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[OBF-421101-001-01]
Briefkorpus

Sonnabend, den 31. Oktober 1942

Herzallerliebste mein! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Geliebtes Weib!!!

Der letzte Tag im langen Oktobermonat – ach Geliebte, er hat mir so unendlich viel Liebe gebracht. Der tägliche Bote und dazu 4 Nachzügler aus Sofia sind heute zu mir gekommen – oh Du! Du!!!

Nun fehlt nur noch einer, dann ist die Zeit des Wartens und Geduldens wieder einmal glücklich überbrückt. Herzelein – es ist heute etwas spät schon. Man schied heute zwischen denen, die hier bleiben und die fort müssen – und darauf gab es ein allgemeines Umziehen. Als ich um 5 Uhr vom Dienst kam, sind wir ein Stock tiefer gezogen. Die Stube ist die gleiche – nur führt eine kleine Seitentür in einen Toilettenraum mit Waschgelegenheit. Bisher mußten wir bei jeder noch so kleinen Wäsche bis in den Hof hinuntersteigen – so haben wir es nun noch bequemer. Dieser Umzug kostete natürlich einige Zeit, zumal die neue Bude ziemlich vernachlässigt war. Wir werden sie bald in Schwung haben. Dann habe ich erst mal Abendbrot gehalten – und dann gebadet – und nun bin ich doch schon ein wenig müde. Im Dienst ging es heute auch lebhaft.

Oh Herzelein! Ich kann den reichen Strauß Deiner Liebe heute unmöglich fassen. Liebste – ich will mich ins Bettlein legen – mich in Deiner Liebe bergen – im Hort Deiner Liebe – oh Geliebte! Will ganz froh und glücklich hinüberschlummern! Will morgen weiter zu Dir kommen! Gut [sic] Nacht – Herzallerliebste mein! Du! Du!!! Dein! – Mein!!!!! !!!!! !!! Gut Nacht! Goldherzelein! Geliebtes Herz!

Herzensschatz! Zum Sonntagmorgen erst einen lieben, lieben Gruß und Kuß – Du! Du!!! Es ist kurz vor dem Mittag, und nun beeile ich mich, den Boten auf den Weg zu bringen. Eben habe ich erfahren, daß ich U.v.D. bin heute – ausgewischt – na – es ist trübe draußen – und das Liebste vom Sonntag kann mir ja niemand nehmen – das Deingedenken!!!

Und das Beste ist mir heute auch wieder so reich geschenkt worden. Ich war heute vormittag [sic] doch zum Gottesdienst. Ach Herzelein! Ein richtiges evangelisches Gotteshaus gibt es hier der deutsch-evangelischen Gemeinde, ein würdiges Gotteshaus, räu[m]lich nicht ganz so wie das Oberfrohnaer, aber viel größer und schöner und stattlicher als das Limbacher – und Glockenklang und Orgelbrausen, ein sehr gutes, flüssiges Spiel – und eine stattliche Gemeinde.

Ach Geliebte! Mein Herze wollte überfließen von Dankbarkeit. Wenn ich nun die hohen Feste auch nicht daheim feiern kann – ach, hier werde ich sie erleben können, wie heute das Reformationsfest, so, daß die Heimat ganz, ganz nahe vor mir steht. Ich bin so froh und dankbar darum. Um 10 Uhr beginnt hier der Gottesdienst. Die Liturgie ist hier ein wenig anders, aber der unseren ganz verwandt. Die Choräle weichen in einzelnen Noten auch ab wie auch sonst in anderen Gegenden des Reiches – aber die Gesangbücher, die ausliegen, sind mit Noten versehen. Ach, es ist so wundersam, ich erlebte es ja nun schon oft, das innerste Anliegen des Menschen im fremden Lande in der Muttersprache und den vertrauten Formen entbunden zu sehen. Und diesmal nun sogar in einer richtigen Gemeinde, der eigentlichen, zivilen Gemeinde, nicht in einer militärischen Gemeinde.

Ach Geliebte! Nur so können wir zur rechten Herzensfröhlichkeit gelangen, nur so zu einem Frohsein in dieser schlimmen Zeit, Herzensfröhlichkeit, wie Du sie hast, wie sie mir aus Deinen lieben Boten strahlt. Oh, was wären wir ohne das Licht des Himmels, ohne das Vertrauen auf Gottes Güte und Gnade – in dieser Zeit. Und – so ganz dankbar müssen wir es bedenken – wie so gütig und gnädig für uns ganz persönlich das Schicksal sich wieder gewendet hat.

Oh Geliebte! Laß uns ganz froh und stille werden vor dieser Schickung. Laß uns daraus neues Vertrauen schöpfen für die künftige Zeit, für unser Schicksal, unseren Bund, unser Leben. Ein Luthergleichnis brachte der Prediger: „Ich schaue das bestirnte Firmament, das mächtige Himmelsgewölbe, die Majestät des Himmels – kein Pfeiler, der es stützt und hält – und es hält doch und thront mächtig über dieser Erde. Und nun kommen Menschen daher, Pfeiler zu bauen, daß sie den Himmel stützten, damit er nicht einstürze – und sie meinen, wenn sie diese Pfeiler bauten, die sie sehen und begreifen können, dann erst hielte der Himmel. Oh, die Irrenden! Ihre Pfeiler reichen nicht an den Himmel, und des Himmels Wucht u[nd] Größe spottet ihrem Kleinsein.“ Selig sind, die da glauben, ohne zu sehen und zu begreifen, denn sie haben den rechten Glauben.

Oh Herzelein! Ich will heute doch noch lieb und lange mit Dir plaudern. Aber jetzt muß ich Deine lieben Hände erst einmal lassen. Die Pflicht ruft, und gleich geht die Post.

Ach Herzelein! Ich möchte Dir danken! Ich möchte Dir meine Liebe zeigen! Ich möchte Dich einhüllen in meine Liebe hüllen [sic] – möchte mit Dir gehen, möchte Dich führen – möchte ganz eins sein mit Dir! Oh, bleib in meiner Liebe! Warte auf mich! Warte mein! Du, mein Alles! Gott schütze Dich! Er segne unsern Bund! Ich habe Dich so lieb, sooo lieb! Du! Du!!!!! !!!!! !!!

Ich bin so glücklich mit Dir! Du bist mein Alles!

Ich liebe Dich – und küsse Dich herzinnig!

In ewiger Liebe und Treue

Dein [Roland].

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Zusammenfassung: Roland schreibt, dass einige Kameraden ausgeschieden sind. Sie müssen woanders hin. Dadurch konnte sie ein Stockwerk tiefer ziehen mit bequemeren Wasch- und Toilettenmöglichkeiten. 4 "Nachzüglerbriefe" sind gekommen, nun fehlen nur noch 2 aus Sofia. Erst Sonntag schreibt er weiter an dem gleichen Brief. Er war im evangelischen Gottesdienst für den Reformationstag und ist begeistert von der Kirche. Der Gottesdienst ist auf Deutsch der Predigttext über ein Lutherwort. Herrlich war das Orgelbrausen. Er will Weihnachten dort auch in den Gemeindegottesdienst gehen. Nun endet der Brief, weil er Dienst tun muss.

Einordnung
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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946