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[OBF-420403-002-01]
Briefkorpus

52.

Karfreitag, am 3. April 1942.

Herzensschätzelein! Mein lieber, liebster [Roland]!

Heute komme ich erst spät zu Dir, vielleicht schickst Du Dich schon an ins Bett zu gehen? Es ist eben ½ 10 Uhr. Darf ich wohl schnell noch ein bissel zu Dir kommen? Du!!! Ein ganz liebes Küßchen muß ich mir doch holen Herzelein, vorm Einschlafen, weißt? dann [sic] geht es besser. Du! Und wenn Du ganz allein bist zuhaus, oder gar Wache hast, Du!!! Dann komme ich doch ganz schnell zu Dir, Herzelein!!! Und komme Dir ganz ganz nahe auch — oh Du!! Hätte Dich ganz sehr lieb!!! Herzelein! Ich habe heute nacht von Dir geträumt, ganz klar ist mir der Traum aber nicht mehr in Erinnerung, ich weiß nur noch, daß es Sommer war — daß Du bei mir warst, Du!!! Und soviel Glück und Freude waren in mir, das habe ich ganz deutlich gefühlt, Geliebter mein! Ach, so glücklich war ich, wie ich es immer bin[,]wenn Du bei mir bist, Du!!! Das, was man sich sehr wünscht, geht in Erfüllung. Und wenn vorerst nur im Traume — ich weiß, daß es auch alles wieder glückhafte Wirklichkeit sein wird! Bald — bald! Mein Geliebter! —

Karfreitag war heute. Tiefe Freude Traurigkeit und große dankbare Freude liegen an diesem Tage so eng beisammen wie selten sonst. Ein Christ kann das wohl nur ganz erfassen. Unser Heiland hat an diesem Tage den Kelch der bittersten Leiden für uns Menschen ausgetrunken. Und voller Ergriffenheit hören wir jedes Jahr aufs neue im Gotteshause diese Worte ewiger Wahrheit. Und hat bei aller Traurigkeit dieser Tag nicht die dankbarste Freude in sich, für uns? Gottes Sohn erlöste uns durch seinen Tod von Sünde und Schuld. Seine Liebe ist größer als alle Schuld. Er reicht uns in ewiger Güte die Hand, daß wir zu ihm kommen, immer auf's neue. Der Karfreitagsgottesdienst ist mir einer der eindrucksvollsten immer. Und ich kann es nicht in Worte fassen, was mich dabei so bewegt. Das stille Heldentum Jesu in seiner Sterbestunde. Der fanatische, sture Wahn, von dem die Menschen besessen, die Christus einst an das Kreuz bringen ließen. Ihr Schreien: kreuziget ihn! Hatten sie denn einen Grund? Was tat ihnen Jesus?!

U[n]d auch heute sind ihrer viele, die wieder schreien: kreuziget ihn — weg mit ihm!

Warum? Weil das, was er uns vorlebt, ihnen zu unbequem ist. Weil sie lieber in ihrem Pfuhl verkommen mögen, als den Kampf zwischen Gut und Böse aufzunehmen. Die Menschen fangen an faul zu werden innen und außen. Sie lassen sich willig vollfüttern mit billigem Geschwätz, das leichter zu verdauen ist. Tausende sind es, die das bequemere Los wählen.

Es müßte etwas geschehen, daß sie aufrüttelt mit Sturmesgewalt! [sic] Etwas Urgewaltiges muß es sein, etwas auch, was sie klein macht vor Schrecken und Furcht, und demütig. Denn in Liebe und Güte und Nachsicht ist hier nichts mehr zu erreichen, glaube ich. Und haben wir nicht schon dieses Furchtbare, Schreckliche, das die Menschen mit Macht zu Gott führen muß? Der schreckliche, grausame Krieg? Oh, ist das noch nicht genug? Dem Tun und Treiben der Menschen nach zu antworten: nein, das ist noch nicht genug. Noch härter müssen sie büßen, noch viel gewaltiger und eindeutiger muß Gott zu ihnen reden.

Ach Liebster! Es liegt auch an dem, der da[s] Volk führt. Könnte unser Volk innerlich nicht viel gefestigter dastehen, als in Wirklichkeit, wenn es immer auf dem rechten Weg geblieben wäre? Was sind das für Fragen! Wer kann mir antworten darauf! Du Liebster, plagst Dich auch mit diesen Fragen, ich weiß. Und wir müssen still sein und geduldig ausharren bis zum Ende dieser harten Prüfung, die uns Gott mit dieser Zeit auferlegt.

Oh Du!! Laß uns feste stehen im Glauben[!] Er ist das köstlichste auf der Welt neben unsrer Liebe! Du! Mein [Roland]! Wenn alle untreu werden, wir lassen nicht von Gott! Und ich bin mit Dir ganz eines Sinnes, das macht mich so froh! Du!!! Ganz fest wollen wir standhalten.

Herzelein! Es war für mich ab Mittag erst Feiertag heute. Früh putzte ich noch alle Fenster, weil es so schön draußen war; das Regenwetter hatte die Scheiben so sehr beschmutzt. Die Zimmer wurden gewischt, gebohnert, abgestäubt. Die Hausordnung war zu scheuern. Vater hatte Tagdienst, [w]ir mußten auch 'was ordentliches kochen.

Die Post ist schon 2 Tage ausgeblieben. Und um 3 [Uhr] ging ich zum Gottesdienst. Ich habe an Dich ganz fest gedacht, Liebster! Vor 3 und 4 Jahren warst Du noch bei uns. Da war es noch schöner in der Kantorei! Herr S. wird nie ein Kantor werden. Schade.

Um die 4. Stunde verfinsterte sich der Himmel derartig und der Sturm heulte, ein Regen prasselte nieder! Wir mußten Licht machen, [k]onnten nicht die Noten erkennen.

Nach dem Gottesdienst war alles vorüber. Doch trübe ist's geblieben nun. Bin ich denn auch so ein Graupelwetter, sag? Weil ich doch im April geboren bin?! Der Monat hat sich schön bei uns eingeführt! Jeden Tag weint der Himmel.

Anschließend besuchte ich Dora P.s Mutter, um nach Dora zu fragen. Und da führte sie mich hinein in die Stube, Dora war zuhaus! [Sie] Ist 3 Tage in Chemnitz zur Beobachtung gewesen. Man sagte: Blinddarmreizung, sie ist nicht operiert worden. [Sie] Muß aber liegen zuhaus. Sie haben keinen Platz, sie muß noch warten. Ist das nicht schrecklich, wenn man heute nun etwas in sich hat und kein Arzt hat Zeit für einen! Gott möge uns vor Krankheit behüten jetzt! Ich will ganz vorsichtig sein! Und Du, mein [Roland], versprich es mir bitte auch! Du!!!

Und dann bin ich wieder heimgegangen, ich wollte ja noch backen! Das letzte Mal in größerem Umfang! 2 Aschkuchen (mit Hefe) feine Rosinen drin!! Und 2 kleine Streuselkuchen. Die Kostproben gehen morgen ab an Dich! Ich habe einen Ärger, daß [m]an nur 100 Gramm schicken darf! Was ist denn dazu?! Und nun will ich Dir für heute ganz lieb die Hände drücken, mein Herzelein! Ich bin soo müde! Du!!! Morgen auf Wiederhören! Behüt Dich Gott! Mein Goldherzelein!

Ich bleibe in Liebe und Treue immerdar Deine [Hilde]. Ich küsse Dich! Gut [sic] Nacht!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946