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[OBF-430206-002-01]
Briefkorpus

106. Sonnabend, am 6. Februar 1943.

Geliebtes Herzelein! Mein Geliebter [Roland]! Du!!!!!

Nun komme ich doch zu Dir! Schätzeli! Bin soweit fertig mit meiner Arbeit. Nachher will ich nochmal zum Milchmann und in die Stadt nach Stoff für Vaters Oberhemd, das wir ausbessern wollen. Anschließend will ich noch einen Sonntagskuchen backen. Das ist mein Programm in der einen Richtung.

Eigentlich hatte ich noch vor, etliche Schreibschulden zu tilgen: die Eltern, Elfriede, Siegfried. Außerdem muß ich an alle Eltern meiner kleinsten ein paar Worte richten, wegen der Verlegung der Scharstunden, damit das in Ordnung kommt, denn die kleinen vergessen die Zeit noch.

Und es soll auch so für die Eltern gleich klar sein, weshalb die Änderungen. Ich verfasse das Schreiben kurz, pause gleich durch und schicke es per Drucksache weg. Es ist auch eine Arbeit von 1-2 Stunden. heute Abend sind wir bei der Familie N. eingeladen.

Ich soll auch mitkommen. Viel Lust hab ich zwar nicht, aber ich mag nicht unhöflich erscheinen. Ich werd doch wieder Dein Strickstrümpel mitnehmen. Du! Ich lerne eben bei Mutsch das Ferse= und Fußstricken!! Es ist nicht schwer, nur muß es einem ordentlich erklärt werden, von alleine kapiert mans nicht. Sei darum recht froh, Mannerli! Denn Du wärest sonst dazu [* = ein langen Gedankenstrich wurde am rechten Rand geschrieben, siehe Briefausschnitt] verurteilt gewesen, mit einer Länge zu laufen, die unten zugezogen ist, an der Spitze. Mir hätten ja nur Deine armen Zehen leid getan, die sich dabei nicht wohlgefühlt hätten!

Die gute Mutsch lernte mir so manches!

Auch so manches, woran eben mein zukünftiges Mannerli [* = ein "X" wurde am linken Rand geschrieben, siehe Briefausschnitt] mal seine Freude haben kann. 

Ich will auch fein alles machen, damit ich unseren Mädchen das später auch alles einmal mit auf den Weg geben kann.

Herzelein! Ich habe heute wieder einen herrlichen Braten gehabt. Eine Kalbshaxe [* = das x ist in Sütterlin und obendrüber in Modern, siehe Briefausschnitt] und ein Stück Schweinefleisch, das alles in Butter und Gänsefett gebraten und Beifuß darin, Du glaubst nicht, es schmeckte wie Gänsebraten!

Gestern gab es schon Gänseklein mit Nudeln! hm! haben wir geleckt! Die Eltern waren ganz hingerissen!

Ich soll Dir – bis Dir Mutsch selber noch schreibt - viel herzliche Grüße von den Eltern sagen und tausend Dank für die schöne Überraschung! Morgen gibts nun die Rückstände von dem, was wir in 2 Gläsern eingekocht haben, dazu Rotkohl und grüne Klöße.

Du Mannerli! Ich werde Dein denken und wünschen, daß wirs auch so gut geht wie uns!

Ob denn die Eltern in Kamenz auch schon ihr Päckel haben? Da wird auch frohe Überraschung sein!

Bist ein zu gutes Mannerli! Du!!!

Denke nur, Liebes! heute bekam ich doch auch eine [* = ein "X" wurde am linken Rand geschrieben, siehe Briefausschnitt] traurige Nachricht, mit Deinem lieben Boten zusammen.

Die gute Tante Marie in Lauscha ist am 3. Februar gestorben. Sie war kurz aber schwer krank, Onkel Karl schreibt es mir und den Eltern. Das tut mir so leid!

Ich habe ihr auf ihren letzten Brief noch garnicht geantwortet, wo sie so lieb schreibt und so voller Hoffnung ist auf den Frieden. Dich hat sie nie vergessen zu grüßen und Dir immer alles Gute gewünscht für die Zukunft.

Nun ist die Tante Gretchen allein, sie hat sie gepflegt bis zuletzt, so denke ich, denn von deinen Eltern weiß ich, daß sie bei ihr weilte. Vielleicht ist es eine Erbsünde gewesen für sie, daß Gott sie zu sich nahm; denn sie hätte ihre volle Gesundheit nie wieder erreicht in dem Alter.

Es ist dann wie beim Uhrwerk, wenn es einmal abgelaufen ist, dann ist es aus. Sehr vertraut waren wir nicht miteinander, aber haben doch ab und zu in Herzlichkeit aneinander gedacht. Ich hatte sie gerne, so wie sie nun war. Und ich vergesse ihr nicht, wie sie so mit Liebe für uns beide die schöne Decke stickte.

Sie war ein guter Mensch. Daß sie so in Einsamkeit leben mußte auf ihren Lebensabend, das hat mir immer ein wenig leid getan. Wenn sie mal nicht so recht konnte, was doch in dem Alter oft vorkommt, dann war sie nur auf Freunde angewiesen. Und jeder Mensch hat dann seine Eigenarten und sie hat es gewiß auch nicht leicht gehabt mit denen, die sie bitten mußte. [A]ch, es ist schon eine rechte Erlösung, wenn ein Mensch, wenn er hilflos und krank und einsam ist, in die Ewigkeit abgerufen wird.

Gott schenke ihr den Frieden.

Ich kann nun leider nicht mit zu ihrer Einäscherung fahren, die am 10. II. in Dresden Tolkewitz stattfindet. Ich bin zu angehängt jetzt und es ist ja auch so erschwert zu reisen. Wo sollte ich denn übernachten?

Sie werden es mir nicht übel nehmen! Ich will einen Brief schreibem. Die Geschwister Deines Vaters sind gewiß alle dort.

Ja, so schnell geht ein Leben zu Ende. Aber in diesem Falle nicht unerwartet und nicht so grausam hart, wie die armen Soldaten draußen enden müssen.

Oh Gott im Himmel! Laß uns unser Leben erst in Gemeinschaft gehen, ehe du uns abrufst ein dein Reich!

Laß mir mein Liebstes heimkehren aus diesem Krieg!

Meine einzige Bitte ist es, Gott im Himmel! Leben!!

Mit meinem [Roland] leben dürfen, dir zu Lob und Dank. Segne du unseren Bund! Schenke uns Gnade!

Amen.

Ach, mein [Roland]! Es ist fürchterlich, wenn man daran denkt, daß jetzt, mitten in einer so harten und entscheidungsvollen Zeit eines abgerufen wird.

Und am traurigsten und härtesten ist es, wenn ein Ehepaar auseinandergerissen wird. Einer steht dann [a]llein. So ganz allein, ausgesetzt der Willkür andrer. Ach Geliebter! Nur das einmal nicht erleben müssen!

Wenn nichts zurück bleibt von dem geliebten Gefährten, als die Erinnerung an die Freude auf kommende Erfüllung. Kein Heim ist da, was etwas Bleibendes gibt, kein Kind, daß die Liebe ganz lebendig weiterlebe, ganz auch die Pflicht, dieses Leben trotz allem weiterzuführen um des Pfandes willen, des sichtbarsten Pfandes einer großen innigen Liebe! Ein Kind. – Oh Geliebter!

[D]as muß grausam sein, wenn man plötzlich so ganz mit leeren Händen in dieser herzlosen Welt steht. [* = ein "X" wurde am linken Rand geschrieben, siehe Briefausschnitt]

Oh Gott! Nur das nicht!

Ich könnte nie mehr froh sein. Ich möchte nicht mehr leben.

Herzlieb! Oh mein Herzlieb! Du mußt mir ein Kindlein schenken! Du mußt Dich mir ganz schenken, daß ich Dich ganz in mich aufnehme – oh so ganz!

Ich will Dich ganz durchdringen mit meinem Willen.

Mit meiner Liebe! Du mußt mir gehören bis in alle Ewigkeit! Du sollst in unserem Kindlein mir weiterleben, und auch ich will Dir ein Kindlein weiterleben, wenn Gott beschlossen hat, daß einst von uns beiden eines eher diese Welt verlassen soll.

Ach Herzelein! Was sind das für Gedanken! Ach Du!

Ich [* = ein "X" wurde am linken Rand geschrieben, siehe Briefausschnitt] weiß nicht wie es kommt. Manchmal wird mir so bang vor der Zukunft.

Ach, das schreckliche Rußland.

Stehe Gott uns bei! Hilf uns! Am[en!] Ach Herzelein! Manchmal denke ich, daß der ganzen Not und Ungewißheit jetzt die Tatsache ein Ende bereiten würde, wenn wir uns ein Kindlein wünschten.

[* = ein "X" wurde am linken Rand geschrieben, siehe Briefausschnitt] Und daneben steht die Frage auf, die das Pflichtgefühl an mich richtet: kannst du das verantworten, welche Zeiten jetzt so ein Kleines erwarten, wenns ins Leben tritt? Entbehrung Aufregung, ach – vieles mehr.

Ist das feige, wenn man so viel bedenkt und nicht das froh wagt, was zwei glücklich Liebenden das ganze Dasein erhöht und des Lebens Sinn [sic] verkörpert? Ein Kindlein, aus Liebe geboren. Kein Notkindlein sollte es sein.

Oh Geliebter! Im Herzen sind wir doch ganz eins! Du!!

Gott wird es richten nach seinem Willen. Und ihm wollen wir uns beugen. Was Gott tut, das ist wohlgetan.

Geliebter! Du mußt ganz zu mir kommen! In aller Liebe! In aller Hingabe und heißer Sehnsucht! Oh Du!!!!!

Und ich will Dich empfangen! Sehnsüchtig, wie ich Dich erwarte! Geliebter! Weit offen das Herz, daß Deine Liebe sich darin ergieße! Lebensendend, erfüllend! Du!!!

Oh, Herzelein! Spürst Du es wohl, wie heiß ich mich nach Dir sehne? Wie inbrünstig ich nach Dir verlange? Wie mein Herz bebt in Ungeduld und Sehnsucht und Verlangen! Sich ganz eng an Dein Herz zu schmiegen! Geliebter!!

So ganz eins mit Dir zu sein! Sich Dir in heißer Liebe zu vermählen!

Oh Geliebter! Ich liebe Dich unendlich!

Und in diesen Tagen verlangt es mich so sehr nach Dir! Du!!! Oh, wenn Du mir nahe sein könntest, Geliebter! Mein!

Ich mußte mit Dir nach dem Brünnlein gehen, bis in die Tiefe, auf den Grund wollt ich mit Dir gehen! Geliebter mein! Du kommst jede Nacht im Traum zu mir seit einigen Tagen. Nicht immer träume ich vom Süßesten! Du! Aber ich sehe Dich.

Ich fühle, daß Du da bist. Mir nahe. Und das ist so schön! So viel Glück bedeuten mir solche Träume! Geliebter!

Ach Du! Meine Liebe zu Dir ist grenzenlos.

Du!!!!! Herzelein! Geliebter! Fühlst Du meine Liebe? !!! Du! Mein Herzlieb! Du kommst so, sooo lieb in Deinen Boten zu mir, ach, es kommen mir doch die Tränen vor Glück und Freude. Es ist, als würde mir die Brust [zu] eng, so weit auf tut sich mein sehnendes Herz, Dich, Geliebter, zu empfangen. Oh Du!

Wie liebe ich Dich!

Und wie liebst Du mich! Es ist wie ein Märchen.

Herzelein! Du! Mein Glücksprinz, ich Deine Prinzessin. Du mein Herzgemahl! Mein Einziggeliebter! Du!!! Du!!! Mein Herzelein! Niemand kann uns unsre Liebe nehmen! Niemand! Kein Gesetz, keine Verordnung! Keine Macht der Erde.

Das Herz ist frei! Die Gedanken sind frei!

Und bleiben es für immer, vor fremden Zugriff.

Wir halten ganz fest an unserer Liebe! Du!

Ich lasse Dich nie, nimmermehr! Und Du, mein Lieb, Du hältst mich auch ganz fest! Und das ist unser ganzer Trost und unsere ganze Freude in diesen unrühvollen Tagen.

Komme, was kommen mag: ich bin Dein! Ich liebe Dich! Goldherzelein! Und Du liebst mich!

Ein Weg führt von Herz zu Herzen, der die größte Ferne überbrückt, der alle Mauern durchdringt. Ein Weg ist, der sich durch nichts, nichts verbauen läßt!

Liebe und Sehnsucht, die kennen kein Hindernis.

Die finden ihr Ziel! Geliebter! Dein Herz!

Oh laß uns immer wachsam sein! Daß nie eines den Weg sich [* = ein "X" wurde am linken Rand geschrieben] versperren lasse! Mein [Roland]! Wie denke ich voll heißer inniger Liebe an Dich! Du mein Ein und Alles!

Dich trage ich im Herzen, bis es nicht mehr schlägt!

Du! Ich liebe Dich! Ich halte Dich ganz, fest!

Gott behüte Dich mir! In ewiger Liebe und Treue bin ich ganz Deine [Hilde].

Dein Weib, Dir in Treue und Liebe verbunden. Du!!!!!

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Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.430206-002-01a.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946