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[OBF-420621-002-01]
Briefkorpus

Sonntag, am 21. Juni 1942.

Herzallerliebster! Mein liebes gutes Mannerli! Du!

Ich bin doch heute in Deinem lieben Elternhause! Du! Geliebter! Voll Sehnsucht denke ich Dein.

Eben verklang eine Sondermeldung im Rundfunk. Ein großer Teil der Festung Tobruk ist in deutschen Händen! Man hat die Übergabe angeboten! Es „rommelt“ in Afrika!! Wir freuen uns so von Herzen über diesen großen Sieg! Mein Herzelein! Meine Gedanken suchen Dich in weiter Ferne – wo magst Du jetzt sein? Es ist 2 Uhr vorbei nachmittags. Wir halten Mittagsstunde. Vater schläft auf dem Sofa, Mutter im Lehnstuhl, Siegfried im Sitzen auf seinen Armen auf dem Nähtisch! Ach Herzelein! Ich wäre wohl auch müde, denn ich schlief in der vergangenen Nacht kaum, Du! Erst erzählten wir so lange und dann fand ich keine Ruhe im Bettlein. Du! Du!! Du!!! Ich lag doch im Kinderzimmer in meinen Bettlein wie immer, Du. Neben mir hatte Mutter einen hohen Berg Betten gehäuft – wo sonst mein Mannerli schläft – und in der äußersten Ecke schlief Siegfried. Wir konnten uns beide nicht sehen! Du! Nun wirst Du wohl unruhig sein, Du? Ach! Dein Weibel und auch Dein Brüderle sind so treu! Und wenn wir auch in einem Kämmerle schlafen, so kommt doch kein böser Gedanke auf. Du!!

Nun laß Dir erzählen. Am Sonnabend bin ich also nach mancherlei Drasch um 1400 von Hause [sic] weggefahren. Gegen war ich in Dresden, es herrschte schrecklicher Betrieb. Aber ich hatte einen Sitzplatz erwischt. Bald gings in Dresden weiter und ich landete noch bei Sonnenschein in Kamenz. Man hatte mich schon das vierte Mal erwartet gestern! Vater und Siegfried waren an der Bahn. Ach, wohl sahen sie beide aus, unberufen. Frisch und munter! Vor allem der Siegfried sah wohl aus, ich erwartete ein abgespanntes Gesicht. Umso erfreulicher war es, als ich alle so wohl fand, auch unsre liebe Mutter, Herzlieb. Ach, vor Freude umarmten wir uns doch alle einmal. Gleich mußte ich Siegfrieds Kirschen probieren. Er hat wieder mal mächtig gehamstert. Und das Mittagessen heute hätte man im Frieden nirgends besser gefunden. 1937 Bordeaux! Ach Du! Hast Du nicht mächtig das Schlucken gehabt ½ l mittags? Am Morgen waren wir alle in der Kirche, ach Herzlieb! Ich hätte weinen mögen, so zu Herzen gingen mir die Worte des Geistlichen. Und ganz fest dachte ich Dein, Du hast so oft an meiner Seite gesessen und meine Hand in der Deinen gehalten. Du! Dann habe ich müssen mit den Männern runter [zu]m Bahnhof zum Wiegen! 120 Pfund knapp wiege ich! Bist Du zufrieden Mannerli! Als ich zur Tür hereintrat riefen alle, ich sei so schmal geworden. Und Mutter meinte, ich müsse mindestens eine Woche dableiben zur Kur. Ach, sie meinen es alle so gut mit mir.

Hellmuth und Elfriede wollten heute anfänglich auch da sein. Weil aber Hellmuth erst vor 8 Tagen zuhaus war, gab‘s heute nichts. Über 8 Tage ist er in B. und da wollen sie alle hinfahren – ich soll mit. Ach, ob ich dann die Eltern solang allein lassen kann? Ich will sehen, ob sie es mir erlauben. Die Schläfer sind erwa[ch]t, sie drängen hinaus in den Sonnenschein. Und ich bin in ihrer Macht ein wenig als Gast! Du!! Dafür denke ich umso herzlicher an Dich. Am Sonnabend erhielt ich noch Deinen lieben Donnerstagbrief, er war geöffnet! Du hast von der Gerichtssitzung berichtet, die Namen der Städte waren ausgestrichen, sonst nichts. Hoffentlich schickt mir Mutter alle Deine Briefe nach, sonst habe ich doch garnichts von Dir in den Händen, geschriebenes! Ach Du! Ich möchte doch nun so gern wissen, wie Du angekommen bist! Heute verlebst Du nun den ersten Sonntag in der neuen Stadt. Ach Du! Wenn nur erst ein Brief käme vom neuen Ort. Herzelein!

All meine heimlichsten Gedanken sind bei Dir, Du! Und ich muß Dich so liebhaben, sooo sehr lieb! Herzelein. Nun behüt Dich Gott! Bleib mir gesund und froh! Du! Ich küsse Dich herzinnig und bleibe einzig Deine glückliche [Hilde].

Du! Dein!!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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