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[OBF-430201-001-01]
Briefkorpus

Sonntag, den 31. Januar 1943

Geliebtes, teures Herz! Meine [Hilde]! Mein Alles, Du!!!

Sonntag wieder – Mannerli ist U.v.D. – Sonnenschein ist draußen, blauer Himmel, aber kalt ist es – wenn man den Sonnenglanz sich brechen sieht auf den Mauern der Häuser draußen, dann kann man schon an den Sommersonnentag denken – bald wird es wieder soweit sein – das Mannerli wird noch immer in der Fremde sein müssen – und Du allein – und wo werden wir sein dann?

Du! Du? Ob noch in der Heimat?

Und ich? Ob noch hier?

Wer möchte uns Antwort geben darauf? Ja, so friedlich schaut der Himmel drein – und Frieden ist hier um mich und bei Euch daheim – und doch lastet da ein Dunkles, Ungeheures – und doch ist Finsternis – in den Menschenherzen zuerst und dann bricht sie auf wie ein rasend Feuer und macht diese Erde zur Hölle – der Mensch in seiner Bosheit macht sie dazu.

Ja, Herzlein! Du denkst ganz recht: Der Mensch hat nun die Gaben, über die Dinge um ihn her nachzudenken, über sich selbst nachzudenken und gebärdet sich wilder und schrecklicher als das wildeste Getier. Er wendet seine Gaben an alle Schlechtigkeit, er sinnt auf Schlechtes zumeist – und die Krallen des wilden Getiers, das Gebiß des Raubtiers, die Gier des Viehes steigert er mit seinem Verstande zu schrecklichen Mordwerkzeugen.

Der Krieg entspricht dem Einanderauffressen im Tierreich es bleibt ein Makel an der Menschheit – und einen Adel des Krieges erkenne ich nicht. Kampf dieses Morden? Das ist schon kein Kämpfen mehr. 

Ach Du! Du!!! Geliebte mein! Wie glücklich fühl ich es in diesen Tagen. Wir hegen einen Schatz, der uns bleibt, solange wir leben. Wir tragen ihn bei uns, wo wir auch gehen! Und niemand kann ihn uns rauben! Du kennst ihn!

Meine Hanna! Deine Liebe! Unsre Liebe! Oh Du! Deine ganze, große, treue Liebe!

Herzelein! Und wir lassen uns diesen Schatz nicht rauben!

Wir schließen ihn ganz fest in unser Herze und halten mit unserem Leben selber die Wacht! Oh Du! Geliebte mein! Wir können nicht anders! Ach, wie könnt ich es Dir doch noch sagen – daß ich Dir ewige Treue halte! Geliebte, und daß es mir doch ganz selbstverständlich ist, gar keine Pflicht, daß ich gar keine Anfechtungen, gar keine Grenzen spüre – daß diese Treue der Damn, das Bett ist des Stromes unsrer Liebe – so tief das Bett, so fest der Damn – Du! tief gegraben vom mächtigen Strom – fest geglüht von der Stromes Glut ich liebe nur Dich! ich liebe zum ersten und einzigen Male! Und bin ganz erfüllt vom Wunder der Liebe! Oh Du! Geliebte mein! Ganz tief ist die Herzkammer der Liebe Deines Mannerli! Und viele viele Kammern und Türen liegen vor ihr! Du wandelst durch alle – Dir gehört ja mein Herze! Und zum letzten Herzkämmerlein hast nur Du überhaupt Zutritt – ach Du! Geliebte mein! Dort steht doch der Thron meiner Herzenskönigen!!! Oh Geliebte! Unsrer Liebe ist uns doch die Krönung das Lebens – Und auf diese Krone richtet sich doch all unsre Herzenskraft, in ihr soll unser Leben gipfeln! Ach Du! Ich muß an die schönsten Märchen denken, wenn ich all die hohen Empfindungen wecken soll, die mit unsrer Liebe aufgelebt sind und uns nun erfüllen. Ach Herzelein! Meine Heimat ist mir Dein H[e]rz geworden! Letzte Erfüllung bist Du mir! Oh Geliebte! Täglich geht mein Sehnen hin zu Dir, zu meiner Heimat. Täglich, immer, denk ich an den Weg zurück zu Dir! Und verliere ihn nicht einen Augenblick. Ach Geliebte! Ich warte immer auf Dich – voll Sehnsucht. Oh Du! Geliebte! Und ich erkenne es doch mit Dir, die Liebe läßt es uns erkennen unsre junge, heiße, drängende Liebe, oh. Herzelein, sie lebt so in mir wie in Dir, und stimmt unsre Herzen so ganz zueinander zu letztem innigem Verstehen: Heiße Liebe drängt zur Einsamkeit, sie duldet nicht ein drittes, oh, sie scheidet uns selbst von den lieben Eltern, sie sucht nur immer die eine Landschaft, die erste, alte, liebvertraute, Geliebte, die eigne, ureigne auch, die unsre Liebe erkannte, und formte, und erfüllte die unsre Liebe erfüllte.

Oh Du, Geliebte mein! Wo leben zwei noch sooo im Lande ihrer Liebe? Wo bestellen zwei noch den Garten der Liebe mit solcher Freude und Hingabe? Wo hatten zwei noch so allen Glauben, alle Herzenskraft auf die Liebe gerichtet? Oh, wo haben zwei glücklicher voneinander Besitz genommen als Du und ich?

Oh Du! Geliebtes Weib! Meine Heimat! Meine Heimat! Oh Herzelein! Bei Dir bin ich ganz daheim! Alle Tale und Höhen der Landschaft Deiner Seele leben in mir – und die Liebe ergießt sich darin – oh Du! wundersam befreit und aufgetan von Deiner Liebe!

Oh Du! Ich liebe Dich von ganzem Herzen bis in die Tiefen Deines Wesens. Nie lasse ich Dein geliebtes Bild verdecken! Oh Herzelein! Meine Liebe zu Dir ist so jung, und heiß – und innig!

Oh Du! Und ich weiß, wie ich Dich immer noch lieber gewinnen werde – immer noch glücklicher und seliger umfangen – oh Du! wie es im Lande unsrer Liebe noch viele Entdeckungen gibt – Liebheimlichstes – schlummernde Schätze – die sich in den glücklichsten Stunden tiefster Liebe nur erschließen – und darauf brenne ich – danach sehne ich mich – mit Dir leben und noch mehr entdecken – mit Dir! Mit Dir!!! noch tiefer lieben, noch heißer, noch inniger – oh Herzelein – kein andres Ziel kein andres Sehnen als solches ganzes Lieben – als solches Leben mit Dir — als solch Wandeln zum Glücksquell tiefer reiner Liebe – Du! wir haben doch den rechten Weiser zu solchem Ziel, die Wunderblume – und lassen sie uns um keinen Preis entwinden!

Und wissen Gottes Segen mit uns auf diesem Wege.

Er hat uns wundersam geführt bis her und gnädig behütet.

Oh Geliebte! Er hat uns auch sehend gemacht, stark gemacht für diese Zeit! Wir wissen, wie wir unsre Liebe bewahren, wie wir sie recht schützen vor jeder Gefahr und handeln danach.

Oh, laß uns Gott darum ewig dankbar sein!

Schätzelein!

Z. mein Mitarbeiter, ist seit Freitag hier in der Kompanie Schreiber. So bin ich jetzt mit Fräulein Sch. allein. Und ich bin froh, daß es so kam. Dieser Z. hat auch so ein aufdringliches Getue, wie es eben jetzt so Mode ist – es ist ja überhaupt nicht mehr Abstand und Achtung unter den Menschen – und zumal nicht zu diesen Mädchen, die nun als fremd und Lernende so hereingeschneit kommen. Und so reißt diese Tonart gar nicht erst ein. Fräulein Sch. stammt aus Ostfriesland, aus Bremerhaven. Daß sie ein gutes, anständiges und argloses Mädchen ist, erkannte ich, wie sie jetzt die Post von Hause aufnahm.

Ach Herzelein! Und so kann ich ihr ganz frei und mit der Achtung begegnen, die Du an Deinem Mannerli kennst. Es gibt nicht viel Worte zwischen uns. Normalerweise ist immer zu tun. Und Dein Mannerli ist der Springinsfeld, treppauf einmal, treppab einmal – und bleibt dabei elastisch – und das Dickerle gegenüber folgt dem Gesetz seiner Beharrung gerne – Du, ganz so dick laß ich Dich nicht werden – wie ich das hindern will?

Ach Du! Der Sonnenstrahl formt sein Herzblümelein zu seiner ganzen Freude – er vermag es mit seiner Liebe! mit seiner – Liebe!

Ob ich selber auch einmal durch solch Mädchen ersetzt werden kann? Möglich ist das. Vorgesehen ist es zunächst nicht. Es sollen erst nur die jungen Soldaten so ersetzt werden. Kommen solche Helferinnen übrigens auch bis nach Simferopol – aber nur auf freiwillige Meldung hin.

Ach Schätzelein! Unter Soldaten kann Kameradschaft sein, Männer sind gewohnt, allein in der Fremde zu stehen. Aber Frauen – und wenn sie dann auch noch nicht die rechte Gesellschaft finden – die müssen unglücklich werden – oder verhärten.

Nun will ich aber mal fein der Reihe nach Deine lieben Boten durchgehen.

Sonnabend also beim Friseur. Und überall fein nimmt mein liebes Fraule und Mütterle das Strickstrümpel fürs Mannerli. Du, ich freu mich doch so drauf, daß ich sie bekomme! Und abends dann das Konzert. Die Musikanten haben gegen Ende unsauber gespielt weil sie müde wurden. Levin hat ihnen aber auch nicht Alltägliches zugemutet. Und auf dem Heimweg gab es Pralinen. Und wenn nun das Mannerli mitgewesen wäre, hättet ihr es an der Oststraße abgesetzt gelt? – Du! Du!!! Nein – nein – ganz falsch, ganz falsch!

Du! Du!!!

Nur mit an Dein Tor gegangen – ach Du! wie der Froschkönig im Märchen – „Königstochter, jüngste mach mir auf!" – Hätte nun wohl der gestrenge Herr König, der liebe Papa, es Dir erst gebieten müssen? Du!!! Und auf den Stuhl wollte doch der Froschkönig – und aufs Tellerlein – und ins Bettelein – und Dein [Roland] dazu noch — ins Herzeleien Du! Du!!! Geliebte mein!!! Prinzessin mein!

Herzenskönigin!!! Nun lassen uns diese aufgeregten Tage doch nicht zu rechter Muße und Andacht kommen, wie sie nötig ist, um solches Konzert recht auf uns wirken zu lassen.

Das Gerücht vom 3–Millionenheer ist auch hier schon. Möcht nur wissen, wie solch Gerücht aufkommt. Gewiß werden die älteren Jahrgänge nun die jüngeren in den besetzten Gebieten ablösen. Bin nur gespannt, was sich so hinter etlichen Andeutungen in den Reden gestern noch alles verbirgt für Euch Lieben daheim. Ich denke, daß man Volksküchen einrichten wird, daß gar nicht mehr alle Familien haushalten müssen.

Ja – einst wollte man anders siegen! Zum Schicksal hat dieser Krieg sich ausgeweitet und wir sind seiner nicht mächtig.

Wenn Du die Göringrede gehört hast: nach einem Glauben sucht man für die Kämpfer – von dem Glauben an die Berufung unsrer Rasse sollen alle erfüllt sein – wenn man es nur gleich einimpfen könnte – oder in Pillen verabreichen! – aber so – ich fürchte es können die meisten sich nichts Rechtes drunter vorstellen, geschweige denn es zu einer Quelle der Kraft werden lassen.

Schätzelein! Berichtest mir, daß die Frau S. einen Nervenzusammenbruch hat. Wer hilft ihr nun davon? Kann niemand helfen. Das ist das schlimmste mit, was geschehen wird kann: Die Hast, die uns schließlich um Alles bringt, selbst um den Verstand. Nein, wer so sich verengagiert [sic], der hält nicht auf sich, der hält auch nicht auf die Lieben nur ihn – so kann man sagen: Der hält nicht auf sich.

Ach, Geliebte mein! Ich möchte Dir so von Herzen danken für Deinen Schritt, daß Du Dich wenigstens von einem befreit hast – und daß Du Dich nun auf eines konzentrieren kannst. Möchte es so bleiben können!

Oh Geliebte! So bliebest Du doch auch äußerlich in einer würdigen Stellung, so, wie ich Dich schaue als Walterin, als Gebieterin über Deinen Kreis, so wie ich Dich am liebsten schaue - als meine liebe Frau!

Ach, könnte es so bleiben! Ich bin ja so gespannt.

Ach Du! Was täte ich doch, wenn ich etwas vermöchte!

Herzlein! Es ist nun gleich um 9 Uhr.

Will noch den Eltern beiden ein Zeichen geben.

Ach Du! Wir hängen doch alle ganz lieb zusammen, und halten zusammen und halten uns aneinander – am liebsten und innigsten häng ich aber doch an meinem Herzensschätz. Ach Du! Du! Meines Herzens, meines Lebens Sonne! Oh Geliebte! Daß ich Dein Herze habe, die Geborgenheit Deines Herzens – Du! Du!!! Wie glücklich bin ich darum! Wie glücklich!!!

So weit schrieb ich gestern abend. Und nun soll der Bote auf den Weg zu Dir! Wollte am Vormittag fertigschreiben, aber es gab zu viel Papier. So ist nun Mittagsstunde geworden. Gleich wird der Befehlshaber dem Mannerli seinen Ausgang verordnen. Magst mitgehen? Die Sonne ringt mit dem Nebel. Aber zum Gehen ist es angenehm.

Schätzelein! Ist doch nun heute schon der kurze Februar angegangen.

Du! Wie ich nun meinen Urlaub einrichte, das muß ich nun erst mal abwarten. Wenn er nicht mehr vor den 19. April paßt dann nehme ich ihn hernach.

Du! Du!!! Du!!!!!!!!!!!!! Du! Sind das nicht schon die ersten Elternsorgen? Du!!!!! !!!!! !!! Und alles dreht sich um mein Schätzelein – ach Du! Du!!! Bist doch meines Lebens Mitte, meines Lebens Sonne nun!!! Und das ganze Mannerli dreht sich darum – ach sooo glücklich – und verliebt – Du!!! – Dein Mannerli – Dein Mannerli! Bist Du auch so glücklich wie ich? Mußt Du Dich auch so sehnen wie ich? Du!!! Ein wenig anders nur – ja? Du!!! Du!!!!!!!!!!!!! 

Ich habe Dich sooo lieb!!!

Behüt Dich Gott! In Liebe und Treue.

Viel liebe küsse – Du! Geliebtes Weib! Meine [Hilde]!!!

ewig Dein [Roland]

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Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946