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[OBF-421025-001-02]
Briefkorpus

Sonntag, den 25. Oktober 1942

Geliebtes Weib! Meine [Hilde]! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Und nun komme ich zu Dir! Es ist schon 10 Uhr vorbei! Zuletzt zu Dir – Herzelein – zuerst und zuletzt bei Dir – immer bei Dir! Komme zu Dir mit so vollem Herzen, Geliebte!

Ich habe den Rembrandtfilm gesehen. Er ist erschütternd. Und immer dann, wenn etwas mich so beeindruckt und erschüttert, dann suche ich Dich an meiner Seite, Dich, mein liebes Weib, mit dem ich nun alles teilen muß, zu dem alles hinüberklingen muß, dessen Herz mitschwingen muß.

Oh Du! Du!!! Geliebtes Weib! Gott im Himmel erhalte Dich mir! Ich habe Dich sooo lieb! Gott gebe, daß wir recht bald Seit an Seite durch dieses Leben schreiten können – mit Dir will ich leben; mit Dir! Oh Du, Geliebte! Du gehörst zu mir, in ganz besonderem, tiefem Sinne – Gott weiß es!

Herzlieb! Dein lieber Bote vom Donnerstag ist doch schon wieder bei mir! Ich danke Dir so sehr für Dein Liebgedenken. Er war schon daheim, als ich von meinem Spaziergang heimkam. Nach dem Mittagessen habe ich doch erst den Boten für Dich aufgegeben, habe in zwei Päckchen Taschenlampe und 2 Batterien verpackt. Dann habe ich ein Bad genommen. Im Waschraum sind Duschen eingebaut. Der Waschraum befindet sich im Erdgeschoß. Als ich mich abtrocknen will, merke ich, daß ich die Handtücher im 2. Stock ließ. Habe ich mich gleich mit dem alten Hemdl abfrottiert. Konnt doch nicht als Nacketei [sic] über den Hof laufen, vorbei an den Küchenhelferinnen. Dann hab ich mich ein bissel fein gemacht und bin ausgeflogen. Ein Stück des morgendlichen Weges zum Dienst erst, und dann landwärts in eine mächtige Parkstraße eingebogen. Sie erinnerte mich an die Tiergartenstraße in Berlin, an die Alsterpromenade in Hamburg, oder an die Leipziger Straße am Stadtrande von Chemnitz: Villen, in vornehmem Abstand von der Straße, richtig in einem Parkwalde stehend. Dann weitete sich die Allee zum Park, verbreiterte sich zu einem großen Platz, in dessen Mitte ein mächtiger Triumpfbogen, ähnlich dem in Paris, die Straße überwölbte. ½ Stunde bin ich wohl auf dieser Straße gegangen und war noch nicht am Ende. Ich bin dann rechts abgebogen in ein umzäuntes Ausstellungsgelände. Herzelein, mit Dir hätte ich gehen wollen darin! Wirklich ein großzügiges Ausstellungsgelände, wie ich es noch nicht sah, ähnlich dem Hamburger Volkspark. Schöne, verschlungene Wege, die Gartenanlagen und Bäume freilich noch etwas jung. Im Gelände ein großer See. Ach, müde kann man sich darin laufen. Ich habe es längst noch nicht durchmessen. Das kostbarste darin aber: Man hat ein Original rumänisches Bauerndorf darin erstellt – ein Kirchel, Bauernhäuser – ach, das hätt ich mit Dir schauen wollen. Es war so interessant. Diese Bauernhäuser standen doch still, tanzten nicht am Zug vorüber. So mancherlei Art diese Häuser. Und so schön das Ganze, schön – eine Einheit, eine Harmonie. Das werd ich mir noch manchmal anschauen, wenn sich Gelegenheit dazu bietet. Ich werd Dir noch näher auch davon erzählen.

Ein paar Aufnahmen habe ich gemacht. Hoffentlich sind sie gelungen. Die Sonne war heute nicht kräftig. Es waren verhältnismäßig wenig Menschen in diesen Anlagen unterwegs. Ich denke daran, wie viele im Sofioter Park sich ergingen. Eine ganze Anzahl Deutscher waren da. B. hat viel Deutsche. Ich glaube auch, daß es uns in diese Anlagen zieht mehr als den Rumänen. Dieses ganze Ende scheint von reichen Leuten bewohnt. Vielen Kindermädchen bin ich begegnet, davon waren die Hälfte deutschsprechend. Gegen 5 Uhr habe ich mich auf den Heimweg gemacht. Auf einer anderen Ausfallstraße bin ich zurück. Diese Straße hat mindestens 50m Breite: 4 Fahrbahnen, 4 Bahnen für Fußgänger, 2 Reitwege, und dazwischen Grünstreifen.

Herzelein! Dieser Spaziergang hat mich so froh und dankbar gestimmt. Ich hab es doch wieder so gut getroffen. Was man sich nur wünschen kann – ich habe es hier. Und einer meiner größten Wünsche ist immer: einen Auslauf, einen Spaziergang, eine Begegnung mit der Natur zu haben. Oh Herzelein! Wenn ich die Möglichkeiten meiner Neukommandierung durchging, dann blieb ich doch nimmer bei diesem B. hängen — und nun bin ich da. Brauche nicht in die Ferne. Und die lieben Boten finden so schnell zu mir! Geliebtes Weib! Laß uns Gott recht danken für soviel Güte!

Schätzelein! Nun schreibst auch Du von diesem seltsamen Gerücht. Es ist schon ein paar Tage bei uns. Urlauber brachten es mit aus dem Rheinland. Wir haben ungläubig mit dem Kopfe darüber geschüttelt. Und nun schreiben andere Frauen davon – und Du selber auch. Ich glaube es trotzdem nicht eher, bevor Du nicht schreibst, daß Du selber solchen Urlaubsschein gesehen hast. Dann freilich müßte man sich Gedanken darum machen.

Herzelein! Von dieser Seite sind Überraschungen durchaus möglich – nur nicht von den Engländern u. Amerikanern. Lassen wir uns lieber überraschen, als daß wir falsche Hoffnungen nähren.

Herzlieb! Wie wirst Du den Sonntag verlebt haben? Wirst denn auch ein wenig Atem holen für die kommende? Vergiß das nur nicht! Was wird sie uns bringen?

Mir zunächst einen geregelten Dienst. Ich erzähle Dir gelegentlich mal davon. Fein sparsam muß ich sein. Erst am Sonntag gibt es wieder etwas Geld. Und davon ist ein Teil schon wieder nicht mehr mein. Das Mannerli muß erst mal an sich ein wenig bessern. Meine Uhr ist beim Uhrendoktor. Ein Paar Hausschuhe möchte ich mir kaufen, meinem Schätzelein am liebsten gleich ein Paar mit – aber da müßt ich fein sparsam sein.

Was wird sie meinem lieben Weibe bringen? Bin doch ein wenig neugierig aufs Kalendermannerli, Du!!! Daß es sich so vom Mannerli vertreiben ließ – ich habe mir schon ein paarmal Gedanken darüber gemacht – wenn wir braver gewesen wären –

Ach Du! Du!!! Wollen nicht soviel Gedanken vorweg machen. Gott führt. Und von ihm lassen wir uns führen. Und ein Gedanke, ein Wunsch, ein Sehnen geht immer mit mir! zu Dir! zu Dir!!!!! !!!!! !!! Oh Herzelein! Meine [Hilde]! Möchtest Du es immer wissen und fühlen: ich bin Dein – ganz Dein! Ich liebe Dich! Ich bin Dir verbunden auf Leben und Tod. Gott segne unseren Bund! Er behüte Dich auf allen Wegen!

In ewiger Liebe und Treue

Dein [Roland],

Dein Herzensmannerli,

Dein!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946