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[OBF-421205-002-01]
Briefkorpus

46.) 

Sonnabend, am 5. Dezember 1942.

Herzensschätzelein! Mein geliebter [Roland]!

Du! Guten Morgen! Guten Morgen! Ganz artig komme ich zu Dir. Du! Bin ja schon so munter, Herzelein! Daß ich gleich mal hin zu Dir käme, Dir einen Streich zu spielen, – als Druckfehlerteufel, Tintenspatz. Ach Du! Zuletzt aber, wenn dann mein Mannerli böse würde auf den Unhold, ach, da verwandelte ich mich doch gleich in Deine [Hilde] und käm zu Dir und nähm Dich in meine Arme – lieb ... so lieb! Oh wie hielt ich Dich lieb und fest umfangen…. Herzelein! Du! Ich muß Dich doch ganz unsagbar liebhaben! Sooooo lieb!!! Heute früh – ja früh ist’s noch am Tage! – guckt doch die liebe Sonne aus ihrem Wolkenbettlein! Dicke Eisblumen sind an den Scheiben. Wundervoll glitzert es nach der Ostseite zu in unseren Fenstern. Schade, daß ich Dir keine Eisblume mitschicken kann, zum anschaun! Huh, kalt ist's!! Ich spüre es bis ins Stübel. Werde doch heute nur kurz mal hinausgehen, der guten Luft halber.

Mannerli! Du hälst Dich doch fein warm?!! Ach, wäre ich doch [gleich] bei Dir! Tät doch gleich mal überall nachgucken, ob alles noch in Ordnung ist. Ob alles noch in Ordnung ist! Wie das klingt!!

Man möcht’ sich als Weibel auch sorgen um alles, wenn die bösen Soldaten das Mannerli gefangenhalten so lange, daß es wieder zum Junggesellen wird und aller liebenden Sorge entwächst. Aber ach – Du!!! Du!!! Nach diesen kleineren Sorgen hin brauche ich doch den Kopf nicht mir zerquälen: mein Schätzelein ist so artig und folgt lieb! Viel lieber sicher als ich, wo auf mich eine Mutsch aufpasst!

Du willst mir doch gesund bleiben! Willst Dich mir erhalten! Du willst mir doch heimkehren! Geliebtes Herze, Du!!!

Weil Du mich liebst! Weil Du mich liebst…. so jubelt’s in mir! Und in diesem glückseligen Bewußtsein gipfelt doch unser ganzes Tun und Denken, unser Sein und Leben, unser ganzes Dasein. Ich für Dich – Du für mich! Beides ist seligstes Einssein! Mein [Roland]! Ich bitte Dich, sei immer recht vorsichtig in allen Dingen! Es wäre mir furchtbar, Dich in der Fremde krank zu wissen.

Gott im Himmel, behüte ihn – wend' ab alles Unheil. Laß ihn mir gesund an Leib und Seele heimkehren! Segne unsern Bund! Amen.

Ach mein Herzlieb! Ich muß Dich doch so sehr liebhaben!

Ganz erdrücken und ersticken könnt’ ich Dich in meiner Liebe, Du! Aber das will ich nicht! Du mußt mir doch bleiben, Du! Ach – wenn wir doch erst ein Ende sähen, dieses schrecklichen Krieges. Ich sehne mich so inbrünstig nach Dir…. nach unserem Leben. Manchmal ist es, als wäre etwas in mir, das seine Flügel ausspannen wollte und in die Weite fliegen… in unendliche Weite – und doch einem gewissen Ziele zu.

Geliebter! Es fehlt uns die Erfüllung unsres Zusammenseins noch. Und das läßt unser Herz sich ewig sehnen und unruhig sein. Ach, einmal muß alles ein Ende haben! Dann kehrst Du mir heim. Dann bist Du nur noch bei mir! Geliebter! Ich glaube daran! Und dann erst hat unser Dasein höchsten Sinn bekommen. Geliebter! Dann wollen wir zu ihm hinleben, der uns so gütig zusammengab – es wird ein Leben sein. Unser eignes Leben! Gott helfe uns, unser Wollen zu verwirklichen.

Herzelein Du!

Eben ist die Post gekommen, brachte mir doch wieder 2 liebe Boten von Dir. Vom 1. Advent und vom Montag darauf.

Ach Du! Darinnen steht nun so vieles, was ich in aller Ruhe mit Dir ausreden muß. Dazu reicht jetzt meine Zeit nimmer. Ich will mich, wenn am Nachmittag die Buben wieder fort sind, zu Dir setzen und von alldem reden, gelt Liebes? Jetzt laß Dir nur einstweilen an meinem Dank genügen. Liebster Du!

Mir fehlen noch einige Boten, immer noch! Bummelei!

Und von Speck habe ich garnichts gewußt! Steht gewiß drin in einem der fehlenden Boten. Es täte mir ja so leid, wenn man ihn weggenommen hätte!! Aber ich gebe die Hoffnung noch nicht auf, er kommt sicher nach mit den Briefen. Er kam das letzte Mal auch mit der Briefpost an. Und die Gans? ? Noch nichts da. Ich habe täglich auf der Post nachgefragt seit Mittwoch.

Die Mutter aus Kamenz fragte auch schon an, Vater ist ärgerlich! Ja, das ist halt ein Risiko. Aber Du hast die beste Absicht gehabt dabei.

Wir werdens [sic] erleben, wie es ausgeht. Noch kann’s eintreffen, denke ich. Wer hat denn die Angelegenheit in die Hand genommen, ein Landser oder ein Zivilmensch? Vielleicht hat er Dich betrogen und die [Gänse nie] abgeschickt? War’s eine vertrauenswürdige Person?

Kriegst Du sie wieder mal zu sehen, daß Du fragen kannst, ob alles besorgt sei? Na, ich will mich nur gedulden.

Man sagt: an solchen Dingen hängt keine Seligkeit und es ist leichter zu tragen als ein Beinbruch. Aber bedauern muß ich es, weil Du Dein Geld vertan hast und nun um die Mitfreude kommen sollst.

Ich kann richtig ärgerlich sein: 3 Briefe fehlen mir schon.

Vom 21., 22. und 25. November. Wenn sie doch noch kämen. Ach Herzelein, man könnte mir meinetwegen sonst etwas nehmen, ich litt es schweigend. Aber wenn man mir Deine Briefe nähme, die Boten unsrer Liebe, die Zeichen unsrer Zusammengehörig[keit] das einzige Erfreuliche, das noch an solchem Dasein ist – ach, ich müßte verzweifeln. Ich wüßte nicht, was ich tun sollte. Du!! Dann wäre mir doch, als sei die Türe zugeschlagen zu meinem Herzen. Dann wäre alles finster und gestorben. Furchtbar und nicht auszumalen dieser Gedanke. Nein, das kann und darf nie geschehen! Dich will ich halten in diesem Durcheinander der Zeit. Du bist das Einzige für mich, worum mit allen Kräften zu kämpfen es sich lohnt. Dich darf man mir nicht nehmen! Nicht den Weg versperren zu Dir. Oh Geliebter! Ich lasse Dich nicht!! Zu Dir hin wollte ich durch alle Hindernisse hindurch. Und ich weiß, die Liebe weist mir den Weg. Dich finde ich überall, auch über die Ferne. Geliebter! Und wenn man uns die letzte Möglichkeit der Verständigung nähme, unsere Boten. Die Gedanken sind frei! Die Seele, das Herz! Meine ganze Sehnsucht flöge doch zu Dir hin! Mein Geliebter!

Es wäre ein grausamer, furchtbarer Schlag für uns. Getrennt dann auch noch durch dies zerschnittene Band. Ehe es soweit kommt, dann muß das Ende dieses Krieges für uns schrecklich werden. Unausdenkbar! Aber wie es auch sei: unsere Liebe zerbräche daran nicht. Nie!! Sie würde nur noch tiefer, inniger durch solchen Schmerz und solches Leiden.

Geliebter! Ich gehöre zu Dir ewiglich, was auch komme! Oh Gott im Himmel! Sieh uns hier stehen. Hilf unsre Not wenden! Erlöse uns gnädig aus diesem Dasein! Führe uns einem besseren Sein zu in deinem Frieden. Amen.

Du!! Du!!! Geliebter! Bleibe mir! Oh halte mich fest! Ich fürchte mich allein in dieser Welt. Ich brauche Dich! Du! All mein Halt! Meine Heimat, meine Zuflucht! Geliebter! Ich liebe Dich! Ich liebe Dich! Liebe Du mich, mein Herz, daß ich immer im Sonnenschein Deines Wesens gehe, Dir alles Glück tiefsten Liebeserlebnis zurückstrahlend! Bleibe mein!! Du!!!

Deine [Hilde], ganz Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946