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Briefkorpus

Pfingstsonntag, den 24. Mai 1942

Herzensschätzelein! Geliebte! Meine liebe, liebe [Hilde]!

Nun haben sich alle wiedereingefunden, um den [Roland] in ihre Mitte zu nehmen – heute nun auch, ganz pünktlich zum lieben Pfingstfeste die liebe Mutsch zugleich für den lieben Vater.

Heute noch, sonst aber morgen, komme ich dazu, mich dafür zu bedanken. Bestelle Du, Herzensschätzelein, unterdessen viele liebe Grüße und herzlichen Dank, ich habe mich recht sehr gefreut, ich freue mich immer ganz sehr, wenn die liebe Mutsch schreibt – auch sie, Herzelein, spiegelt unser Glück, alle lieben Menschen um uns, und geben der Harmonie unsrer Liebe ganz bestimmte Töne. Gott segne unsre lieben Eltern und Verwandten alle!

Und nun steht das Mannerli wie in einem Ringelreihn in der Mitte – und nun kommt der Augenblick – da aus dem Ringelreihn ein Mitspieler sich löst und zur Mitte tritt – Du, Herzelein, es steckt soviel Symbolik in den Spielen allen, die Liebe öffnet uns erst die Augen dafür – und wer ist denn die Erwählte, die Eine, die noch näher herantreten will als die anderen, die vorstößt bis zur Mitte, bis zu Herzens Mitte, die sich vereint und vermählt mit dem [Roland], die sich so lieb an ihn schmiegt, die zu ihm drängt in heißer Liebe, die täglich ihn bestürmt in ihren Boten? – Oh Du! Du!! Du!!! Geliebte! Geliebte!!! Du empfindest mit mir das gleiche unendliche Glück: daß ein geliebtes Menschenkind in unserem Herzen wohnt und darin aus- und eingeht, empfindest mit wir mir die gleiche Wonne und Seligkeit des Geliebtseins, des Liebumfangens, fühlst das Wogen und Fluten unsrer Liebe im Herzen wie Dein Mannerli.

Oh Herzelein, Herzelein! Tritt herein in den Kreis – mein Herzkämmerlein steht Dir offen – und schlüpf hinein – und ich will zuschließen – mein! ganz mein! ewig mein! Du!!! Du! Meine liebe Braut!! Mein Weib! Ich fasse Dich bei der Hand – und führe Dich — in die Heimlichkeit, in die Verborgenheit – und Du folgst mir – dorthin, wo wir allein sind – nur unser Herzschlag, unser Atem, Leben unsrer Liebe, Du und ich, Dein Wesen und mein Wesen, ein Ganzes, Einmaliges, Neues – Land unsrer Liebe – unser Land – oh Du! Ganz allein mit Dir! Du, Geliebte, Dein geliebtes Wesen ganz allein um mich! Mein! – Dein! Eines! Ganz aneinandergewiesen — Du! Du!!! Dann küsse ich Dich – dann halte ich Dich umschlungen in brünstiger Liebe, in heißem Drängen zu Deines Herzens Mitte, zu Deinem Wesen – oh Du! Du!!! zu Dir! zu Dir! Zu Dir!!! Tu auf! Tu auf! So pocht es dann selig ans letzte Kämmerlein – so wogten dann die Fluten der Liebe – – – oh Geliebte, Geliebte! Hinausstürmen möchte ich mit Dir, in die Einsamkeit unsrer Berge, es ausstürmen und ausjubeln lassen, das Herz – und Dich liebhaben! Sooo liebhaben! Und über uns der Himmel, und um uns das weite Land! Oh Geliebte! Daran will ich doch denken, wenn wir jetzt hinausspazieren in den herrlichen Tag mit seiner einzigartigen Lichtfülle und der Bläue des Meeres[.] Du bist mit mir! Bist bei mir, immer und ewig! Mein! Mein!!!!!!!!!!!!! Du! Ich habe Dich sooooooooooooo lieb! Dich! Dich ganz allein! Ich mag nur Deine Liebe! Du mein liebes, allerallerallerliebstes Weib!

Herzlein! Wir sind zurück von unserem Spaziergang. Er war nicht so schön wie der vom vergangenen Sonntag. Es war zu heiß. Und die Sonne schien zu grell. Dann bleicht sie alle Farben und läßt alles doppelt kalt und öde erscheinen. Viele Menschen ergingen sich draußen[.] Kamerad K. hatte Sonntagsdienst. Kameraden H. und H. waren mit von der Partie. Ach Herzlein! Von dem, was wir sahen, was uns umgab, wurden wir doch nur angeregt heimzudenken an die schönen Pfingstausflüge – und Deine Mannerli kennt doch die schönsten. Wo wirst Du denn mit der lieben Mutsch gewesen sein? Zum Abendessen waren wir daheim und hatten dann vor, das Eröffnungskonzert des Sommertheaters zu besuchen. Aber dazu wurde es zu spät. Mit Kamerad H. bummelte ich noch einmal am Kai auf und ab. Und nun ist das Mannerli eingetrieben, eigentlich ein wenig müde und leer – und eben hatte ich mich ins Zimmer eines Kameraden gestohlen, um an Radio noch einer guten Musik zu lauschen – aber ich kriege nichts Gescheites heran, auch die deutschen Sender bringen nur seichten Quatsch. Und so bin ich doch wieder zu Dir gekommen, um bei Dir und mit Dir den Tag glücklicher zu beschließen. Oh Herzelein! Er wäre sooo reich gewesen, wenn wir hätten beieinander sein können. Und so für viele andre Kameraden auch, die heute irgendwo in Europa allein gehen, getrennt von den Lieben. Oh Du! Ich habe doch noch wenigstens ein paar ordentliche Kameraden. Aber so, wie wir vorhin nun manche herumlungern sahen, ziel- u. planlos – es ist eigentlich ein furchtbares Schicksal, das die Menschheit betroffen hat. Und werden letz[t]lich wir Deutschen nicht den Kürzeren ziehen, indem wir unsre seelischen Kräfte verbrauchen und verzetteln? – wofür? Und die Griechen und Holländer und Belgier und Norweger, die wieder daheim sein können und leben in den Ordnungen und Bindungen des Lebens, werden sie nicht als die seelisch und persönlich Stärkeren daraus hervorgehen? Oh Herzelein! Wie man auch rechnen mag hier und da: der Krieg bleibt ein großes Unglück für ein Volk. Und was will es bedeuten, wenn ein mächtiges politisches Gefüge zwar das Ergebnis ist, aber die Menschen darin sind gebrochen in ihren moralischen Kräften, haben den Reichtum der Persönlichkeit verloren. Ich glaube, es kann auch ein Staatsmann von einem Wahn besessen sein. Stückwerk ist alles menschliche Wollen. – Herzlieb! Ich will Dich nicht traurig stimmen, und Du sollst nicht meinen, daß ich traurig bin! Ach Du! Ich sehne mich nur, bei Dir zu sein. Bei Dir kommt mein Herz zur Ruhe! Bei Dir allein!

Ich war heute vormittag im Gottesdienst und hörte eine recht erbauliche Predigt über ein Wort aus dem Timotheusbrief: „Gott hat euch gegeben nicht den Geist der Furcht, sondern den Geist der Kraft, der Liebe, der Zucht.[“] Die Predigt knüpfte so fromm an das Pfingstwunder und führte doch mitten hinein in das Pfin Leben und zeugte somit von der Lebendigkeit und Wahrheit unsres Glaubens. Oh Herzelein! Es ist eine nicht zu leugnende Tatsache, daß die meisten Menschen heute an Gottes Wort vorbeisehen, und wir kennen die Gründe dafür. Und es ist doch ebenso deutlich, wie Gott in der Zeit und unter uns Menschen wirkt wie am ersten Tage. Und recht treffend war das Bild am Schluß der Predigt: Der Geist Gottes weht noch immer durch diese Welt wie ein Sturmwind – wir dürfen ihm uns nur erschließen, unser Herz ihm öffnen, unsre Windmühlen so stellen, daß der Wind sich in ihrem Fächerwerk fängt und sie antreibt. Die meisten Menschen gleichen den Windmühlen, die sich dem Winde der Gottesgeister abkehren – und diese Abkehr bedeutet Untergang für den einzelnen Menschen wie für ganze Völker. Oh Geliebte! Dunkel, viel Dunkel ist in unsrer Zeit – soviel Irrtum – und darum halten wir uns desto fester und lieber aneinander, weil wir glücklich erkennen, was wahr und echt und dauerhaft ist.

Oh Herzlein! Daß ich darin mit Dir ganz einig gehe! Du! Du!!! Und wenn wir zuletzt allein stünden mit unserem Glauben – wenn wir nur froh und glücklich sind in seinem Besitze!

Herzlein! Dein viellieber Dienstagbote ist doch zu mir gekommen heute, Du! Du!!! Ich weiß doch gar nicht, wie ich Dir danken soll mit Worten und wie ich Dir von meiner Freude, von meinem Glücke sagen soll. Ach Geliebte! Könnte ich doch bei Dir sein, daß unsre Herzen zusammenstimmten im Jubel, in Liebe, daß wir einander in Liebe leben könnten – daß wir Aug[`] in Aug[`], Hand in Hand, Herz an Herz unsrer Liebe einander versichern könnten – daß wir miteinander und füreinander die Hände zum Gebet schließen könnten. Oh Herzelein! Wir tun es täglich in unseren Gedanken, in allen tieferen Regungen des Herzens.

Oh Herzlein! Es drängt mich nur, es Dir ganz glücklich in Erinnerung zu bringen, was ich Dir schon so oft bekannte und gelobte!: Ich bin ganz Dein! Ewig Dein! Ich bleibe immer ganz Dein! Oh Herzelein! verloren bin auch ich an Dich, ganz, ganz! In meinem Herzblut kreist Dein Lieben – Du weißt es! Oh Geliebte! Du weißt, wie ich suchte – und nun habe ich Dich gefunden, mein Glück – und nie und nimmermehr laß ich Dich von mir! Oh Du! Mit all meiner Herzenskraft und Liebe will ich Dich umhüllen und an mich binden! Geliebte! Du weißt und fühlst es, wie meine Liebe Dir zuströmt – wer wollte ihn aufhalten, diesen Strom? Du! Du!!! Wer soll mich Dir nehmen? – Oh Geliebte! Dein Eigen bin ich, Dein Ureigen, gezeichnet für dieses ganze Leben, genährt und erfüllt von Deiner Liebe, Du allein hast ein Recht an mir, Dein ist der Strom imn meinem Herzen, Dein meine Kraft, mein Leben – Du allein kannst mich ganz besitzen und erfüllen – wer nach Dir mich gewönne, er gewönne nur einen Schatten von Liebe! einen zerbrochenen, halben Menschen! Oh Herzlein! Dann müßte mich die Schande umbringen und Gottes Zorn vernichten, die Lüge mich ersticken der Verrat mich erwürgen und die Not mir das Herze abdrücken – wenn ich Dich verließe! Du! Oh Du!!! oh Herzelein! Du brauchtest keinen Rächer und Richter dann.

Du! Du!!! Und so gewiß ist mir Deine Liebe zu Eigen, so unverlierbar, Herzelein! Und wenn Du von mir gingest – dann wollte ich sterben mit dem Bewußtsein, daß sie doch mein war, diese köstlichste Liebe, zuerst und zutiefst, wie niemandem sie wieder zu Eigen werden kann!

Oh Herzelein! Wie wunderlich können die Gedanken Liebender gehen, damit sie recht zum Ausdruck bringen, wie mächtig und glückhaft die Liebe ist. Oh Du! Liebe ist nicht ein Zustand – ist nicht ein Besitz nur, mit dem jeder wieder abziehen kann – Liebe ist ein Wirken, ein heimlich wundersam Weben und Schaffen, ein gegenseitig Durchdringen und Durchdrungensein – Erfüllen und Erfülltsein, ein heilig Drängen zueinander und Wollen miteinander und Dasein füreinander, ist Hingabe und Selbsttaufgabe – so ist gute, lebendige Liebe, immer wirksam, immer im Angriff, immer gerichtet. Oh Herzelein! Ist Dir bange noch um unsre Liebe? Du! Du!!! So ist Deine Liebe – und so ist die meine. Gott im Himmel selbst ist der Weber zum Kleide unsrer Liebe – darum ist mir nicht bange. Oh Geliebte! Wir haben unseren Glauben – wir erkennen Gott über uns – und damit ward unserem Leben und Lieben der beste Hort, der beste Schutz – ihm gehören unser Leben und Lieben! Und darum sind die Ordnungen dieses Lebens und Liebens heilig, unverbrüchlich; und Sündenschuld häuft auf sich, wer sie mißachtet.

Oh Herzelein?! Hast Du auch eine Minute nur schon die Schranke einmal gefühlt dieser fertigen Ordnung? Oh Du! Hast Du einen Atemzug lang nur schon einmal mit Schmerz und Reue unsre Liebe empfunden? Geliebte! Dein [Roland] fühlt nur überglücklich die Gefangenschaft unsrer Liebe! Öffne ihm die Tür – er schließt sie wieder. Gib ihn frei – er weicht von Dir keinen Schritt. Bei Dir ist alles Gück! Ist alle Freiheit! Ist Erfüllung! Mit Dir will ich schaffen und leben! Geliebte! Auf Dich ist meine Liebe gerichtet so ganz, so ausschließlich! Segne Gott unsre Liebe! Behüte er Dich auf allen Wegen! Ich küsse Dich. Ich halte Dich ganz fest! Ich liebe Dich!

In ewiger Liebe und Treue

Dein [Roland],

Dein glückliches Mannerli

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946