51.)
Freitagmorgen um 1/2 7 Uhr, den 11. Dezember
Mein geliebtes Herzelein! Allerliebster [Roland], Du!! Du!!!
Heute morgen ist mein erster Weg zu Dir! Zu Dir!! Geliebter!
Hätte können noch gestern Abend an Dich schreiben, als ich aus der Singstunde heimkam, aber da erwartete mich Mutsch, die nähte noch Gardinen, und wie das dann so ist, ich kann dann nicht genug allein sein mit Dir, so wie ich’s am liebsten mag. Und so bin ich auch ohne Widerstreben mit ins Bettlein gegagen, sagte ich mir doch, daß der Bote, den ich noch nachts schreiben würde auch nicht eher als am nächsten Morgen abginge. Und so ist es gekommen, mein Lieb, daß der Donnerstagbote erst am [sic] Freitagfrüh geboren wird! Das wird, so fürchte ich, in der “draschreichsten” Woche wohl noch einige Male geschehen, denn seit Mutsch nachmittags zuhaus ist geht’s bei uns bissel lauter zu, Mutsch hat dauernd etwas vor und ich mag mich dann so ganz nicht ausschließen. Als ich allein war nachmittags, da wurde erst geschrieben, konnte manchmal drängen, was wollte. Ach Du! Du allein weißt ja so recht, wie das mit uns beiden ist, liebstes Herz! Wir mögen nichts, als ganz füreinander nur da sein – brauchen garnichts weiter als nur einander! Ach Du! Du!! Unsre Liebe drängt uns so, immer zueinander zu kommen mit dem Liebsten und Heimlichsten, was uns bewegt. Ach, mit allem, was in unserem Herzen vorgeht, kommen wir doch zuerst und am allerliebsten zueinander, Du! Nicht, daß Mutsch mir verbieten würde, wenn ich sitze und schreibe! O nein! Nein!! Sie macht ganz stillschweigend ihren Kram alleine. Und das ist es, was mich beunruhigt dann und mir jede liebe Andacht wegnimmt. Verstehst Du das, Herzelein? Säße sie in der Zeit auch mal bei mir, mit irgend einer entspannenden Beschäftigung, so würde mich das überhaupt nicht stören. Aber so weiß ich, was wir alles noch vorhaben und Mutsch arbeitet den ganzen Vormittag in der Fabrik und soll dann am Nachmittag auch noch alles allein machen – weißt, das packt mich bei meiner Ehre.
Ach Liebster! Du verstehst mich schon! Und Du nimmst das auch nicht als Klage, bitte! Es ist nur, daß ich es mir muß mal auseinandersetzen mit Dir zusammen, Du! Und daß Du ganz genau weißt, Geliebter, es ist nicht Bequemlichkeit, Nachlässigkeit oder gar Lustlosigkeit, wenn ich so an manchem Tag nicht zum schreiben [sic] komme. Oh Du! Du allein weißt doch am besten, wie ich an Dir hänge und wie ich Dein denke unablässig! Wie mein ganzes Dasein erst Sinn erhält durch Dich, Du mein Geliebter! Ach Du!! Du!!! Ich liebe Dich so von Herzen! Nein so ist es ja auch nicht immer, nur eben jetzt vor Weihnachten, oder vor irgend einem anderen großen Programm, daß wir ein wenig mit unsrer gewohnten Ordnung aus der Reihe geraten.
Und ich lasse mich auch trotz allem nicht aus der Ruhe bringen, Du! Ich nehme mir halt dann meine Zeit für Dich an einem anderen passenderen Zeitpunkt! Nehmen tu ich sie mir jedenfalls, Du! Denn ohne Dich wäre mir´s doch garnicht wie Vorweihnachtszeit, wie liebe Adventszeit auch nicht! Du!! Was nützte mir denn aller froher Drasch hier um mich, das liebe Zurüsten auf’s Fest, wenn ich dabei das Liebste nicht im Herzen trüge, oder es im Drasch aus dem Sinn verlöre. Oh Du! Das geschieht nimmermehr!! Nimmermehr, Du!!! Du wohnst ja ganz tief in meinem Herzen drinnen! Und nun kann Dich doch keine Macht der Erde mehr daraus verdrängen, Geliebter!
Vormittags bringe ich meist gerade so viel fertig, daß Essen pünktlich auf den Tisch kommt, daß Hauswesen schön in Ordnung ist und ab und zu besorge ich noch einige Gänge da, wo man vormittags etwas kaufen kann. Manche Geschäfte kann man nur nachmittags besuchen. Gestern nun habe ich, solang ich Licht brennen mußte früh, derweil alles zugerichtet fürs Essen, hab die Küche schön aufgeräumt. Unterdessen mir Wasser heiß gemacht, denn es versprach ein Sonnentag zu werden, da putze ich Fenster. Im Schlafzimmer säuberte ich sie mal wieder fein. Glaubst Schätzeli, bei uns herrscht seit einigen Tagen richtiges frühlingshaftes Wetter. Die Sonne scheint warm, blauer Himmel! Das ist sicher nicht gut für die Natur. Es möchte sich schon winterlicher anlassen das Wetter, zu dieser Jahreszeit. Den Kohlen macht es ja keinen Schaden! Aber die Kartoffeln im Keller schwitzen und faulen, weils [sic] so temperiert, wir müssen wieder das Fenster aushängen. Bei manchen Leuten keimen sie sogar schon wieder! Wie ist’s denn bei Euch dieser Tage mit dem Wetter? Du [sic] Herzelein, da liegt vielleicht dann erst Schnee, wenn Du heimkommst! Ach, uns kommt’s dann schließlich garnicht auf´s Wetter an, gelt?
Wenn nur in unseren Herzen die Sonne scheint!
Wir sind ebenso gern im Stübel wie draußen! Und stiefeln ebenso [geht] durch Wind und Wetter mal, wie durch einen Sonnentag, gelt? Da können wir ja erst recht ganz dicht aneinandergeschmiegt gehen, Du!! Ach, Du mein allerliebstes Herzelein! Wann werd ich Dich wieder in die Arme schließen dürfen?! Du!!! Du!!!!! Ich liebe Dich sooooo sehr! Schätzelein, nun hör weiter, was gestern geschah.
Mittags gab es doch Nudeln mit Gänseklein! Wundervoll, Du! Mußt es doch bis zu Dir hin gespürt haben, wie es uns geschmeckt hat! Das soll nun aber nicht heißen, daß wir so laut schmatzten [dabei]! Nein – wir haben Deiner nur so dankbar gedacht, weil Du uns mit der Husche [siehe Signatur 421202-2-1] wirklich eine ganz große Freude bereitet hast. Du! Ich habe gedacht, daß wir am 1. Weihnachtsfeiertag einmal die Großmutter [Laube] zum Essen einladen – die Eltern begrüßen´s - denn auf ihre alten Tage wird sie sich sicher sehr freuen, nochmal so feinen Gänsebraten zu essen – er ist so zart – und wer weiß, wie lange wir sie noch bei uns haben und jetzt kann man so einem lieben alten Großmütterchen ja so garnicht mal eine Freude machen. Mal bissel Butter schenken, oder Milch, alles was sie gern mögen, das hat man selber nicht.
Was meinst denn dazu, Schätzelein?
Auch Deine liebe Mutter schrieb uns gestern einen Brief. Der Vogel ist da, mitsamt den Federn! Auch ihr hat er eine Menge Arbeit gemacht! Aber die tut man doch gerne. Mutter will Ende der Woche nach Bisch. fahren; denn Friedel kommt heim. Da möchte ich auch noch einige liebe Zeilen senden bis zum Sonntag. Wann mag denn nun Hellmuth kommen. Glaubst? Ich bin soo neugierig auf den kleinen Weihnachtsmann, auf den Nikolaus. Du auch, Liebster?
Ja, punkt [sic] ½ 12 Uhr, als Mutsch heimkam gestern aßen wir, dann ging ich rasch Essentragen – was meinste, wie Vater schmunzelte! – und anschließend trugen wir doch all unsre Sachen hinter auf den Boden zu unseren Möbeln! Das war auch ein Stück Arbeit für sich. Uns zitterten am Ende richtig Arme und Beine vom Tragen und Steigen. Ach Herzelein! Wie freu ich mich!! Wie schön ist alles beisammen!! Es ist eine wahre Lust einzuräumen. Wenn Du kommst, dann mußt Du aber gleich mal mit mir hinter gehen! 6 Wäschekörbe voll haben wir hintergetragen, da ist aber noch keine Wäsche dabei und keine Auflagen und Daunendecken. Nur Wirtschaftsgegenstände! Wie haben wir beiden Frauensleut uns gefreut, Liebster! Wenn das ein manch[er] hätte jetzt, was wir so abschleppten! Wir bringen es ja kaum unter. Und wir haben so lange rumgewirtschaftet, ich mußte ja dann immer gehen; denn um 3 Uhr war Bescherung im Lazarett. ¾ 3 kamen schon die ersten Kinder. Ach, es war heuer recht schön in der Schule. Weihnachtlich geschmückt alles und die erwartungsfrohen Gesichter der Verwundeten. Zumeist verwundete Afrikakämpfer.
Wir sangen auf den Gängen unsre Lieder, dann gingen wir mit den Gaben von Bett zu Bett und die Verslein wurden angesagt. Die Soldaten freuten sich sehr, das las man ihnen vom Gesicht ab. Die Frauenschaft hatte feinen Kuchen gebacken, da schmunzelten sie natürlich auch! Bis nach 5 Uhr dauerte das Ganze, weil wir diesmal in jedem Zimmer waren. Es dunkelte schon langsam, als wir heraustraten.
Ach, wie die Kleinen vor Freude rote Backen haben und leuchtende Augen, wie sie zappeln! Man hat zu tun, daß man sie im Zaume hält! Ich hatte auch ganz rote Backen vor Aufregung, daß alles klappt und sie mir keine Schande machen. Ja, es ging alles glücklich vorüber. Und nächsten Mittwoch ist Lichtlabend, dann Ferien. Und nachdem hoffe ich, daß Frau L. ihr Versprechen einlöst und mir Hilfen schickt. 3 Scharen allein? Auf keinen Fall.
Denke nur Hilde L.’s Mann wird ausgetauscht auf Kreta! [Er] ist schon auf der Fahrt nachhause!! Ich freue mich mit ihr. Am 1. Advent schrieb er, daß sie wegsollen [sic] zur Ablösung nach Westdeutschland. Ob er nun heimkann, fragt sich. Aber Hauptsache ist ja erst mal, er ist wieder in Deutschland, gelt? Ich gönne es ihm. Er war lange genug auf der schrecklich öden Insel. Die Männer vom Jahrgang 1907 ab rückwärt’s [sic] verwenden sie von nun an hinter den Kampflinien, so habe er geschrieben. Du Mannerli! Da bist ja auch mit unter den Glücklichen! Ach, wenn ich Dich auch im Auslande hab, ich weiß aber, es geht Dir gut. Und bist da mehr in Sicherheit vor feindlichen Angriffen, als in Deutschlands Westen. Herr L. ist Flaksoldat.
Und wenn Du mir nur gesundbleibst [sic], mein Herzelein! Ach, dann will ich so ganz zufrieden und dankbar sein, Du!! Ja [sic] Herzelein! Vom Lazarett heimgekommen, besorgte ich Wege: Milchmann, Fleischer, Sch.s. Dann kochte ich eine Biersuppe mit Semmelrösteln und Wurstschnitten dazu. Hinterher schrieb ich an die Eltern eine Karte und an C.s in Breitenborn, zur Hochzeit morgen.
Da war’s schon 8 Uhr, zur Singstunde wollte ich gehen, weil wir vor dem Fest noch zu üben haben. Und denke, welche Überraschung! Wir haben 4 neue Männerstimmen! 2 Bässe und 2 Tenöre. Herr H. hat sie mitgebracht aus seinem Gesangsverein. Gute Stimmen, zwar sind es auch schon ältere Herren, singen aber wirklich gut. Wie fein das gleich ging gestern, es klang viel voller! Ob sie für immer bleiben?
Hauptsächlich zum Heldengedenken sollen sie mitsingen und an hohen Festen in der Kirche. Momentan singen sie scheinbar nur aushilfsweise mit in der Kantorei. Wenn’s ihnen gefällt, bleiben sie vielleicht. Ja, Herzelein, nun weißt Du, was ich so trieb gestern. Heute nun heißt es reinemachen! – heisa, wird das 'ne Lust werden, nun ist viel Platz geworden. Ich muß auch heute in Mittelfrohna den Staubsauger holen. Die Sonne scheint wieder, es wird ein schöner Tag. Und Ostluft weht, man hört den Zug pfeifen. Wann wird er mir Dich wieder einmal bringen?!
Ach Du! Ich sehne mich ja so nach Dir, mein Geliebter! Ich halte Dich ganz fest, Du!!! Du! Dein lieber Bote kommt jetzt wieder regelmäßiger zu mir. Gestern kam der liebe Freitagbote, worin Du mir all Dein Glück so lieb kündest, oh Du! Hab Dank, von Herzen Dank, Geliebter! Du!!! Du bist so ganz glücklich wie ich es auch bin! Und das erfüllt mich mit so viel Herzensfreude und -fröhlichkeit! Ach mein Herzenslieb! Du!!! Wir wollen einander ganz festhalten und lieb behalten! Es gibt nichts Schöneres in dieser Welt! Mein Ein und Alles, Du! Gott behüte Dich mir! Ich trage Dich so froh im Herzen allezeit! Wie ich Dich liebe!!! Herzelein! Ganz froh gehe ich an’s Tagewerk! Dich, Geliebter im Herzen! All mein Glück!
Ich küsse Dich! Ich liebe Dich von Herzen! Du! Deine glückliche [Hilde]. Dein!!
- Anmelden oder Registrieren, um Kommentare verfassen zu können
Hilde Nordhoff
Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.
Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen
Oberfrohna
Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946