Bitte warten...

[OBF-430210-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 10. Februar 1943

Liebstes, treuestes Weib! Meine [Hilde], Du! Mein Alles!

Ach Du! Du!!! Geliebte mein! Wie kommst Du heute so lieb, sooo lieb zu mir! Und sehnst Dich nach mir! Und suchst mich – und meine Nähe! Oh Du! Geliebte mein! Möchtest Du mich immer ganz nah mir gefühlt haben und fühlen in diesen ruhlosen Tagen, voll Erregung und Nervosität. Oh Du, Geliebte mein! Magst immer an Deinen [Roland] denken, der mit Dir fühlt und zu Dir steht und mit Dir eines Herzens, eines Sinnes ist - der mit Dir geht den gleichen Weg! Oh Herzelein! Und laß uns in solchen Stunden Gott nicht vergessen – seine Gnade, seine Liebe, seine Verheißung. Ach Du! Wenn Du unruhig bist und meinen Schutz brauchst, dann werde ich ganze ruhig – ja Du, so wundersam ist die Liebe! Und Du wirst ganz stark, wenn das Mannerli einmal schwach werden will – weißt Du noch? Oh Geliebte! Ach Herzlieb mein! Nun erkenne ich in Deinen lieben Boten vom Freitag und Sonnabend, warum es in mir rang – daß unsre Herzen wieder ganz zusammengeschlagen haben – oh Geliebte! Daß wir einander auch in der Liebe begegnet sind. Das Mannerli will doch ganz stark sein und bleiben – und am Sonnabend, da war ich mein doch nicht mehr mächtig – da hab ich Dich müssen ganz lieb haben – Du! Du!!! Ich wollte es Dir nicht schreiben, weil ich mir böse darum war – aber nun muß ich es Dir doch bekennen! Ach Du! Du!!! Geliebte mein! Meine Sehnsucht Du! Mein liebes, liebes Weib!!!

Ach Du! So sind wir doch ganz verbunden auch über die Ferne!

Ach Du! Geliebte mein! Du! Du!!! Herzelein! Du hast mein ja immer sooo lieb gedacht! Hast an meinen Wunsch auch immer gedacht – ganz entschlossen, ganz entschieden, ganz Dein Wunsch auch!

Ach Du! Geliebte mein! Du hast mich ganz verstanden! Du verstehst mich ganz! Und das macht mich sooo froh und glücklich!

Ach, das macht mich auch getrost und ruhig! Du wirst auch einen Weg finden zu unsres Wunsches Erfüllung.

Ach Du! Nach dem einen Briefe habe ich doch noch einmal an Deiner Entschlossenheit und Entschiedenheit gezweifelt – und Du wirst das begreifen.

Hast auch mit den Pfarrersleuten darüber gesprochen, – um Dir eine Gewißheit zu holen? –

Ach Geliebte! Ich habe Dir nun alles gesagt dazu! Du kannst mich nicht mißverstehen. Ich will Dich von keiner Deiner Pflichten abhalten.

Aber so, wie Du selber, lange ich in dem chaotischen Durcheinander nach dem Einzigen, dem Liebsten – ich habe nur Dich! – um es ganz fest zu halten! Andere mögen mehr besitzen, oder mögen überhaupt kein Einziges und Liebstes haben, das sie verlieren können – mein Einziges und Liebstes bist Du! Und das muß ich festhalten! Ganz lieb festhalten – ich kann nicht anders. Oh Du! Geliebte mein!

Wenn ich Dich lassen soll, dann mag alles in Grund und Boden gehn! Gott verzeih mir diese frevle Rede!

Ach Du! Geliebte mein!

Und es mag die Rede der Pfarrersleute Dich bestärkt haben.

Herzelein!

Magst dem Empfinden Deines Mannerli darin auch ganz vertrauen. Oh Herzelein! Das erlebst Du ja an Dir selbst auch: nichts macht uns so feinfühlend wie die Liebe!

Oh Geliebte! Nichts kann uns sooo selig machen als solch heißen und feinsten Fühlens Einklang! Und nichts unglücklicher als der Mißklang!

Herzallerliebste mein! Und darin hast Du Dein Mannerli nicht mißverstanden: Wenn Dir kein Ausweg blieb — ich trag es mit Dir! Und vertraue Dir! Und halt Dich fest!!! Ach, noch härter und ernster wäre ich geworden – und doppelt mit Dir auf der Wacht! – Oh Du, Geliebte Mein!

Wie es daheim bestellt ist, wir erkennen es recht gut aus der Ferne auch. Und registrieren zuerst die Nervosität, die selbst die regierenden Stellen erfaßt hat – wieder überrascht worden? „Von der Biskaya bis zum Nordkap stehen wir –"

Ja, stehen wir – und nun müßten wir den Frieden diktieren können. Ja, stehen bleiben müssen wir überall, wenn nicht alles wieder verloren gehen soll, und vorwärts kämpfen müssen wir, wenn dieser Krieg überhaupt siegreich beendet werden soll. Ungeheuer schwer will uns das im Augenblicke erscheinen.

Und Kraft zu diesem Kampfe können wir nur fassen im Gedanken daran, daß wir das Liebste verteidigen, daß wir das Liebste halten wollen.

Oh Du! Geliebte mein! Das weißt Du: Wie es auch kommt, bis zum letzten Atemzuge bin ich Dein! Ach, ich mein jetzt nicht das Treusein – das bedarf ja gar keines Wortes mehr – bin bei Dir mit all meiner Herzenskraft Dir zu Trost, Hilfe und Hoffnung – bin nur für Dich da!

Und Gott wird mit uns sein! Geliebte! Wir lassen ihn nicht – er segne uns denn – zu Leben oder Sterben! Wir glauben es: er führt, er regiert, es erkennt uns, sein Wille geschieht! Oh Du! Sein Wille geschah, als wir zueinander fanden! Ein Paar sind wir auch vor ihm! Ja, ein Paar. auch vor ihm!

Ach Herzelein, ich denke an Dich: Er wird Dich nicht allein lassen – ach Gott, Du, im Himmel, das kannst Du nicht wollen! – wie könnte sonst mein Herze so in Liebe entbrennen, mit Dir zu gehen, Dich in meinen Schutz zu nehmen? Wie könnte ich diese Sorge sonst so froh und verpflichtend auf mir fühlen? Oh Du! Geliebte mein! Reiche Gnade ward uns zuteil. Wir sollen nicht fragen und grübeln – wir sollen uns beschenken lassen von Gott – wir sollen glauben und demütig und gehorsam ihm folgen! Gottes Kinder.

Ach, tausend Fragen wollen uns kommen, wenn wir um uns das Herzeleid sehen – oh Herzelein! und im Blick auf die Welt, auf den Ewigen, ist dieser Krieg doch ein Gericht – ein furchtbares Weltgericht. Kaum, daß der erste Weltkrieg die Welt erzittern ließ, nun schon wieder ein solcher weltumspannender Krieg. Das ist im kleinen Sache eine Deutsche Sache, im großen aber ein Weltgericht. Das ist groß gesehen Gericht über Völker, und klein gesehen Gericht der Einzelmenschen.

Und all das von Gott? Auch das schwerste Herzeleid? Wir können nicht anders glauben.

Oh Du! Meine liebe [Hilde]! Dieser Glaube kann mich zu manchen Stunden ganz ruhig und getrost machen – Gott wird es wohl machen!

Ob dieser Glaube sich wohl auch in schweren Stunden bewähren würde?

Ach Du! Das Mannerli muß lange selber ringen – zäh und eigenwillig, ehe es sich ergibt.

Ach Du! Geliebte mein! Auch die trübsten Gedanken huschen in diesen Tägen manchmal vorüber. Du! Du!!! Geliebte mein! Gott wird Dich nicht allein lassen! Er wird wenigstens ein Kindlein uns schenken, damit Du nicht allein bist.

Oh Herzelein! Wenn ich daran denke, will mir ganz ruhig werden. Gott wird helfen! Gott wird uns helfen! Ob er uns nun das Sterben leicht macht – ob er uns ein Kindlein schenkt – oder ob er uns einander in Liebe leben läßt - oh Du! Das fühle ich mit froher Gewißheit: das steht bei Gott! Er wird mit uns gehen und uns helfen wie bisher! Gott ist und bleibt getreu!

Herzelein! Mein Leben schaue ich ganz in Gottes Hand – mein Schicksal – und es bedenkend, will großer Dank sich erheben! Gott ist gütig! Und wo es uns in gößte Not führt – da ist er mit seiner Hilfe am nächsten. Herzelein! Und er wird uns auch das Kindlein schenken zur rechten Zeit. Ach Du! Bislang waren in uns selber immer noch Widerstände – Du! Die Geburt der Kindleins ist das größte und auch kleinste Wunder – so klein, daß es uns gar als Zufall erscheinen möchte – aber wir können es doch nur als Gottes Geschenk nehmen.

Herzelein!

Bei Gott steht die rechte Stunde. Wir sind doch ganz bereit.

Ja, Geliebte! Gottes Willen befehlen wir es an. Mit Raten und Sorgen kommen wir nicht zu Ende – das können wir Menschen nicht mehr übersehen – nun erst recht nicht!

Gott kann es sooo gut meinen, wenn er es uns jetzt versagt - und es kann es sooo gut meinen, wenn er es uns schenkt.

Ja, Herzelein! So denkt Dein Mannerli! Ist ganz bereit – oh Du! Nichts hemmt mich mehr, Dich ganz lieb zu haben – Dir alles zu schenken! Nichts hemmt mich mehr. Oh Du, Geliebte! Noch nie habe ich es soo heiß in mir gefühlt, Dich ganz mir zu Eigen zu machen! Oh Du! Dich ganz frei zu machen – und glücklich!

Oh Du, Geliebte mein! Ganz nahe Dir immer zu sein – wie im Kindlein so nahe!

Herzelein! Oh Du! Wenn wir erst einander wiederhaben – Du!!! Dann stehen wir unter der Entscheidung Gottes!

Oh Herzelein! Immer stehen wir unter ihm! Bedenk es froh mit mir! Immer standen wir unter ihm – immer stehen wir unter ihm!!!

Bedenke den Weg unsrer Liebe! wie diese Liebe schicksalhaft schwer, tief uns wandelnd, unser ganzes Leben wendend, mit uns geht. Wie sie sichicksalhaft uns bestimmt und beherrscht: wie sie uns überall nur eine Entscheidung, einen Weg offen läßt.

Oh Geliebte! Wie sie unser Herze erhellt! Wie sie uns Kraft schenkt.

Herzelein! Ich glaube an dieses Schicksal! Ich gehe in ihm – ja, gehe mit Dir froh und getrost!

Und so lange ich auf diese Liebe hoffen und warten mußte – so muß ich Dich jetzt liebhaben, so muß diese Liebe mich jetzt leidenschaftlich durchglühen und bestimmen.

Geliebte Du! Ich glaube, daß Gott uns diese Liebe schenkt für unser Leben! Daß sie nicht wie ein Komet aufleuchtend davonfährt – sondern daß uns mit ihr unsres Lebens Aufgabe gestellt wird. Ich glaube, daß ich Dich behalten soll und Dir heimkehren. Aber das ist Gottes: Und Gottes ist, daß wir jetzt lieb fest bei der Hand nehmen sollen und miteinander tapfer ausschreiten. Und was dann ist, wird Gott uns erkennen lassen zur rechten Zeit, wenn wir ihm nur recht stille halten und ihn hören.

Oh, Du! Geliebte, Schicksal ist unsre Liebe! Sie bestimmt unser Handeln – unseren Weg. Und froh gehe ich diesen Weg mit Dir! Ich weiß keinen anderen Weg. Und das macht uns still und zuversichtlich. Herzelein! Die Liebe in uns ist übermächtig! Und wir können uns ihr nicht entziehen – wir müssen ihr schicksalhaft folgen! Und sei es in den Tod.

Oh Du, Gott im Himmel! Bleibe bei uns! Amen.

Herzelein! Heute ist nun die Tante Marie auf ihrem letzten Gang geleitet worden – ich erfahre es zuerst von Dir. Das erste von Vaters Geschwistern – das erste. Der erste harte Todesfall in der [Nordhoff]familie seit dem Tode der Großmutter, ich glaube im Jahre 1915.

Ja, das bedenkend, können wir auch von Gottes reicher Gnade sprechen. Vater und seinen Geschwistern wird es recht nahe gegangen sein – wen wird Gott dann rufen?

Die Tante Marie hat ein hartes Leben gehabt. Die beiden, Tante Gretchen und Tante Marie, müssen unter ihren 5 Brüdern etwas verloren sich vorgekommen sein. Sie werden mit ihren Mädchenseelen gewiß etwas zu kurz gekommen sein daheim, daß sie sich nicht recht haben entfalten können. Tante Marie war seelensgut [sic]. Und in dieser Gutheit und Weichheit ist sie daheim wahrscheinlich das Aschenbrödel gewesen – und niemand hat recht sich darum gekümmert, ihre Seele zu bilden, und dieser Gutheit Form zu geben. Und so ist sie immer ein wenig in den Winkel geschoben worden. Und so wie Tante Gretchen hat sie ihre Güte an würdige und unwürdige verschwendet – beseelt immer von dem Drange, Gutes zu tun, etwas recht lieb ans Herz zu schließen.

Ach Herzelein! Ist es nicht rührend, ist es nicht herzenslieb, wie sie da zu unsrer Hochzeit sich aufgemacht hat? Die lange Reise – und schlecht zu Fuß – war sie nicht auch gestürzt? Nur um dabei zu sein – um teilzunehmen. Zu spät kam sie nun noch.

Gott wird ihr Herz schauen! Ihr wird geschehen, wie sie geglaubt hat. Er schenke ihrer Seele Frieden!

Oh Du, Geliebte mein! Du hast mich so unendlich. lieb. Ja, ja, ich fühle er Du! Oh Geliebte! Ich darf gar nicht so ganz es ermessen, sonst wird die Sehnsucht übergroß. Du! Dein Mannerli will doch ganz brav sein – bis zum Urlaub – bis ich bei Dir bin – oh Geliebte! Weißt Du denn, wofür? Um Dich dann ganz sehr liebzuhaben –

Um bereitzustehen für Gottes Entscheidung – für unser Kindlein! Oh Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Ich liebe Dich doch auch so sehr – Du, oh Du!!! Du weißt es!

Oh, schenke uns Gott bald das erhoffte Wiedersehen.

Herzelein! Wenn nichts dazwischen kommt, dann kann ich vor Deinem Geburtstage bei Dir sein! Ganz zur rechten Zeit – Du!! Ach Geliebte! Geliebte! Du! Oh Du!!!

Behüt Dich Gott! Er sei mit Dir auf allen Wegen! Er schenke uns Kraft zu rechtem Ausharren.

Ich küsse Dich herzinnig, Du! mein liebes Weib!

Meine [Hilde], Du, Einziggeliebte, mein Alles, Du!!!

Ich bleibe in ewiger Liebe und Treue

Dein [Roland]

Dein glückliches Mannerli.

Ich sehn mich doch so nach Dir! Du!!!

Geliebte! Herzallerliebste mein!!!!!

Karte
Kommentare

drew.bergerson

Mi., 29.03.2023 - 17:04

In this letter, Roland seems to repeat the language of Nazi propaganda that the only way Germany can find peace is to "dictate" it on the world. He slips rhetorically from the necessity of maintaining control over all of occupied Europe to extending that control even further, even though he also recognizes that this task seems, by this point in the war, extremely difficult. Perhaps most telling is his comment that the fate of the world is being determined by what amounts essentially to be a German problem.

Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946