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[OBF-420331-002-01]
Briefkorpus

49.

Dienstag, am 31. März 1942.

Herzallerliebster! Mein lieber, allerliebster [Roland]!

Wieder ist ein Sonnentag heute, blau der Himmel; doch noch kalt ist die Luft. Früh um 7 [Uhr] bin ich aufgestanden, habe meine Hausordnung fertig gemacht und das Essen vorbereitet, dann habe ich mich über den Korb Wäsche erbarmt. Über den einen Korb nur. Den anderen will die Mutsch legen. Morgen gehn wir auf die Mangel um 3 [Uhr]; ich habe doch keine Kinderschar morgen. Und heute will ich nochmal in die Pfarre gehen, damit meine Konfirmationsscheine bis Gründonnerstag fertig sind. Ich habe noch überall den Spruch einzutragen, das übrige steht nun drin. Man glaubt ja garnicht, wieviel Mühe es macht, so eine Anzahl Scheine auszustellen. Und dann waren auch noch Einladungen zu schreiben an die letzten 3 Jahrgänge Konfirmanden, daß sie übermorgen zum Abendmahl geladen sind. Der Pfarrer hat Durchschläge gedruckt und ich habe die Umschläge geschrieben mit Frl. S., 300 Stück. Heute sollen sie abgeschickt werden. Wenn die jungen Leute nicht eine persönliche Einladung bekommen, erscheinen sie nämlich nicht. Das war schon zu meiner Zeit so. Und wer wird denn heutzutage noch vom Elternhause angehalten, zur Kirche zu gehen? Ganz wenige Fälle sind es.

Ich weiß noch nicht, wie lange ich heute bin im Pfarrhaus; ich werde mich dazuhalten [sic], daß ich noch paar Stunden Zeit frei habe bis abends 8 Uhr, wo ich Rotes Kreuz habe. Ich glaube, daß der Kursus nun bald alle ist; denn Dr. H. sollte an den letzten Abenden vortragen, so hieß es, er ist schon einige Male bei uns gewesen nun. Ich mag ihm sehr gerne zuhören! Wenn er immer den Lehrgang geleitet hätte, dann wäre alles doppelt interessant gewesen.

Herzelein geliebtes! Du! Heute kamen doch 3 liebe, ganz liebe Boten an von Dir! Ach Du! Ich habe mich ja so von Herzen gefreut! Vom Freitag, Sonntag und Montag sind sie. Und alle erst am 24.3.42 gestempelt. Es ist schon so, daß irgend eine Postsamm[el]stelle erst etwas zusammenkommen läßt, ehe es abgeht nach der Heimat. Aber nun ist doch alle Freude bei mir, Geliebter! Und eitel Sonnenschein ist in meinem Herzen! Ich bin ganz, ganz froh und glücklich! Du!

Mein Herzelein! Nun bin ich wieder daheim. Es ist gleich um 6 [Uhr] abends. Erst mußte ich mir etwas zu essen nehmen, einen großen Hunger hatte ich – vom arbeiten vielleicht! Die Mutsch ist nochmal einen Weg besorgen gegangen. Und Vater kommt immer erst gegen ¼ – ½ 7 [Uhr]. Schnell nutze ich da die Zeit, um mit Dir ganz allein zu sein mein Herzelein! Ich bin doch beim schreiben so gerne allein mit Dir! Du weißt es schon! Du!!! Und in Wirklichkeit bin ich doch auch immer am liebsten ganz allein mit Dir, Du Lieber! Ach –- ich muß Dich zu sehr liebhaben! Ich möchte doch jetzt gleich mit in den Brief hineinkriechen und mit zu Dir kommen, Du!!! Herzelein!! Mein Herzelein!!! Du!!! Ich küsse Dich!!!!! Ich hab Dich so von ganzem Herzen lieb, lieb!

Du! Weißt? Die Zeit bis zum Abendbrot ist ja viel zu kurz, um Dir alles zu sagen, was mich bewegt! Und darum will ich auch garnichts übereilen, mein Schätzelein. Ich will dann noch einmal zu Dir kommen, wenn ich aus dem Roten Kreuz heim bin. Du! Spät abends, wenn alles schläft! Wenn ich nur allein mit Dir wache, mein Herzelein! Und ganz fest zuschließen will ich die Tür! Du!!!

Selig umfangen werde ich Dich in Gedanken, Du!! All mein Glück! Mein Leben! Du mein Ein und Alles auf Erden! Wie ich Dich liebe, wie ich Dich sooo liebe! Du hast mich heute so glücklich gemacht! Du hast mich so lieb verstanden, Du! Und nun ist es mir gerade, als schlüge mein Herz noch einmal so glücklich Dir zu! Du! Ach Geliebter! Daß wir uns in Liebe so ganz verstehen können! Das ist ein ganz kostbares Geschenk! Oh, laß‘ es uns hüten, Geliebter!

Mein herzlieber [Roland]! Ich bin wieder da. Heute war Dr. H. anwesend, der mit Frl. K. uns in die Maßnahmen bei der häuslichen Krankenpflege einführte; das war ein lehrreicher Abend.

Du! Am Ende habe ich dann mit Frau B. gesprochen wegen meiner Bereitschaft zum Dienst. Sie hat sich gefreut. Auch über meine Haltung, daß ich erst mit Dir alles bereden wollte. Es gäbe Leutchen dabei, die blindlings alles ergreifen, überall dabei sein wollen, sich zu allem möglichen melden und es dann nicht halten können, was sie versprächen.

Und nun ließ ich mir nochmal von ihr sagen, wozu ich mich verpflichte, wenn ich jetzt zur Bereitscha[f]t gehöre. Lediglich zu Hilfeleistungen beim Außendienst, als da sind: Bahnhofsdienst und Hilfe bei Transporten; wenn mal eine große Veranstaltung ist wie Konfirmation, vielleicht eine parteiamtliche Feier, oder irgend sowas, zum Bereitschafts- oder Ordnungsdienst. Und an den Sammlungen für‘s WHW möchten wir uns noch beteiligen. Das ist alles.

Für den Dienst im Lazarett sind ausgebildetere Leute erwünscht, (also: Schwestern-Helferin) jedoch würden ‘Freiwillige‘ bestimmt auch angenommen zu irgendwelchen Verrichtungen. Ich sagte Frau B., daß diese Sache für mich ganz ausscheidet. Sie ließ so vernünftig mit sich reden, daß es mich freute. Sie fragte sogar, ob Du in nächster Zeit auf Urlaub kämest, damit sie sich die Daten aufzeichne, um mich in dieser Zeitspanne nicht zu bedenken mit Bahnhofsdienst.

Zum Bahnhofsdienst ein paar erklärende Worte. Der Kreis Chemnitz will aus seinen Bereitschaften immer Helferinnen dazu gestellt haben, weil das ein leichter Dienst ist und die weitergeschulten Schwestern bei dem heutigen Mangel an Kräften dafür gespart werden müssen. Man geht also im Hauptbahnhof zur DRK–Stelle, meldet sich zum Dienst und bekommt seine Weisungen. Es sind da aus allen Bereitschaften welche anwesend. Es wird von jeder Bereitschaft nur eine geschickt. Auch Sanitäter sind mit da. Für die Zivilreisenden wie für Soldaten müssen wir da sein. Sei es nun ein leichter Unfall, ein körperlich Behinderter zum Zug zu bringen, eine kinderreiche Mutter, Alte; u.s.w. Für Soldaten ist Verpflegung bereitzuhalten, d.h. Suppe kochen, Kaffee, Schnitten schmieren. Eventuell zu einem Zug tragen. Und dann am Ende einer Verpflegungsaktion müssen wir auch wieder das Geschirr reinigen. Ist eine Betätigung für Hausmütterchen, gelt?

Von früh bis Nachmittag, oder von nachmittags bis abends, so ist die Zeit immer. Auf unseren Ausweis hin haben wir freie Fahrt. Wann ich hierzu das erste Mal genommen werde, das weiß ich nun noch nicht. Es haben sich schon viele gemeldet. Ich bin mit diesem Bescheid zufrieden, den mir Frau B. gab. Und Du, mein Lieb gewiß auch. Das Ganze ist keine an eine bestimmte Zeit gebundene Verpflichtung. Je nach Anfall der Gelegenheiten, wo Hilfe nötig ist.

Herzelein! Ich glaube schon, daß ich das verantworten kann, was ich damit auf mich nehme. Es ist nicht viel. Und wenn es Berufstätige tun, dann kann ich es auch leisten.

Und verkehrt ist es in keinem Falle, wenn man einmal richtig aktiv mithilft seine Kennt[nis]se zu bewähren: Jeder Frau und Mutter kann das nur nützlich sein. Man weiß ja noch nicht, was einem selbst, in der Familie noch passieren kann und was der Krieg noch für Wunden schlägt, wo man helfend eingreifen muß. Ich möchte dann meine Angehörigen niemandem Fremdes anvertrauen. Ich weiß nicht, ob Du das ebenso empfindest, Herzlieb? Im Weibe ist jedenfallst der Drang zu helfen und mütterlich zu sein mehr ausgeprägt als beim Manne. Ist wieder eine Herzenssache. Du! Herzelein! Ich will keineswegs sagen, daß Du kein Herz hast! Oh, das weiß ich wohl am allerbesten!!! Du Allerliebster!

Aber die Männer betrachten halt alles verstandesmäßiger, glaub ich. Und dabei müssen sie garnicht unhilfsbereit sein. All das äußert sich eben anders – männlicher. Du! Aber Du verstehst mich schon recht!

Ach Herzelein! Ich bin so froh! Ich danke Dir für Dein liebend Verstehen. Nun will ich schlafen gehen, Du! Ganz glücklich will ich Dein denken!

In unverbrüchlicher Liebe und Treue

in alle Zeit

Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946