei Brüdern hatte Dein Mannerli den wenigsten Hang zur Behaglichkeit. Aber ich glaube, bei meinem lieben Weibe habe ich sie schon gelernt und werde ich sie noch besser lernen. Kamerad K. ist schon wieder unterwegs ins Kino, dieser Stückefresser. Wir waren heute miteinander zum Exerzierdienst. Er war leicht und angenehm heute. Kamerad H. sitzt mir gegenüber und bebelt an seiner Tellermütze herum, zieht ein neues Band ein und näht einen neuen Vogel dran. Dein Mannnerli hat heute seine Strümpfe getrocknet. An einige muß ich mal mit Garn und Nadel rangehen.

Heute ist wieder keine Post gekommen, der Postbüttel ist zu langsam gewesen heute. Dafür wird sie morgen reichlicher ausfallen.

Wenn Dich dieser Bote erreicht, wird wieder Feiertag sein. Ihr werdet aufatmen von Euren Anstrengungen und Mühen und werdet für wenige Stunden Euch dem Genuß der Früchte dieser Arbeiten hingeben, wenn es nicht wieder so wird wie zu Weihnachten, daß es Euch daheim nicht leidet. Ach Herzelein! Ich kann Dir das so gut nachfühlen. Gerade zu unseren Feierstunden fühlen wir die Leere ganz besonders, die Einsamkeit. Sie bleibt uns nicht erspart. Ich trage sie mit Dir. Wenn wir uns doch in der Zeit noch einen guten Radioapparat gekauft hätten. Der Eure ist doch zu wenig, er macht dem Ohr mehr Schmerzen als Freude. Wer hat geahnt, daß es so kommen würde? Oder könntest Du Dich ans Klavier setzen und wenigstens ein bissel üben. Ach Herzelein! Wie gern rührte ich manchmal ein Spiel, mir etwas vom Herzen zu spielen, so wie ich es früher tat, wenn ich des Sonntags nach Hause kam! Ein richtiges Verhängnis ist es, daß ich so durch äußere Umstände gehindert wurde, meine Muße mit der Lieblingsbeschäftigung auszufüllen, über 13 Jahre schon.

Da denk ich eben auch an die Einladung zum Feste nach Kamenz. Den Eltern wird der Sinn wenig danach stehen. Sie sind zu Weihnachten zu toll ausgewischt worden, und wie ich von Dir höre, sind die Zugverbindungen unterdessen nicht besser geworden.

Vater wird froh sein, wenn er ein paar freie Stunden für sich erübrigt, die Mutter wird den Vater nicht allein lassen wollen. Und Du, Herzelein, wirst allein auf wenige Tage auch nicht viel Lust verspüren; denn eine Anzahl von Pflichten hindert Dich, länger zu bleiben.

So unterbindet der Krieg mit seinen Folgeerscheinungen auch diese Besuche, die doch umso notwendiger wären, weil sie uns stärken und verbinden, auch wenn sie nur kurz sind. Ich könnte deshalb auch ganz verstehen, wenn Du trotz aller Widrigkeiten die Reise wagtest. Schöner wäre es immerhin, als wenn Du womöglich nach Mittelfrohna zum Aushelfen gingest. Na, ich denke, ich werde rechtzeitig von Euren Plänen hören, damit ich Dich, Geliebte, zu den Feiertagen auch am rechten Orte suche.

Meine Gedanken werden mich entführen zur Heimat, zu ihrem Frühling, und zu Dir, meines Herzens Sonnenschein. In Großpostwitz war es, da habe ich doch den Frühling einmal belauscht in einer hellen Mondnacht. Ganz zart und ängstlich sah alles junge Werden noch hervor. In jener Nacht aber rührte der Frühling an alle Knospen, daß sie sich auftaten – und am anderen Tage war der Frühling richtig da – ich belauschte das Leben an seiner Schwelle. Es war ein überwältigendes Erleben. Und noch manchmal erlebte ich den Frühling, unseren heimatlichen Frühling. Und unvergessen wird mir auch der Tag sein, da ich Abschied nahm an der Schwelle des Frühlings. Ein Frühlingssonnentag  lockte mich hinaus – und ein übervolles Herz trieb mich, zu gehen, zu wandern, meinen Schritt, mein Selbst zu spüren, meine Einsamkeit mitten im Weltgetriebe. Und wie draußen der Schneeschauer mit dem Sonnenschein, so rang in mir der Sehnsucht Drang mit dem Schmerz des Abschiedes. Und als ich dann durch den dämmernden Abend schritt von Wüstenbrand über die Schwelle des Rabensteiner Waldes, da war unter meinen Füßen wieder Eis und Schnee, und Frost durchwehte den Wald, und es fröstelte auch meinem Herzen. Und dann am Waldesrande – die Sonne war in grauem Dämmer verschwunden. Sie rötete den Himmel. Ich stand hier auf einsamer Höhe – drunten aber wußte ich die Stadt – – – oh Geliebte! – und in mir zitterte es: mußt wieder scheiden – morgen schon – verlassen für immer, was Du liebgewannst – hast noch immer nicht Frieden und Heimat gefunden – – – oh Geliebte! Geliebte!!! Wie weh, wie bitterweh war mir, dem Friedlosen, dem Heimatlosen! Da war es nicht wie Frühling in meinem Herzen!

Oh Geliebte! Du mußt mein Weh geahnt haben – du hast mein Herz verstanden – Du hast meine Sehnsucht gefühlt – den gleichen Schmerz des Abschiedes – so wund wie das meine war Dein Herz – Geschwisterseele! Warst schon damals mein, geliebtes Weib! Du!!! Du!!!!! Der Frühling brach doch an, schöner und reicher denn zuvor. Und schon am Tage und am Abend des Abschiedes warst Du mit mir, bei mir, Du liebe, treue Seele!!!

Oh Herzelein, Du! Wie lieb ich Dich! Tief hinein ins wunde Herz fiel das Samenkorn unsrer Liebe! Und nun ist sie erblüht, tiefe, reine Herzensliebe! Oh Geliebte! Wie tief hab ich Dich in mein Herz geschlossen. Ich lasse Dich nie, nimmermehr! Du liebe, gute, treue, herzallerliebste [Hilde], Du! Mein einziges Weib! Mein Leben! Mein Leben! Du! Du!!!!! !!!!! !!!

Gott schütze Dich! Oh Vater im Himmel, erhalte Du unsere Liebe!

Herzelein! Ich denke Dein so fest und lieb, oh sooo lieb, immerzu – es hat kein andrer Gedanke Raum in meinem Herzen! Ich bin Dir verbunden auf Leben und Tod in treuer, ewiger Liebe!

Ich bin Dein! So ganz Dein! Dein [Roland], Dein Herzensmannerli! Ich bin sooooooo glücklich, daß ich Dein bin! Und so glücklich, so überglücklich, daß Du die meine bist! Meine liebe [Hilde], Du!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946