Mittwoch, den 13. Januar 1943
Herzallerliebste mein! Meine liebe, liebste [Hilde]!
Nun wirst heute zum ersten Male nach Weihnachten wieder bei Deinen Buben und Mädeln gewesen sein. Wirst nun heim sein, dort, wo Dein großer Bub Dich sucht und Dein wartet. Ja, Herzelein – er wartet immer Dein, daß Du auch bald wiederkommst, wenn Du mal ausgehst – in unserem Schloß [sic] suche ich Dich doch immer und am allerliebsten, Du! Hat mir mein liebs Fraule [sic] heute doch auch ein Märchen erzählt, vom Mäuseprinzen, oder Mausprinzen. Die lieben Päckchen sind doch all zu mir gekommen – haben einander unterwegs getroffen und sind miteinander mit ihrer süßen Fracht heute eingelaufen – Liebes, Liebstes! Ich habe mich doch sehr gefreut über diesen lieben, süßen Gruß! Du! Hab Dank, Herzelein! Sind – nein, waren! doch so feine reichgeschwungene Herzelein – und Sternelein – Du! Wir wissen doch, was Herzen und Sterne miteinander gemeinsam haben können: mächtige, ewige, schicksalhafte, gottgegebene Liebe! Du! Du!!!!! !!!!! !!! Ach Herzelein! Da ist nun unsre Stube frisch geräuchert, wir meinten, sie sei nun mal frei von dem unliebsamen Gelichter – da ist doch schon wieder anderes Viehzeug da – schlimmer, größer, dreister, kommt auch bei Tage – ich glaube, es heißt Fressack [sic] oder Vielfraß. Hast Du von der Sorte schon mal gehört? Hast schon mal so ein Tier gesehen?!
Du! Du!!! Das kann ja mal nett werden bei uns. Wer soll ihm dann nachstellen?
Du! Fein hat’s doch geschmeckt. Ob ich die Zähne gebraucht habe, weiß ich gar nicht mehr – hab nur auf den Gaumen gemerkt – Du!
Und nun noch zu Deinem lieben Märlein – das ist doch noch übrig – ich glaube sogar, das ist schuld daran, daß der Vielfraß ein Päckchen nach dem andern erbrach, um die ganze Geschichte zu haben. Der böse Zauberer Krieg, ja, Herzelein, das ist tatsachlich der böse Zauberer, der in unser Land der Liebe einbrach, der uns trennte, auseinanderriß, unerbittlich, der das Mannerli entführte, der es verwandelte äußerlich, der es nun allerlei Wege führt, entfernt von Dir – ob er unsre Liebe stören will, oder erschüttern? oder stählen und erproben? Ach Du! Erschüttern konnte er unsre Liebe nicht – er hat sie nur gestählt und gefestigt! Wir wissen, wie die Mär weitergeht, die wir jetzt leben. Viele Seiten sind schon geschrieben – es wird, wie es begann, als ein Lied von guter Liebe und Treue enden – und, so hoffen und glauben wir, am Ende wird der böse Zauber von uns genommen werden – ich werde Dir heimkehren – und Du wirst mich erwarten! Oh gebe Gott, daß es recht bald geschieht. Oh Geliebte! Dann werden zwei Menschenkinder ganz glücklich sein! Dann wird der Schatz unsrer Liebe ganz kostbar sein, er wird es doch täglich ^mehr über unsrer treuen Liebe!
Oh Herzelein! Muß immer wieder auch an die Märchengestalt denken, die drei Reifen um das Herze trug – den treuen Heinrich aus dem Froschkönig – dann werden wir frei sein von den Herzensbanden der Trübnis, der ungestillten Sehnsucht – dann werden wir ganz tief wieder aufatmen können!
Und das Wunderkräutlein? – Du böses liebs, herzliebs Kräuterweiblein! Hast Dein Mannerli verzaubert! Oh Geliebte! Hast mich wahrhaft verzaubert – oh Du! und glücklich bedenk ich, daß dieser Zauber nicht wieder mir genommen werden kann – gar nie wieder! Oh Herzelein, ist nicht nur Schlaf und Traum – ist lauter Wirklichkeit! Ist nicht nur ein Sand in den Augen – ist ein Zauber, der im Herzblut pulst, und das ganze Mannerli befiel: Liebe und Sehnsucht weckend, daß es manchmal gar nimmer ein noch aus weiß, Du! Daß es ganz gefangen geht in solcher Liebe und leicht die ganze böse Trennung vergißt.
Ach Du! Du!!! Ob Du wohl so auch ein andres Mannerli hättest verzaubern können? Hörst Du so Dein verliebtes Mannerli eifersüchtig fragen?
Und ist doch falsch gestellt, die Frage; denn der Zauber guter Liebe, der Liebe tiefe Glut wird doch erst geweckt durch der Liebe Weben und Wogen, von mir zu Dir, und von Dir zu mir! Ach Du! Auch das Mannerli ist ja ein Zauberer, gelt? Du! Du! Du!!!!! !!!!! !!! Hat sein ganzes großes liebes Weiberl doch verzaubert, ohne daß es es selber recht ahnte. Ach Du! Du!!! Ich bin doch Deinem Zauber nun ganz erlegen – und will immer immer darin bleiben – Du! Du!!! Herzelein!
Herzlieb! Ist doch ein besonderer Zauber, der zwischen uns geht, ein heimlicher, tiefer, inniger Zauber, ein ganz besonderer Zauber.
Es gibt doch Frauen, von denen man sagt, sie seien bezaubernd, ihre Schönheit, ihr Blick, ihre Stimme, ihr Tanz. Du, solch eine Frau möchte ich nicht haben, an ihrer Seite möchte ich nicht leben, die so allen, so vielen gefällt, deren Liebe so nach außen strahlt, die so gar nicht geschaffen ist, so ganz das Eigentum eines Mannes zu werden, so ganz einem Manne sich aufzutun und zu vermählen. Weißt, wenn man an die Blumen denkt: es sind die Blumen von auffallender, aufreizender Schönheit und Leuchtkraft, die so gleich allen ins Auge fallen, nach denen gleich alle langen möchten. Und solcher Frau, wenn sie etwas tiefer veranlagt ist, muß es eine ewige Unruhe sein, wenn so viele Herzen entbrennen, wenn Männer immer hinter ihnen ihr dreinschauen und sie beunruhigen. Aber meißt [sic] ist solch auffällige Schönheit nicht gepaart mit innigem, innerlichen Wesen – so kann sie auch Schicksal sein. Ich mußte es jetzt einmal denken, Herzelein: Eine schöne Frau, eine von immer gleichbleibender Schönheit und Ebenmäßigkeit des Antlitzes, ist eigentlich ärmer als manche andere. Sie gefällt wohl – aber immer mit ihr Leben [sic] – das muß wohl so sein wie immer unter blauem Himmel leben. Ist die Frau nicht reicher, deren Antlitz zu gewissen Tagen und Stunden sich verklärt zu eigenartig, tief aufglühender Schönheit, ohne zu erstarren, deren Antlitz dann aber wieder auch still werden kann und blaß. Ja, Herzelein! Es hat diese gleichbleibende Schönheit etwas Starres. Und töricht sind die Frauen, die sich um solch starre Schönheit bemühen, die die Landschaften ihrer Erscheinung einebnen und verwischen – nach billigen Erfolgen haschen sie und flachen Männern. Denn ein guter Mann liebt den Reichtum, die Fülle der Erscheinung wie den der Seele so wie die Fülle in der Natur. Das Meer ist nicht nur schön in glatter Bläue oder in übersonntem Blau, es ist auch schön ganz schwarz aufgewühlt und bleiern erstarrt – und in dieser Vielheit, in diesem Wechsel, in der Fülle seiner Gestalt.
Ach Herzelein! Ich möchte so noch lange mit Dir plaudern. Aber die Zeit drängt. Ich komme bald wieder zu Dir! Behüt Dich Gott!
Ach Du! Du!!! Ich bin ganz sehr glücklich, weil ich weiß, daß Du ganz mein bist – daß Du ganz mir erblühst, und daß Dein Zauber so tief nur mich trifft, daß Du ganz mein bist – und ich, der hölzerne, spröde Bub – ich bin Dein! ich gehöre ganz Dir!!! Und will es ewig bleiben! Und bin sooooooo glücklich! Ewig Dein [Roland]
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Roland Nordhoff
Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt
Oberfrohna
Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946