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[OBF-430201-002-01]
Briefkorpus

101.

Montag, am 1. Februar 1943.

Herzallerliebster Du! Mein geliebtes, teures Herzelein!

Ich komme doch wieder zu Dir nun! Du!!! Ach Du! Laß Dich uns erst einmal ganz lieb nd fest umfassen, Geliebter! Ich muß Dich erst einmal ganz fest an mich drücken und liebhaben, Du herzliebes Schätzelein! Du!!! Hab dich ja soooo lieb! Sooooo lieb!

Ich habe auch heute Nacht von Dir geträumt, Herzelein! In unsrer Wohnung hier war es, Du warst bei mir und es war zu nächtlicher Stunde, ganz allein standen wir miteinander engumschlungen, wie schon so oft, Du! Und wollten ins Bettlein gehen und konnten doch nicht voneinander lassen, weil wir uns so sehr liebhatten. Ach Du! Und dann löschtest Du das Licht, aber es war dämmrig im Stübel, so, als schiene das Mondlicht herein. Und auch die Engelkleidel fielen – ich fühlte Dich ganz mir nahe. Oh Du!!! Du!!! Da konnte ich nicht anders, ich hab Dich ganz sehr müssen liebhaben, Geliebter!!! Und ein Schrecken durchfuhr mich plötzlich, denn es klopfte an die Zimmertür, ich weiß nicht wer herein wollte. Aber ich war so sehr erschrocken, daß ich erwachte, Du!

Ach Herzelein! Bei allem Liebheimlichsein und Geborgensein habe ich in mir eine leise Unruhe und Angst, wenn wir so lieb vereint zusammen sind. Angst, daß eimal jemand uns überraschte von den Eltern, hier oder dort.

Diese Angst werde ich auch nicht eher los, als bis wir einmal ganz für uns werden wohnen können.

Du! Dann wird der große Riegel vor die Tür geschoben ja? Du! Mannerli! Dann stellst Du Schildwachen auf! 2 böse Hunde, die alle ins Bein beißen, die uns stören wollen. GeltAch Du!!! Du!!!!! Wie lieb ich Dich! Weil ich da eben an unsere Wohnung denke: ich habe auch heute zum ersten Male Miete für uns bezahlt bei U.s. 4 Mark im Monat. Das ist nicht viel. Aber ist auch genug für einen Ort, der sonst unbenutzt steht. Er sagte, er konnte 5 Mark verlangen, wollte aber nur 3 von mir haben und nach einigem Hin und Her haben wir uns dann auf 4 Mark geeinigt.

Er soll nicht denken, wir wollen ihn ausnutzen, gelt? Und wir sind froh, daß es so fein klappte.

Vielleicht bekomme ich früher oder später noch die Stube im I. Stock dazu! Denn U.s haben ihrer Verwandten geschrieben, daß sie ihre paar Sachen doch noch ab holen soll.

Dann stellen wir unser Schlafzimmer ein da unten! Unser Reich! Mannerli! Ein Teil! Da würde ich mich aber ganz sehr freuen, Du!!!

Und die Miete in Kamenz für das Herrenzimmer beträgt 5,50 M, es steht im Lager bei B.. Bis Chemnitz kann es eventuell mal mit einem Transport klappen aber dann muß ich mich kümmern. Es ist nur so schwer!

Mal sehen, wie es wird noch.

Ich zahlte Herrn U. 28 Mark heute. Ich will diese Miete halbjährlich zahlen und diesmal den Monat Dezember noch nachträglich. Sie wollten es nicht nehmen. Aber das lasse ich mir nicht nehmen, von Stund an, wo der Platz von uns benutzt worden ist, wird bezahlt. Ich mag uns nichts nachsagen lassen und mag keinesfalls abhängig sein.

Ehe ich das Geld an Vater schicke, will ich erst nochmal genau wissen, wieviel Monate er schon zu bezahlen hatte und was der Transport von dem Hause aus nach dem Lager kostete.

Nun zahlen wir auch schon Miete Herzelein! Paß nur auf, eines Tages wird es geschehen, daß wir sogar diese Miete auch abwohnen können! Dann wirst Du wieder bei mir sein! Und dann wird Frieden sein!

Trotz allem sinkt die Hoffnung darauf nicht!

Du! Bist heute so lieb zu mir gekommen in Deinem Mittwochboten! Ich danke Dir recht sehr! Herzelein! Der vom Dienstag fehlt und vom Freitag vorher.

Aus Deinen Zeilen geht hervor, das [sic] der Kuchen da sein muß. Das freut mich aber! Denke nur, seit 2 Tagen ist wieder Sperre! Selbst wenn man Zulassungsmarken hat gehen keine Päckchen ab. Bis März vorläufig! Zu dumm! Dann kommst Du ja bald selber heim! Und ich will Dir doch so gerne einen Nußkuchen schicken. Es kamen doch wieder 3 so feine leckere Nußpäcklein an! hm! Ich habe schon wieder [unklar] gemacht! Ist eine Delikatesse! Auch der Vanillezucker kommt mir recht, Mannerli! Hab tausend Dank für alles!

Schickst doch den Eltern auch was, nach Kamenz?! Der Speck ist schon angekommen, den ich vorigen Freitag per Einschreiben absandte. Das ist ja für uns eine herrliche Zubuße! Hast keine Ahnung! Wie wir uns darüber freuen! Gutes, lieb's Mannerli! Da muß ich halt Plätzchen backen. Schade, mit 100 gramm fange ich ungerne an. Ein handfester Kuchen ist schon was andres.

Da werden sich aber D.s freuen, daß sie noch so abgeschnappt sind mit ihrem Kuchen an Dich! Nun kann ich's ja verraten! Ich freue mich selber! Den nächsten, den sie Dir zudenken, den ißt Du gleich selber bei ihnen, ja? Und ich will Dir dabei helfen!

Ich glaube doch fest dran, daß Du im April kommen wirst, Geliebter!

Ist Dein Feldwebel in Urlaub schon? Man redet hier von Sperre. Aber ich traf den Sohn vom Bäcker K., der ist da, als Matrose. Kommt von Konstanza her. Sie dürfen solang heim, bis ihre Kraftwagen fertig sind. Dann geht's zum Landeinsatz nach Rußland.

Ist das nicht schlimm? Matrosen? Und erst 19 Jahre alt? In Rußland müssen eben nun alle mithelfen.

Oh, wenn Du nur nicht fort mußt nach Osten! Geliebter! Ich habe so Angst! Ach, es ist zu schwer, dem Treiben zusehen zu müssen, diesem Morden. Heute erfahren wir nun, daß der Generaloberst Paulus im Süden der Übermacht erlegen ist mit seinen Tapferen.

Ach es ist schrecklich, schrecklich, das mit abwarten zu müssen! Das gewisse Ende. Die armen Frauen, die ihre Angehörigen dabei wissen, welch eine Folter für sie. Und die anderen entgehen ihrem Schicksal auch nicht.

Hast Du gehört, was Göring sagte? Es ist gleich wo wir fallen: im Norden, Süden oder Osten – und wenn einer von den Soldaten heil wiederkommt, dann hat er mächtigen Dusel gehabt. —

Hörtest Du von dem Wechsel unsrer Kriegsmarineoberbefehlshaber? Raeder trat zurück, Dönitz tritt an seine Stelle. Wechsel auch im italienischen Heer.

Das sind keine unbedeutenden Schritte, meines Erachtens. Wie halten wir den Atem an jetzt alle.

Oh Geliebter! Bleibe mir gesund und tapfer! Achte auf Dich doppelt, erspare mir die Sorge um Deine Gesundheit. Wenn man gesund ist, trägt man manche Härte des Alltags leichter. Auch ich will achtgeben auf mich und Dir derlei Sorgen nicht aufbürden.

Ach Geliebter! Notzeit ist. Hart wird es und immer ernster für uns. Die steigende Jahreszeit wird neues, großes Herzeleid über uns bringen.

Oh, stehe Gott uns bei!

Was werden Siegfried und Hellmuth machen? Ich muß so oft an sie denken.

Schreiben an sie, das fällt mir richtig schwer, Herzelein! Dazu lastet das ganze Geschehen viel zu sehr auf einem. Und wenn es kein froher, zuversichlicher Brief wird, dann will ich lieber garnicht schreiben. Trübe Gedanken haben sie selber genug. Und sehen nichts als Herzeleid und Schrecken. Es dünkt mich auch jeder schwache Versuch hier zu trösten und Mut zuzusprechen auf bessere Zeit, ach so ärmlich, so schwach. Die Geschehnisse sprechen für sich selber. Das brauchen wir nicht noch zu betonen. Ob sie überhaupt jetzt Post empfangen, es alles aufs [sic] Ganze geht?

Ach Herzelein! Die guten Eltern, die liebe Elfriede, wie müssen sie tapfer sein in diesen Tagen. Möchte Gott ihnen allen Kraft schenken, in Geduld auszuharren.

Geliebter! Das ganze Geschehen liegt immer und überall obenauf. Es kommt keine echte Freude mehr auf bei den Menschen. Obwohl da immer noch genug Geschöpfe herumlaufen, die ihre Sinne betäuben. Die sind es nicht wert, Deutsche zu heißen; in Tagen brennenster Not noch an derlei zu denken!

Du! Mein Geliebter! Tag und Nacht sind all meine Gedanken nur bei Dir. Ziehen sie Dich heim, ach, ganz durchdringen will ich Dich mit meiner Liebe allezeit, Du sollst es sichtbar spüren, Du!!!!! Oh, wenn wir unsere Liebe nicht hätten, Herzelein! Ich muß es jeden Tag auf's neue voll Glück bedenken! Du!!!!! Halten muß ich sie! Ganz festhalten! Bis in den Tod! Und je ärger das Toben um uns her, umso inniger schlingt sich das Band unsrer Liebe und treuen Verbundenheit. Nichts ist uns so wert und kostbar wie unsere Liebe! Mein [Roland]! Oh, ich liebe Dich!

Ach Du! Denke immer ganz froh an Deine [Hilde]! Du!!! Ganz Dein ist sie! So ganz Dein! Dir allein ghört sie! Nur Du hast ein Recht an mir! Du!!!!!

Die Quelle unsrer Liebe versiegt nicht! Unsrer Liebe nährt sie wundersam. Ach Geliebter! Wie uns die Liebe erfüllt, das kann man garnicht in Worte fassen.

Erleben müssen wirs [sic] und uns ergreifen lassen so ganz bis ins Innerste.

Geliebter! Mein!!!

Du kommst sooo lieb täglich zu mir! Ach Du!! Ganz warm und wundersam strömt es mir zum Herzen, wenn ich es fühle wie Du mir so ganz in Liebe angehörst! Mein [Roland]! Oh wisse, daß auch ich Dich so herzinnig lieben muß! Du!!! Und wenn ich auch nicht so liebe Briefe schreiben kann wie Du, mein Lieb! Meine ganze Liebe und Hingabe sollst Du darinnen erkennen! Und den heißen Drang hin zu Dir! Du bist mein Ein und Alles! Mein Sonnenschein! Geliebter! Oh Du! Wie kannst Du mich beglücken und liebhaben! Weißt du denn noch, wie ich Dich wieder liebhaben kann?

Oh Du weißt es vielleicht nimmer! Du mußt recht bald wieder einmal kommen, Geliebter! Daß ich Dir es sage! Du!!! Sage? Oh Du! Ich sage Dir’s nicht nur allein! Du weißt es! Ach und so kommt mir doch nur von Dir allein wieder alles Lebens Sonnenschein!

Wenn alles dunkel und trübe ist, Deine Liebe, Dein geliebtes Wesen erhellt mein Herz und läßt es selig klingen und schwingen. Wunder der Liebe! An uns ist es offenbar geworden, mein [Roland]! Nie kann es ein Leben für mich geben ohne Dich!

Du!!!!!! !!!!!! Ach, bei Dir ist alles Frohsein, alles Gelöstsein. Ist Heimat, bei Dir kann ich so ganz sein wie ich bin, frei und froh. Und voll Liebe überströmend! Du nimmst mich an Dein Herz! Ich darf ganz Dein Eigen sein, Dein liebes Weib!

Oh Herzelein! Mein!!! Ahnst Du denn, welch Glück mir das ist?!!! Wie Du mich gefangen hältst und so ganz gebannt, so hätte es kein andres Mannerli im Leben vermocht. Nein. Weil ich nur ich liebe, liebte von Anbeginn! Und nur Du hast den Schüssel zu meinem Herzen und Wesen.

Nur Dir erschließt sich Dein Blümelein! Geliebter!! Oh mein Geliebter!!! Mein!!!!! Ach, und so eigensinnig, wie ich trotz aller Umgebung, die ganz anders gesinnt war als ich, an Dir festhielt, so halte ich heute noch an Dir fest. Damals glaubte ich an Dich, liebte ich Dich ohne jedes Versprechen, ohne eine Hoffnung von Deiner Seite.

Und heute?

Habe ich Dein Herz, Deine Liebe! Heute habe ich Dich so ganz!

Und nur tiefer und inniger gehören Dir mein Herz und ganzes Leben! Mein [Roland]! Und ich weiß, ich hab einen [Nordhoff]buben an meiner Seite, die halten treu am Guten, Lieben, an der Heimat! Und ich glaub mein [Roland] am meisten und eigensinnigsten! Du!! Oh - nichts kann uns trennen als der Tod!

Gott aber wird uns das Leben schenken! Uns beiden! Glaube mit mir felsenfest daran, mein Geliebter!

Gott segne Dich und behüte Dich, er lasse dich gesund heimkehren!

Ich harre Dein! In Liebe und unverbrüchlicher Treue! Deine glückliche [Hilde]. Du mein Ein und Alles!!!

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Kommentare

drew.bergerson

Di., 11.04.2023 - 20:16

Erich Raeder war seit Kriegsbeginn mit Kritik konfrontiert, da er in der marinen Kriegsführung vor allem auf schwere Schlachtschiffe im Kampf gegen Großbritannien setzte; Karl Dönitz jedoch war der Überzeugung, das man eher auf U-Boote und kleinere Schiffe setzen sollte (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Erich_Raeder).  Erwin Rommel wurde durch Hans-Jürgen von Arnim ersetzt (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Heeresgruppe_Afrika).

Siegfried und Hellmuth sind Rolands Brüder, Elfriede die Frau von Hellmuth. Bei "Sperre" ist "Urlaubssperre" gemeint.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946