Sonntag, den 27. Dezember 1942
Herzensweiberl! Geliebte! Meine liebe, liebste [Hilde]!
Zum morgen noch erkundigte ich mich nach dem Dienst und gingt triumphierend mit dem Bescheid davon, daß ich erst am Montag dran sei. Zu früh gejubelt. Im späten Vormittag rief er an – [Nordhoff], U.v.D., für einen, der übermorgen abkommandiert wird zum Kursus nach Nikolajew, wo Kamerad H. jetzt ist. Dagegen war nichts zu machen – und wenn ich nicht gerade erfreut war, so hat es mich doch in meinen Plänen auch nicht gestört, ach vor allem darin nicht, daß ich mit Dir alleinsein kann. Da sitzt nun das Mannerli, es ist eben 8 Uhr vorbei daheim. Habe die Feder heute schon gerührt, an die beiden Eltern geschrieben. Ach, zur Belohnung ist mein Herzensschätzelein heute doch so lieb, sooo lieb zu mir gekommen – oh Du! Du!!! Geliebte! Wieviel Liebe und Sonne ist wieder in meinen Tag gekommen! Und dann öffnen sich die eintönigen Wände, dann ist da ein schöner Garten, und Sonnenschein, Frieden und Liebe – dann tut sich das Herze auf, Deiner Liebe tut es sich auf – und wird ganz froh, und immer reicher, immer größer wird der Schatz der Liebe.
Ach Schätzelein! Hab ich Dir doch schon gesagt, daß Deine lieben Montagboten auch bei mir sind? Die von der Reise? Ich hab sie ganz besonders lieb aufgenommen – Du liebes, treues Herze! Denkst Du etwa, daß mich langweilte, wenn Du mir aus Deinem Alltag berichtest? Oh Du! Du!!! Herzelein – nimmermehr. Ich bin so glücklich, wenn Du mir von Deinem Tag berichtest und ich Deine Wege noch einmal gehen kann – sooo reich ist den Tag – Heimatwege, liebe Heimatwege sind es, die so lebendig in mir sind und auf denen ich meinem Schätzelein ganz verliebt folge. Ach, Du Liebstes – und wie lebendig läßt Du mir Deinen Tag immer werden, immer ein wenig anders – Tausendkünstler – und heute gerade meinen Geburtstag. Verschlafen – und dabei hat das Mannerli so laut und vernehmlich geweckt mit Pfeifen und Rufen, war doch U.v.D. Drei Stunden über das Wecken im Bettlein! – das wäre mir doch zu bunt gewesen. Decke weggezogen – aufstehen – 10 Stück wegpumpen – Du! Du!!!
Ich hätt doch was ganz andres gemacht, gelt? Du!!! Hätt Dich wachgeküßt – und meinem Fraule schnell in Strümpel und Hösel geholfen und mit einem lieben Klaps zur Waschschüssel geschickt.
Ach Du! Hast noch goldene Zeit jetzt — nütze sie mir fein – solch lieben, sanften Wecker wie das Mannerli findest Du so jung nicht wieder, Du! Du!!! Liebes Murmeltierchen!
Und nun hast so lieb mein gedacht – bist so lieb mit mir gegangen den ganzen Tag – oh Geliebte! Geliebte!!! Wie hast Du mich sooo lieb! Wie sehne ich mich, ganz nahe in Deiner Liebe zu gehen! Wie möcht ich doch bei Dir sein und mit Dir leben!!! Wann wird uns Gott diese Gnade schenken?
Hast richtig mit dem Mannerli gefeiert, hast Dich freigemacht – ach Du! Du!!!
Und was Feines hat es zu Mittag gegeben, hätte doch dem Mannerli auch geschmeckt.
In den nächsten Boten erfahre ich doch nun, wie Ihr daheim das Fest verlebtet. Einen Christbaum hast noch bekommen – fein – und im Stübel wollt Ihr feiern. Du! Im vorigen Jahre war ich doch in Urlaub unterm Tannenbaum – und wollte nun mal zu Weihnachten kommen, und habe es doch nicht wahrmachen können. Knapper ist der Urlaub geworden statt reichlicher. Hellmuth wird noch warten müssen. Siegfried schrieb in seinem Geburtstagsbrief, der mit einer Büchse Ölsardinen! mich gestern erreichte, daß sie wieder ziehen mit unbekanntem Ziele, daß er Weihnachten wird in der Fremde verbringen müssen. So wird das Opfer immer schwerer, das Antlitz des Krieges ernster, der Sieg immer teurer.
Denkst beim Weihnachtsstollen immer wieder an die Mäuseluder! Mußt gleich mal kommen und die Schuldigen Dir vornehmen. Mußt ihnen auflauern – unterm Bettlein sind sie – und nachts kommen sie – aber paß gut auf, daß sie Dich nicht beißen – und erschrick nur nicht, wenn die Maus so groß ist wie der Storch – ach Du! Du!!! hab ich’s denn so gruslig geschildert? Ich mein, ich berichtete, daß sie den Seesack aufgeschnürt! haben. Aber Plätzchen backen wir uns wieder mal, gelt? Leckermäulchen! Wenn der erste [Januar] gewesen ist, kauft das Mannerli ein paar Mandeln und Nüsse und schickt sie Dir mitsamt einer Zulassungsmarke. Und nun sagst mir noch einmal, daß Du mich soo lieb beschenken möchtest. Oh Geliebte! Meine [Hilde]! Ich habe Dir schon gesagt: soo lieb bist Du über die Ferne noch nicht zu mir gekommen, sooo sichtbar ist Dein Bekenntnis noch nicht geworden wie in dem geliebten Bilde – im Spieglein unsrer Liebe – das Spieglein ist’s fürs Mannerli. Oh Herzlieb mein! Wie möchte ich Dir danken – ach könntest all die Freude schauen, die das liebe Bildnis mir weckt, sooft ich es nur betrachte!!! Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!
Und Geburtstagskussel soll ich mir noch wünschen – Du?!!! Oh Herzelein! Ob sie mir noch schmecken? Ob ich sie denn noch vertrage? Ach, und wieviel? Da mußt mir an Ort und Stelle raten helfen – Du! Du!!! Weißt es noch, daß ich Dir mal 13 versprochen hatte? in Lichtenhain?
Oh Du! Ich glaub, es kann einem schon von einem ganz langen Geburtstagkussel angst werden – Du!!!
Ach Herzelein! Geliebte!!! Muß doch auch schon wieder an meine Gärtnerpflichten denken! Du!!! Läßt mich denn auch im neunen Jahre so lieb Deinen Gärtnersmann sein, so ganz lieb und nahe Dir sein? Oh Du! Du!!! Geliebtes Weib! Fühlst es, Du!, daß ich Dich ganz lieb umfasse, wenn ich so sage und schreibe? Oh Geliebte! Du! Wie ich Dich glücklich und selig umschlinge und an mich drücke? Oh Geliebte! Du!!! Fühlst Du es, daß Du ganz mein bist? Daß ich Dich sooo ganz lieb umfange? Mein liebes, geliebtes Weib! Ich liebe in Dir das Weib! Oh Geliebte! Das Weib, nicht die Weib heißt es, und damit wird das Prinzip, das Geschlecht, dieser Pol in der Welt bezeichnet. Weib, das klingt nicht zufällig an an das Wort Leib. Mehr als männliches Wesen wird weibliches Wesen im Leibe sichtbar, wird darin sichtbar auch in seinen feinen Zügen und Empfindungen. Der Mann ist nicht so leicht zu erkennen, er kann sich leichter verstellen, er kann leichter wie der Schauspieler Masken anlegen, er kann entschlüpfen, entwischen gleichsam, ist beweglich – aber das Weib steht und harrt – blumengleich – und darin beinahe hilflos und darum schutzbedürftig.
Oh Blumenwunder des Weibes! Geliebte! Geliebte! Meine [Hilde] bist Du – die Eine, die Einzige – und mein liebes Weib, und darin mein Herzblümelein – mein Herzblümelein! Oh Du! Du!!!
Oh Geliebte! Magst Du Deinem Sonnenstrahl ganz erblühen? Oh Herzelein! Bist Du ganz glücklich in meinem Strahlen? Oh Geliebte! Fühlst Du mein Entzücken? meine Seligkeit? Ach Du! Erfüll ich Dich denn so recht mit meinem Strahlen? Du! Du!!! Oh, Du liebstes, bestes Weib! Mein Weib! Mein!!! Oh Du! Du!!! Herzelein! Wie jubelt es in mir! Bist ganz mein – mit Leib und Seele! Meine [Hilde] und mein Weib! Oh Geliebte! Hast Dich mir ganz gegeben – hast mir Dein Heiligstes anvertraut – hast Dich mir ganz zu eigen gegeben in letztem Vertrauen und heißer Liebe. Und Du bist des so gewiß: ich habe es als Dein Heiligstes empfangen – als Dein höchstes, liebstes Geschenk. Das Weib muss sich so ganz verschenken – das gute Weib. Oh Herzelein! Geliebte! Und des sollst Du immer gedenken, daß ich Dir ganz mein Herz geweiht habe – der Platz, der Thron in meinem Herzen ist Dir allein, Dir ganz allein!!!
Ach Herzelein, muß an Deine liebe Rede denken vom Kinderherzel[ei]n. Hast auch schon mal gedacht, daß sie eben der Ausdruck Deines Wesens sind? Daß Du gar ^nicht Dich 'brüstend' durch die Welt gehen könntest, daß dies Deinem Wesen gar nicht entspechen würde – jetzt, da Du noch kein Kindermütterlein bist? Ich vermein es so zu empfinden. Beim Kindermütterlein ist das große Herzelein dann etwas ganz Natürliches, der Lebensquell fürs Kindelein!
Ach Du! Um mein geliebtes Herzblümelein müssen meine Gedanken heute kreisen! Ich hab es sooo lieb – und halt es sooo wert – und bin so glücklich, daß es mich sein wert hält – oh Herzelein! Ach Du! Sollst in mir Dein liebstes Mannerli finden, wie ich in Dir mein Herzensweiberl fand. Entführen möcht ich Dich gleich in die tiefste Einsamkeit – in die tiefste Zweisamkeit – mein einziges Herzblümelein – daß ich so ganz Dir nur strahlen könnte, und Du mir allein erblühen müßtest – wolltest Du es? Ach Geliebte! In meinem Herzen – und das ist mehr noch als in Wirklichkeit – da habe ich Dich doch entführt, meinen Schatz, ins tiefste Herzkämmerlein – das ist ein langer gar wundersam verschlungener Weg dahin – so wie die Wege unsrer Liebe damals, viel heimlicher nur noch – dorthin habe ich Dich getragen, ins letzte Herzkämmerlein, und halt Dich dort geborgen – dahin findet kein Dieb – oh Herzelein, im letzten Herzkämmerlein quillt das Leben selbst – mein Alles Du! mein Leben!!! Das meine kann nicht mehr ohne das Deine sein! Oh Geliebte! Und ich weiß es sooo glücklich, besser und sicherer, als ich ihn bergen könnte in Wirklichkeit, hältst Du Dich [dreimal durchgestrichen] selber verborgen, was uns wert und heilig ist.
Oh Geliebte!!! So wie Du Dein Mannerli einst wiederhaben wirst, so ganz Dir zugetan und zugewandt in ewiger Liebe und Treue, so ganz Dein Ureigen wie da, als ich Dich verließ – so werde ich Dich wiederfinden, so werde ich Dich wiederhaben in aller Tiefe und Innigkeit Deines Erblühens. Oh Herzelein! Darin bist Du doch mein liebstes, einziges Herzblümelein! Darin gehörst Du doch ganz zu Deinem [Roland]! Oh Du! Du!!! Unsre Liebe wird blühen – und sie wird nichts verlieren an Glut und Innigkeit – an ihrem Zauber und Wunder. Und sie ruht nicht, jetzt, da wir getrennt sind, sie lebt, sie lebt – oh Geliebte, sie strahlt nur desto mächtiger und köstlicher über die Ferne – und ich darf Dir strahlen – und Du läßt keinen Strahl verloren gehen – und Du erblühst mir, und jeder Blütenschimmer findet zu meinem Herzen!
Und nun will mein Herzblümelein wieder knospen – mitten im kalten Winter – ach Du – Du!!! Wie gerne schützt ich es selber vor dem Frost, sagt ich es selber in meiner Liebe! Halt Dich fein warm. Schone Dich! Ach Herzelein! Und wenn der Schmerz laut werden will – ich bin bei Dir! Ich will ihn Dir abnehmen. Und dann, wenn ich immer bei Dir bin – willst Du in meinen Armen ruhen? – oder willst mich in Deinen Armen fühlen? – so, wie es Dich den ganzen Schmerz vergessen macht – so soll es dann sein – Du! Du!!!!! !!!!! !!! Oh Du! Du!!! Wie lieb ich Dich! Wie lieb ich Dich sooo sehr! Wie sehne ich mich, Dir in Liebe zu leben!!!
Behüt Dich Gott auf allen Wegen! Ach, schenke er uns doch bald das gemeinsame Leben! Nehme er doch diesen bösen Krieg von uns!
Herzelein! Geliebte! Meine liebe [Hilde]! Du harrst mein in Liebe und Treue – und ich bleibe Dein – ganz Dein! Ich habe Dich sooo lieb, sooo lieb!!!
Ich küsse Dich herzinnig!
Dein [Roland]!
Dein glückliches Mannerli,
Dein Sonnenstrahl – mein
Herzblümelein, Du! Mein Alles!
Mein Leben!!!!! !!!!! !!!
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Roland Nordhoff
Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt
Oberfrohna
Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946