Bitte warten...

[OBF-420729-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 29. Juli 1942

Herzelein! Geliebte! Meine liebe, liebste [Hilde], Du!!!

Täglich kommt Dein lieber Bote zu mir – und ich kann teilnehmen an Deinen Ferientagen im Kamenzer Elternhaus. Sei von Herzen bedankt für Dein treues Liebgedenken. Hast Dein Mannerli auch im Bilde mit auf die Reise genommen – Du Liebes! Und nun bin ich doch immer in Eurer Mitte. Du, wir beide sind es doch, die unsre beiden Familien zusammenbinden, Du bist da – ist doch das Mannerli auch in seiner Abwesenheit ganz gegenwärtig. Ach, es drängt sich doch überall ein und drängt sich vor, wo Du, Geliebte, bist – und Du lässt es doch vor, an Deine Seite, Dir zuallernächst, und würdest mich doch suchen, wenn ich nicht zu Dir käme! Oh Herzelein! Welch liebes Verbundensein ist zwischen uns!

Der Liebe Hellmuth hat nach mir gefragt – der Ärmste. [Er] Muss nun wieder mit hinaus. Ach Herzelein! Welche Sorge! Ein neues, ungewisses Kommando. Es tut mir so leid um Elfriede! Möge Gott ihnen gnädig sein und hindurchhelfen durch diese dunkle Zeit. Oh Herzelein! Wie dankbar müssen wir beide sein!

Die lieben Hamburger Verwandten sind nun zu Besuch dagewesen. Und nun ist auch Ihre verdiente Entspannung gestört worden durch einen Alarm, wie ihn dieser Krieg täglich tausendfach in jede Familie bringt. Und nun haben sie die beiden Großangriffe doch miterlebt. Von dem zweiten hören wir eben heute. 45 Britenflieger über der Stadt abgeschossen. Welche Hölle mag da losgewesen sein! Wir haben 3 Hamburger in uns[e]rer Stube. Sie leben in beständiger Sorge und sind heute in verständlicher Aufregung. Das größte und älteste Krankenhaus der Stadt soll vollkommen eingeäschert sein. Hier zeigt der Krieg seine scheußlichste Fratze und alter Hass wird geschürt, nach Rache schreit diese Tat – und so steigert sich die Bestialität. Demn einen Hamburger Kameraden hat seine Frau 14 Tage ohne Nachricht gelassen – was hat er gewartet und gerätselt! Ob solche Frau kein bissel nachdenkt und mitfühlt?

Oh Herzelein! Das ich Dich und alle Lieben nicht in dieser Gefahr weiß!

Die lieben Hamburger Verwandten müssen nun auch in größten Sorgen leben in den Tagen, da sie hoffen konnten, Freude an ihren Kindern zu erleben und an des Lebens verdienten Feierabend zu denken. Tante Lisbeth ist nicht stark mit ihren Nerven, und Onkel Max hat sein Lebenlang nur geschafft und gearbeitet. Alles haben sie an Ihre Kinder gewendet – haben sich selbst aus kleinem Anfang hochgearbeitet – schön haben sie es in ihrem Heim, und sie brauchen nicht zu geizen – der Krieg bringt sie um den Genuß ihrer Güter, und wenn er vorüber ist, dann sind sie um Jahre gealtert und können nicht mehr so genießen. Von Genuß spreche ich – ich meine nicht, das faule behäbige Genießen, dazu sind sie ja beide nicht geschaffen, sondern ein geruhsames Leben und ein Teilnehmen am Leben der Kinder, so wie unsre Eltern es sich träumen.

Ja, wohin wir auch blicken, fordert der Krieg sein Opfer. Möchte es nicht vergebens sein!

Ich freue mich mit Euch, daß Ihr so gut und reichlich habt eintragen können. Ich sehe die liebe Mutsch in ihrem Eifer, die gute, vorsorgliche, die leicht sich zu viel Sorge macht, [ich] sehe Eure Freude an dem wachsenden Segen. Und [ich] sehe mein liebes Murmeltierchen, wie es sein Recht auf einen ausreichenden Schlaf behauptet, und freue mich darüber nicht weniger. Ob wir miteinander später auch einmal uns etwas eintragen? Wenn wir in einer Gegend wohnen, die solchen Segen reichlich anbietet – Dein Mannerli ist mit Freuden dabei! Es ist doch viel schöner, Selbstgesammeltes mit Appetit zu verzehren. Also, Schätzelein, ganz erlöst von der Mühe des Sammelns wirst Du dann nicht sein. Willst Du doch auch gar nicht, gelt? Und es wird dann im Frieden doch kein Hamstern und Wettlaufen sein, sondern die drei, vier Tage werden wir nur zur Erholung machen, draußen, in der gesunden Waldluft. Und mein Schätzelein weiß schon, wie es diese Kampagne noch angenehmer machen kann, gelt? Naschkätzchen – und Dein Mannerli ist der Naschkater! Und um Mittag gibt es ein feines Mittagstündchen. Vorher aber müssen wir auskämpfen, ob das Mannerli in Deinem, oder das Frauchen in des Mannerli Schoße ruhen soll – ja, Du! Und wenn wir uns nicht einig werden –? Du!!! Du! Herzelein! Wenn nur erst schon solch tiefer Frieden wäre!

Von den Finanzangelegenheiten hier in Bulgarien machst Dir nicht ganz richtige Vorstellungen. Wir bekommen unseren ganzen Wehrsold in Lewa (Landeswährung) ausgezahlt, nicht nur ein Drittel. Im übrigen ist es aber mit allen Geldangelegenheiten strenger als in jedem besetzten Lande. Wir sind hier im Gastland. Das darf keinesfalls ausgekauft werden. Geld schicken ist streng verboten. Es gibt keine rechtmäßige Gelegenheit, es umzutauschen. Wir dürfen von hieraus nur 100 Gramm-Päckchen heimschicken.

Du schriebst vor etwa 14 Tagen davon, daß die Möglichkeit bestünde, von der Heimat monatlich ein Kilopäckchen abzusenden, das mit einer besonderen Marke versehen sein muß. Davon ist hier noch nichts bekannt, es sind solche Marken auch noch nicht zur Ausgabe gelangt.

Gestern Abend fragte Obermaat K., wie weit die Verwandtenforschung nun gediehen sei. Ich berichtete ihm, zeigte ihm einige Bilder von Dir und den Eltern. Er hat Euch nicht recht in Erinnerung, [er] meinte nur, daß der Magdeburger [Laube] dem lieben Pappsch ganz ähnlich sähe. Ich soll herzliche Grüße bestellen.

Wo wirst Du nun heute weilen, Herzallerliebste? Wirst [Du] noch eine Woche in Kamenz geblieben sein? Kinderschar und Kirchenchor haben Ferienzeit, den Dienstagabend kannst Du ohne Bedenken einmal versäumen – könntest mit Mutter einmal richtig ein paar Tage genießen. Jah – und da steht der Bücherschrank, da das Radio, dort das Klavier – ach Herzelein! Es ist eben doch ein wenig anders jetzt, ich verstehe es doch – der Mensch hat keine Ruhe und Muße, mit Gewinn sich in ein Buch zu vertiefen jetzt, in eine Lieblingsbeschäftigung. Und so unabkömmlich bist Du doch gar nicht. Wenn die lieben Eltern aus der Kur nicht gleich wieder in den ärgsten Drasch fallen sollen, dann musst Du doch zur Hand sein.

Herzelein! Vielleicht hast [Du] doch noch einmal Ferienzeit in diesem Jahr – mit Deinem Mannerli – Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Ob Du Dich denn darauf freust?

Ach Geliebte! Geliebte!!!

Hast doch schon davon geträumt – so lieb und süß! Und noch schöner wird es sein als im Traum – Du!!!!! !!!!! !!! Ach Du! Die wenigen Tage werden doch gar nicht auslangen, ach bei weiten nicht auslangen: um einander alle Liebe zu erzeigen, die wir alle aufgespart haben – ach Herzelein! Dazu müssen wir doch täglich, stündlich umeinander sein!

Geliebte! Dein lieber Bote, Dein Sehnen und Liebgedenken, das zu mir kommt, die Liebe, die mich erfüllt, und die Hoffnung auf unser Wiedersehen und auf unser gemeinsames Leben – sie sind meine Sonne, all meine Sonne! Von Dir kommt sie all, Geliebte! Von Deiner unendlichen Liebe! Oh! Gott im Himmel erhalte mir diese Sonne, behüte mir mein Liebstes, meine Hilde!, und segne unseren Bund! Amen!

Mein Schätzelein muss so sich sehnen! Oh Du! Geliebte! Halt aus, bleibe stark mit mir! Ach, daß Dir doch wenigstens der Traum manchmal Erlösung bringe.

Bist mir doch ganz treu! Du!!! Wenn die Liebe in uns ganz lebendig aufsteht und uns erfüllt, dann müssen wir doch an die Stunden des Einsseins, bester Traute denken, an Liebesseligkeit, die gute Liebe als die süßeste Frucht reifen läßt! Oh Schätzelein, Herzelein! Geliebte! Nur mit Dir mag ich zum Garten der Liebe eingehen. Nur bei Dir ist alle Seligkeit. Nur mit Dir kann ich ganz glücklich sein, weil ich Dich von Herzen liebe! Weil ich Dir mit der Seele verbunden bin, weil die Stunden der Seligkeit wahrhaft Zeichen und Frucht, gereifte Frucht sind guter, inniger Liebe. Oh Du! Du!!! Wie sehne ich mich nach Dir! Ach Herzelein! Mag der Stunde doch zumeist, da wir ganz allein uns finden, da alles um uns verzückt – nur Du und ich, und beide eines, ganz eines – oh, Du sehnst Dich mit mir! Du gehst nur mit mir ein ins Land der Liebe! Du bist ganz eins mit mir! Du bist so heiß so süß und innig und entschieden wie ich! Du wartest mein! Du bewahrst mir das liebste Pfand, das Gärtlein! mein Gärtlein! Und dich verwalte treu das Schlüsslein, Dein Schlüsslein – Geliebte!

Ach Du! Unser Garten! Unsre Liebe! Unser Glück! Unser Leben! Du und ich – eines – unser! Oh Herzelein! Geliebte! Du gehörst doch zu mir! Und ich bin ganz Dein! Du! Du!!! Sooo glücklich sind wir! Sooooooo glücklich ist Dein Mannerli! Mit Dir bin ich nur noch ein Ganzes. Und ein Paar sind wir auch vor Gott – sind es ganz froh, oh, sind so froh, daß wir Gottes Auge über uns fühlen, daß wir unsre Liebe eingespannt wissen zwischen Himmel und Erde.

Herzelein! Will der Elfriede noch ein paar Zeilen schreiben.

Bald komme ich wieder zu Dir im Boten.

Leb wohl und bleib recht froh und gesund.

Oh Herzelein! Fühle Dich ganz geborgen in meiner Liebe!

Ich möchte Dich ganz erfüllen und glücklich machen mit meiner Liebe!

Ich habe Dich doch so von ganzen Herzen lieb!

In unwandelbarer Liebe und Treue

ewig Dein [Roland],

Dein glückliches Mannerli!

Karte
Kommentare

Der Inhalt des Briefes kann wie folgt zusammengefasst werden: Luftangriffe auf Hamburg, Kommentar zum Besuch der Hamburger Verwandten, andere Kammeraden warten auf Nachricht aus Hamburg, Auszahlung des Wehrsoldes in bulgarischer Währung, erschwerter Päckchenaustausch zwischen der Heimat und der Front, Verwandtenforschung, ausführliche Beschreibung ihrer Liebe.

drew.bergerson

Fr., 18.01.2019 - 16:53

Roland merkt an, dass es den deutschen Soldaten verboten ist, auf Märkten bzw. Geschäften in Bulgarien einzukaufen. Meines Erachtens nach impliziert diese Bemerkung einen Vergleich mit der Situation in Griechenland, wo er und seine Kameraden sich anders verhalten hatten. Dies führte zu der dortigen Großen Hungersnot im Winter 1941/42, der 100.000- 450.000 Menschen zum Opfer fielen.

Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946