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[OBF-421119-002-01]
Briefkorpus

Donnerstag, am 19. November 42.

Herzenschätzelein! Ich sitze jetzt in Dresden im Wartesaal, es ist ¾ 11 Uhr und 1159 geht mein Zug weiter nach Kamenz. Ein Tisch gehört mir hier allein! Psst – wie lange? Kann mir doch jetzt kein Mensch über die Schulter schauen oder in den Brief gucken, wenn ich Dir ein Küßchen gebe ein ganz, ganz liebes. Oh Du!!! Ich hab doch so viel Sehnsucht nach Dir Herzelein! Und ich möchte am liebsten weiter, immer weiter fahren, hin zu Dir – mein Geliebter. Aber ich muß ja heute mein Ziel erreichen! Es wartet ja dort etwas auf mich! Auf uns, Du!!! Ach, ich bin ja so neugierig!

Ich will Dir doch so bald wie möglich Bescheid geben, wie ich alles fand und wie der Handel ausging. Ich schreibe schon von Handel und weiß noch garnicht, ob es soweit kommt, ob sich die Bedingungen erfüllen, die ich stelle.

Ich freue mich auf die lieben Eltern, so unverhofft, sie wiederzusehen. Hoffentlich finde ich alles wohl. – Das Wetter ist herbstlich kühl, naß. Ich habe alles, was mein fürsorgliches Mannerli mir an wärmenden Hüllen schenkte, an! Und trage Dich doch auch äußerlich immer mit mir, nicht nur im Herzen drin, Du!! Ach Schätzelein! Ich muß Dich so unsäglich liebhaben, Du! Weißt Du es denn noch? Oh Du!!! Nun kann ich doch heute und morgen Deinen lieben Boten garnicht empfangen. Sonnabend will ich zurück. Aber ich habe Mutsch lieb gebeten, daß sie den heutigen Boten gleich nachschickt! Du! Ich will Dich doch wenigstens einen Tag mit in Kamenz haben! Und im Schlafstübel, das ja ganz von mir allein bewohnt wird. Ach, geliebtes Herz! Ich werde immer, überall an Dich erinnert im Elternhause – hier und dort. Ich denke unablässig Dein! Ich bin Dein in treuer Liebe! Mein Herzensschatz!

2 ältere Damen kommen an den Tisch. Die sind neugierig, scharfäugig!

Du! Morgen mehr! Oder heute noch! Küßchen! Ade! Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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