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[OBF-421120-002-01]
Briefkorpus

Kamenz, am Freitag den 20.11.1942.

 

 

Mein herzallerliebstes Mannerli!

 

 

Ach Du! Nun komm aber gleich mal her zu mir und ganz nah zu mir! Gleich auf meinen Schoß? Du!! Ach Herzelein! Bin ja so in Atem gehalten worden von dem großen Geschäft! Ich glaube, ich wäre nicht der geborene Geschäftsmann, ich tät mich zu sehr aufregen immer. Will nur gleich mal der Reihe nach erzählen, damit Du im Geiste gleich miterleben kannst, wie alles war. Um 300 [Uhr] gestern kam ich hier an, die lieben Eltern waren an der Bahn. Es war ein freudiger Empfang und ich fand alle wohl! Wir tranken erst eine Tasse Kaffee, dann stiefelten Mutter und ich sofort mal zur Besichtigung. Es ging nach den Kasernen runter, bis zu dem Möbelgeschäft, was so im Hintergunde steht, weißt Du? Saarstraße 8, in einem schönen Neubau wohnt das Frl. Maria B., die das Angebot machte. Na, wir wurden hereingeführt, Mutter war ja schon bekannt mit ihr. Zuerst erschrak sie gleich über meine Größe! Und sie führte uns gleich in das bewußte Zimmer.

 

 

Und da stand nun all das, was zum Herrenzimmer gehörte.

 

 

Ich muß sagen, Herzelein! Ich war verblüfft über das, was sich meinen Augen bot! Ich erwartete eine ganz andere, viel ältere Ausführung, wenn es heißt "Goethe-Stil". Ich war angenehm überrascht, Du! Ein großer, wuchtiger Bücherschrank, so groß fast wie unser Schlafzimmer schrank; dreitürig, die mittlere aus Glas. Eine dunkelbraune, warme Tönung und eine schöne Maserung. Wirklich, ein Wertstück! Und sehr gut erhalten, nichts daran. Die Seitentüren bergen je 6 Fächer, die man je nach Größe des Bücher beliebig verschieben kann. Die Mitteltür hat 3 Abteile, da stehen die besonders gebundenen Werke, zur Schau. Es ist schon ein feines Stück, der Schrank allein! Dann der Schreibtisch. Der ist sicher nach Deinem Geschmack: groß, flächig und ganz schlicht gehalten. Oben eine wunderbar polierte Platte, die Maserung wieder sehr schön! Viel zu schade zum klecksen! Du!! Da muß eine Schutzdecke aus Filz hin. Dann eine gute, geräumige Öffnung, wo das Mannerli die langen Beiner drunterstecken kann. Das ist wichtig gelt? und rechts und links eine Tür wieder mit 3 ganz langen Schiebefächern – oh, darin kann man viel verstecken!! Er ist rundum poliert, kann also frei stehen, der Schreibtisch! Ein richtiger Diplomatenschreibtisch, ganz schlicht und doch gediegen. Er gefällt mir ja ganz sehr, Du! Dann 2 Sessel, das sind die üblichen Rundlehnsessel mit Polstersitz, sind auch schön; man müßte nur später den Bezug zum Sofa passend umarbeiten lassen. Die Sitze gehen herauszunehmen. Der runde Tisch ist für 2 Personen wie gemacht! Die Höhe angenehm, 4 geschwungene (leicht nur) Beine, ein Kreuz. Und die Platte ist das wertvollste [sic] daran, eine Einlegearbeit so in Sternform, Strahlenform wenn das Licht darauf fällt bilden sich in der Maserung wundervolle Reflexe, sehr gut macht sich das. Ohne Tischdecke ein Schmuckstück! Nur ein Schönheitsfehlerchen hat er: eine nasse Vase hat ‘nen Wasserfleck gegeben, die Politur ist blind geworden. Das kann der Möbelhändler sachverständig mit irgendeiner Mixtur wegmachen. Das ist aber der einzige Flecken am ganzen Zimmer. Es ist bestimmt prima erhalten. Ach Schätzeli! Wenn Du hättest dabei sein können! Wenn sich meine Freude an diesem schönen Stück in Deinen lieben Augen hätte spiegeln können! Ich wäre noch einmal so glücklich und froh gewesen über den Zufall, daß man noch so etwas wertvolles [sic] uns anbietet. Die Mutter sagte ja zu mir: wenn es nach meiner Ansicht nichts taugte und wertlos war, da hätte sie mich garnicht erst herkommen lassen. Ich war nach eingehender Musterung innen und außen entschlossen, zuzupacken. Du! Ganz allein habe ich entschieden! Aber die Mutter hat ganz mein Handeln gebilligt, auch Vater, der es sich angesehen hatte. Ach Herzelein! Ich bin so, sooo froh! Unser soll das nun sein! Unser!!! Du! Komme nur bald mal, schau Dirs [sic] an! Ja 1000 Mark sind nun weg! Aber dafür haben wie nun ein feines feines Zimmer Du! Vornehm siehts [sic] aus! Ich bin nun heute gelaufen mit Mutter nach dem Spediteur, der uns das nach O. bringt. Er holt es am Montag ab und stellt es in sein Möbellager, bis es klappt mit dem Abtransport. Bei ihm stehts’ gut, Vater kennt ihn gut. Ach, es gab viel Drasch bis nun alles klappte. Nun muß ich nur noch das Geld überweisen, dann ist alles abgeschlossen. Ach mein Lieb! Jetzt kam Vater heim, er tanzt um mich herum, er will gucken! Und er hat Hunger nun. Weißt? Ich schreibe Dir morgen alles, alles was ich Dir noch sagen will! Und muß! Du!

Morgen auf Wiedersehen!! Du! Ich bin so froh und glücklich.

 

 

Behüt dich Gott! Deine, ganz Deine [Hilde].

 

 

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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