Montagabend, am 14. Dezember 1942.
Geliebtes, teures Herz! Mein lieber, allerliebster [Roland]! Du!!!
Du!! Es ist nun schon ½ 9 [Uhr] am Abend, endlich kann ich zu Dir kommen. Weißt denn, wer eben von uns fortging? Hilde L.. Sie wollte die Schlüssel holen zum Kinderscharschrank und verweilte solange. Über eine Stunde, aber es war eine nette Abhaltung, trotzdem sie außerprogrammäßig [sic] war! Denke nur, Herr L. ist weg von Kreta! Er sitzt in Athen, kann aber nicht weiter, weil wieder mal irgendwo eine Brücke gesprengt ist. Er will doch so gerne bis Weihnachten zuhaus [sic] sein! Wer weiß?! Sein nächster Aufenthalt soll Mannheim sein. Habe ich Dir schon mal von dieser Neuigkeit erzählt? Hilde ist ganz selig vor Freude! Na, weil nun bei uns gerade die Pellkartoffeln gar waren, lud Mutsch Hilde ein, mitzuhalten. Und sie zierte sich nicht, kam mit Freuden der Einladung nach, denn sie ist, wie sie wohl mit Recht meinte, einmal froh, nicht einsam am Tische zu sitzen. Es war ein gar bescheidenes Mahl, aber es mundete uns herrlich. Zu unseren Kartoffeln gab es ein wenig Butter und Senfgurke, eingeweckte. Du! Wir 3 Weibel haben den großen grauen Topf voll Kartoffeln ausgegessen! 3 Stück blieben übrig! Allerhand, was? Aber in Gesellschaft, da schmeckt’s eben nochmal so gut – wenn´s noch so einfach ist. Anschließend noch eine Tasse Kaffee. Und während der Zeit haben wir doch so oft und lieb von Euch Männern geplaudert! Du!! Wir beide, Hilde L. und ich – Du! Ich glaub wir haben [doch] unser Mannerli am allerallerliebsten auf der Welt – sooooo lieb, wie nur ganz selten noch eine Mutti ihr Mannerli hat!
Ach, Du!!! Du!!! Ich muß Dich doch sooooo lieb haben.
Herzelein! Heute früh bin ich doch gleich erst einholen gewesen. Die neuen Lebensmittelkarten habe ich zum Teil gleich umgesetzt, vor dem Feste will ich nicht noch so viele Male laufen.
Und als ich heimkam, Du! Da war doch Dein lieber Bote da! Vom Montag, dem 7. Dezember ist er, Du! Ich danke Dir ganz lieb!! Und auch das Stück vom Boten von einst, wo mir eine Seite fehlte! Fein, daß es da ist. Herzelein, ich hatte doch schon Bange, daß es sich zwischen einen Brief an jemand anderes geschmuggelt hätte. Nun ist ja alles gut. Und so froh bin ich, daß er da ist der Nachzügler, sagt er mir doch so lieb von Deiner Sehnsucht, Du!!! Am Nachmittag des 1. Dezember war es, da Du ganz allein für ein Stündchen sitzen konntest und Dich zu mir träumen. Ach Du! Wie tut es sich mir auf, Dein liebend, sehnend Herze! Mein geliebter [Roland]! Wie so ganz lebe ich in Dir! Ach, ich empfinde es ja so tief beglückt! Du!!! Du!!!!! Du liebst mich!
Geliebter! Mein [Roland]! An dem Dienstag war es doch, daß ich den Geburtstagsboten an Dich schrieb, ja ich glaube es war an jenem Tage. Ach Du! Unsre Herzen finden ja zueinander über alle Ferne! Wir finden einander! Begegnen einander im Sehnen und Suchen! Herzelein! Herzelein!! Wie haben wir einander doch so lieb! Sooo lieb! Ich bin so glücklich!! Ach Du! Und ich weiß es ja, Du mußt Dich immerzu sehnen nach der Heimat und damit nach mir, mein [Roland], solang Du in der Fremde leben mußt, kommt Dein Herze nicht zur Ruhe. Du! Und auch ich kann nicht ruhig sein, ehe ich nicht an Deinem Herzen ruhe – ehe ich nicht Seite an Seite mit Dir durch dieses Leben gehe. Mein [Roland], es zieht uns wie mit unsichtbarer Macht zueinander, wie eine Gewalt treibt es uns zueinander. Du! Der Liebe Urgewalt ist es, Du!! So froh wissen wir es!
ach [sic] Herzelein! Wo Du bist, da ist mir Heimat, da bin ich doch so ganz zuhaus [sic]! Überall auf dieser Erde kann ich heimisch werden, wenn Du, Geliebter an meiner Seite gehst. Du weißt es, wie [ich] so ganz an dir hänge, wie ich Dir verbunden bin mit Leib und Seele. Geliebter! Und so ist Dein Wesen innig mit dem meinen verschlungen, ganz tief ins Herz gesenkt hast zu Deine Herzfäserchen. So ganz tief, unlösbar verbunden sind wir nun, für immer.
Ach Herzelein! Auch Du träumst Dich voraus, in unser Leben dann zu Zweien. Wie lieb Du Dir alles ausmalst! Oh, ich folge Dir doch so gerne in Deinem Träumen in unsre Zukunft hinein! Du! Auch ich sehe nur ganz liebe, traute und lichte Bilder.
Ach, gebe der Herrgott unserem heißen Wünschen Erfüllung! Möchte er Dich mir bald, bald für immer heimkehren lassen, Du all mein Sehnen, mein Verlangen! Ich muß Dich doch so ganz unermeßlich liebhaben! Ach Du! ! [Roland]! Mein [Roland]!! Der Herrgott behüte Dich mir auf allen Wegen! Mein Leben, Du!
Herzelein! Ehe ich mich zu Dir setzte, habe ich doch mit Mutsch zusammen die Küchen fein reingemacht, bis ins äußerste Winkelchen. Du kannst nun kommen! Ist alles bereitet! Du!! Und nun habe ich morgen nur noch zu plätten und alle Gardinen aufzumachen und die Decken aufzulegen.
Dann gibt´s nochmal Waschfest und Backfest. Das Puppenbauen, das rechne ich doch schon zur Vorbereitung auf die rechte Weihnachtsstimmung: Freude schenken, Freude empfangen.
Ach und dann ist doch auch noch Zeit, besinnliche Zeit, sich auf das liebe Weihnachten innerlich zu bereiten. Herzelein! Am liebsten werde ich es doch können, wenn ich mich zu Dir hin flüchte, meinem Allerliebsten! Du! Ach, bei Dir ist alles Glück, alle Freude, alle Geborgenheit und von Dir kommt mir ja auch alle Kraft an unseren guten Stern zu glauben, Du! Wenn wir auch wieder Kriegsweihnacht feiern müssen, getrennt.
Du Schätzeli, aus Deinem lieben Boten erfahre ich doch nun so manches, auch, daß Du das Fest heuer wirst allein feiern müssen, weil Dein Stubengenosse heimfährt über Weihnachten. Ach [sic] Geliebter! Einen Moment lang wollte mich das recht bedrücken. Als ich mir aber dann alles so vergegenwärtigte, daß Du sollst mit diesem Heinrich das liebe Weihnachtsfest begehen, wo er es ja in Deiner Gesellschaft garnicht verdient hat – jawohl! Er verdient Deine Gesellschaft nicht, dieser Heinrich! – Du, nun bin ich sogar froh darüber, mein [Roland].
Weißt Du? Erst wird ja sowieso eine gemeinsame Feier sein, wie es so üblich ist bei Soldaten. Und da bist Du nicht allein. Dann aber bist Du ganz frei! Und keinem Kameraden Rechenschaft schuldig über Dein Tun. Wie fein das sein kann, mögen Dir nur ein paar Beispiele sagen, wie ich mir das ausmale. Es kommt ganz auf die Tageszeit auch an und darauf, wie der Dienst liegt, der ja in Deinem Fach gewiß auch über die Feiertage nicht ganz ruht.
Ach, da kannst Du erstens zur Kirche gehen! Wenn eine musikalische Vesper ist am Heiligabend, vielleicht auch! Und an einem der Feiertage ein schönes Konzert besuchen, oder auch ein Theater. Wenn´s garnicht klappt, einen schönen Spaziergang unternimmst Du ganz gewiß! Und der ist unter Umständen allein am allerschönsten, gelt Herzelein?!! Du! Aber bitte, geh mir nicht allein so lang im Dunkeln aus und nicht in gar so einsame Gegenden! Bitte höre mich! Es läuft in Eurer Stadt allerlei Gesindel umher.
Ach Herzelein! Und Du wirst garnicht allein sein!
Ich komme doch zu Dir! Ich werde Dir so nahe sein! Das darfst Du nicht vergessen! Mein Bub, mein lieber! Ich werde Dir so ganz nahe sein, geliebtes Herze [sic]!
Und nicht nur im Boten! Auch im Herzen, Du!
Und auch sonst – ach Geliebter! Geliebter!
Du wirst nicht traurig sein, nein?!
Sieh, ich bin auch allein. Wenn auch die Lieben um mich sind. In mein Herz können sie nicht sehen, da bin ich für mich allein, aber mein Geliebter wohnt darinnen, immer, immer! Und des bin ich ganz froh gewiß! So glücklich weiß ich das! Wir werden uns zum lieben Christfest näher sein, denn alle anderen Tage, weil wir wieder der großen Gnade Gottes teilhaftig werden, und so ganz bewußt. Und der Glücksschimmer wird auch auf uns fallen, unsre Herzen erleuchten und unsre Augen strahlen machen: Gottes Vatergüte umschließt auch Dich und mich!
Des laß uns ganz froh gewiß sein, mein geliebter [Roland]. Und die Freude und die Dankbarkeit, die uns dann erfüllt, die wird uns zueinander drängen lassen in großer Liebe! Ach Du! Unser beider Tag wird und muß ausklingen im lieben Aneinanderdenken. Sooo lieb will ich zu Dir sein! Das ist unsere Weihnacht! Unser Fest der Liebe.
Herzelein! Ich weiß bis heute noch garnicht, ob in Bischofswerda Tauffest sein wird. Ob Hellmuth kommen wird. Ich habe noch keine Post. Wir wollen uns gedulden.
Herzelein! Da ist nun die bezeichnende Geschichte wieder mit dem Urlaub. Und es sind doch immer wieder dieselben Erfahrun[gen], die man mit Menschen macht, wenn es gilt Kameradschaft zu beweisen und Edelmut. Was soll ich dazu sagen? Ich freue mich, daß Du Dich behaupten wirst. Vertritt Dein Recht. Es gibt auch Menschen, die Großmut mit Füßen treten. Und Du wirst bei allem, was bis dahin auch noch geschehen mag, auch an mich mit denken, Herzelein. Du weißt, wie sehnsüchtig ich immer Dein warte. Ach und Du selbst trägst doch die Sehnsucht nach Hause in Dir, wie Dein Herze selbst. Du wirst mir bald heimkehren! Ich glaube so fest daran. Mein Glauben soll Wahrheit werden. Geliebter Du! Es hat sich noch immer so glücklich gefügt bisher, unser guter Stern wird uns auch diesmal leuchten. Du!!
Ach Mannerli! Du! Ich habe doch so herzlich gelacht innerlich, als ich heute Dein Bekenntnis zur Schuld las! Du kleines Dummerle, Du! Wie kannst Du wohl denken, daß wir zanken, wenn Du den Stollen anschneidest? Du!! Ach Du! Immerzu! Wo Du doch so weit von uns fort bist und kein bissel Vorweihnachtsfreude und -drasch zuhause miterleben kannst. Da gibt’s doch so manches zu naschen und zu kosten, auch im Krieg. Du! Mannerli muß doch auch auf seine Kosten kommen! Und Du tust nur recht daran, der Stollen wird bloß trocken! Und wenn Du 8 Pfund bei Dir hast, da kommt’s ja auf einen wahrlich nicht an. Ich freu mir nur, daß er Dir so gut geschmeckt hat, Herzelein!
Und die Mutsch und Papa freuen sich mit! Ich mußte es ihnen erzählen! Deine Zerknirschung über das übertretene Stollengebot war zu köstlich! Wir haben ja so gelacht! Vater sagte "na, wenn er helle ist, länger hätte ich auch nicht gewartet!” Mutter meinte: "da ist er doch genau so verfressen wie seine Frau!" Denke mal an!
Was sagste nun?!! Aber bei Mutsch langt’s auch zu, das bekennt sie ja auch selber. Du! Wenn wie erst beisammen sind, dann helfen wir uns gemeinsam über die kritische "verfressene" Zeit hinweg, gelt Herzelein? So vor Weihnachten kommt die immer, wo lauter leckere Dinge bereitet werden, bloß zum Aufheben. Du! Da backe ich eine große Kiste voll Plätzchen und wenn einer von der "...sucht" gepackt wird, dann steckt ihm flugs der andre eins davon in den Mund, gelt? Ach Du! Wird das fein!!! Dann soll im Jahr zweimal Weihnacht sein! Du!!
Mein Schätzeli! Jetzt bin ich mit einem Male so müde. Weißt? Ich will erst mal in mein Bettlein steigen und schlafen.
Vielleicht träum´ ich wieder von Dir! Gestern Nacht/heute Nacht warst Du auch wieder in meinem Traum, Schätzelein. Ach, Du!! Ich muß Dich doch so sehr liebhaben mein Herzelein!
Gott behüte Dich! Ich bleibe immer Deine [Hilde], Deine frohe [Hilde].
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Hilde Nordhoff
Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.
Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen
Oberfrohna
Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946