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[OBF-430222-002-01]
Briefkorpus

120.

Montagfrüh, am 22. Februar 1943.

Geliebter! Du!!! Mein Herzensmannerli! Allerliebster [Roland]!

Du! Der Sonntag gestern ging doch so verkehrt aus. [*] So verkehrt, daß ich Dir garnicht schreiben konnte, Du!! Ach, es hat mir ja sooo leid getan, Du bist doch gerade gestern zum Sonntag so lieb zu mir gekommen mein geliebtes Herze! Du hast mich sooo lieb umfangen! Ach, dafür danke ich Dir aus Herzensgrunde, Geliebter! Es war so rechter Sonntag für mich!

Du!!! Du!!!!!

Weil Papa zum Nachtdienst mußte schon gestern, war der Nachmittag nicht lang. Mit dem Mittagessen [*] war es schon 1 Uhr geworden – weil die Eltern drunten im Keller die Kartoffeln auslasen, sind so viel faule dabei – dementsprechend zog sich auch das Aufwaschen länger hinaus. Und dann schlief Vater bis um 4 Uhr unterdessen besserte ich mit Mutsch die gewaschene Wäsche aus, Mutsch plättete dann und ich schrieb an die [*] Frau F. einen Brief. Dann hatte ich noch etwas in meinen Kinderscharakten zu ordnen. Solang Papa noch da war, wollte ich nicht beginnen mit dem Brief an Dich. Die Mutsch und ich wollten schreiben an Dich, wenn wir allein waren. Ja, so wollten wir, aber die Tücke nicht.

Eben als Vater gehen wollte klingelte es und wer [*] kam? Frau G. mit ihrer Trudi!

Du weißt ja wie ich, daß die beiden lange Sitzfleisch haben! Denn sie sind ja allein zuhaus miteinander, es wartet niemand. Frau G. war ganz durcheinander, weil sie schon reichlich 14 Tage nichts von ihrem Manne gehört hat. Und Trudi hat es schwer mit ihr. Sie ist krankhaft nervös. [*]   Deshalb sucht sie sie abzulenken und geht mit ihr, so oft sie nur kann, aus, daß sie andre Bilder sieht.

Ach ja, es ist auch verständlich, daß man aus der Sorge nicht herauskommt.

Mir würde es genau so ergehen, hart würde es mich treffen, wenn ich so lang keine Post hätte; ich bin so verwöhnt worden immer. Wir wollen es nicht hoffen, daß wir solche Zeiten auch noch durchmachen müssen. [*]  Herr G. muß um oder in Krassnodar [sic] liegen. Und er hat im letzten Briefe geschrieben, daß er nur noch Luftpost schreiben könne. Auch würde von Zuhaus nur Luftpost befördert. Und nun läßt sich Frau G. nicht ausreden, daß das ganz harmlose Gründe haben kann. Sie behauptet, er sei eben schon mit eingeschlossen. Man weiß es nicht.

Es wäre natürlich furchtbar.

Schau Dir mal die Lage auf der Karte an, möglich kann es schon sein.

Ach, es ist ein Elend über die Menschheit hereingebrochen.

Möge der Herrgott sich erbarmen!

Hier bei uns sind wir wenigstens bisher von den schlimmen Terrorangriffen der Engländer verschont geblieben. [*] Es sind aber Sonnabend, auch Freitag Aufklärer dagewesen. Ich habe am Sonnabend gemeint, es sei eine Sprengung im Gange gewesen, hinten im Steinbruch. Dabei hat die Chemnitzer Flak geschossen.

Trudi wußte es genau zu sagen von beiden Tagen, sie hat es auf dem Amt bestätigt gefunden.

Nun kanns schon mal passieren, daß wir Besuch bekommen. Mich wundert schon, daß die hellen Vollmondnächte nicht besser genützt worden sind.

Wir hier herausen [sic] bleiben vielleicht mehr links liegen, ich mein, sind vielleicht weniger betroffen davon. Aber man kann nie wissen. [*] Und wie gut ist es, daß ich zuhaus bin, denn wie du schon ganz recht daran auch denkst mit Sorge: die Mutsch hört schwer, sie würde den Alarm verpassen. Das kann unausdenkbare Folgen haben. Ach Herzelein! Ich bitt Dich, mach Dir gar keine unnützen Sorgen, ich bin zuhaus und bin wachsam! Und wir wollen festen Vertrauens sein, denn überall sind wir in Gottes Schutz. G.s sind erst in der 11ten Stunde heim! Sie hat sich einmal richtig Luft gemacht, erleichtert.

Es war ein ganz netter Abend, gewiß und so ganz ungenützt ließ ich ihn auch nicht verstreichen; denn ich habe fleißig gestrickt für mein Mannerli. Aber ich wollte Dir doch sooo gerne noch viel näher sein, mein Geliebter! Und auch Mutsch wollte an Dich schreiben! Von ihr viele liebe Grüße und sie läßt bestellen, daß du Dich noch ein wenig gedulden [*] möchtest!

Auch G.s lassen herzlichst grüßen!

Mein Herzelein, die Uhr zeigt jetzt erst ½ 8 Uhr, ich brauche schon kein Licht mehr! Draußen bricht ein herrlicher Sonnentag an, blau der Himmel! Reif liegt auf den Dächern. Die Spatzen vollführen schon ein Konzert und die Amseln schimpfen dazwischen. Lustig hört sichs an und es will einen garnicht leiden im Stübel.

Aber ich bleibe jetzt noch ein Weilchen bei Dir! Du!!! Bin doch so froh, daß ich endlich mal mit Dir alleine bin, Du liebes liebes, süßes Mannerli!

Oh, ich hab Dich sooo, lieb! Ganz lieb und innig fest umschlingen möchte ich Dich doch jetzt, Du mein Sonnenschein! Mein Glück! Bist doch mein Ein und Alles, Du!!! Du!!! Geliebter!! Ach Du! Weiß garnicht, wo ich zuerst beginnen soll mit der Antwort auf Deine lieben Boten. Ach, Du bist zu lieb zu mir gekommen, mein Herzelein!! 

Das Allerschönste und Allerliebste ist neben dem, daß Du mir sagst, wie so lieb Du mich hast - ist doch der Urlaub! Ja Geliebter! Das ist die heimliche große Freude auf den Urlaub!!! Auf unser Wiedersehen! Auf Dein Kommen! Mein Herzenslieb! Du weißt ja nicht, wie ich mich freue und wie glücklich ich bin, wenn ich daran denke, daß ich Dich so bald schon wieder in meinen Armen halten darf! So bald wird es schon sein! Aber ach, für meine Ungeduld auch so lang ist es noch hin!

Du!!! Du!!! Geliebter! Wenn es möglich wäre, ich hätte Dich doch schon längst einmal aufgesucht!

Glaubst Du mir wohl, daß ich freiwillig so lang auf Dich warten würde, wenn die Möglichkeit bestünde, zu Dir zu kommen?

Ach Du!!! Du weißt es doch! Und Du könntest ja nicht anders, als Dir Flügel nehmen und zu mir eilen!

Sooooooooooooo lieben wir einander. Mein Herzensmannerli, Du! Ich bin ja sooo glücklich! Du! Ich habe doch den Kalender kaum noch beiseitegelegt, seit ich nun aus Deinem lieben Dienstagbrief erfahre, wie es steht um den Urlaub.

Am 16. war es, da kam der Feldwebel zurück und Ob.Gefreiter M. fuhr los.

Der wird in der 2. Märzwoche wiederkommen, anschließend wird also Heinrich fahren und wird in den ersten Apriltagen wiederkommen.

Und dann – dann soll mein Herzenschätzelein an der Reihe sein?!!!

Oh gebe Gott, daß sich unser Wünschen erfülle!

Du! Herzelein! So fein hast Du doch alles ausgrechnet, und es wäre so schade, wenn es sich noch einmal sehr ändern würde.

Bis spätestens 11. April willst Du bei mir sein! Du!! Geliebter! Wie freu ich mich! Wie freu ich mich!

Ganz sehr freue ich mich doch! Ach es ist nicht zum sagen. Du!!! Am 11. April spätestens, zu Mutters Geburtstag! Es kann aber auch eher sein, gelt?

Ach Du! Nun zähle ich doch wieder ganz eifrig! Du!!!!! Geliebter! Du! Es sind ja nicht einmal mehr 50 Tage bis zum 11. April! Und wenn Dich mein Bote erreicht, dann sind es nur noch weniger!!! Und sind ja nur noch 6 Sonntage, die wir allein sein müssen! Nur noch 6 Sonntage, hörst Du?! Oh! Wie bald das schon ist! Und bis dahin ist schon richtig Frühling! Bestimmt!! Mit Maikätzchen und Krokussen und Märzbechern!

Es ist ja schon jetzt so warm in der Sonne!

Oh Du!

Wie freu ich mich auf Dich!!! Ganz unbeschreiblich sehr! Geliebter mein! Du!!!!! Und bis dahin muß ich nur noch zweimal krank werden! Du!!! Ob ich dann überhaupt nicht mehr krank werde? Geliebter! Geliebter! Ich würde mich ja sooo sehr freuen! Unser Liebstes sollte es sein! Unser Bestes! Und Du willst es mir schenken!

Du willst es mir schenken! Herzelein! Ich danke Dir!

Ich weiß, daß Du mich über alles liebst. Gott wird es segnen! Seinem Willen sind wir untertan. -

Ach Du! Ich mußte doch gestern auch G.s von meiner Freude sagen auf Dein Kommen! Sie freuen sich mit mir! Und sie wünschen, daß sich unser Wiedersehen nicht verschiebt, weil auch sie fürchten, daß nach dem Sommer hin dann überall Sperre eintreten kann, der totalen Kriegführung im Osten halber.

Wir wissen nichts. Können nur ahnen. Ach Du! Wenn Du nur nicht von so einer Urlaubssperre gehindert wirst heimzukommen, Herzelein!

Aber wir wollen unserm guten Stern vertrauen, wir haben mit dem Urlaub noch immer Glück gehabt! Du!!!

Und noch eine freudige Meldung mußt Du mir machen mein Lieb!

Es gibt 22 + 2 Tage Urlaub!

Oh Du!!!!

Das und 4 Tage – 26 Stunden länger als vorher! Du!!! Da können wir noch soooviel Glück einfangen und Sonne, in diesen zusätzlichen Tagen! Und das tun wir ja auch! Oh Herzelein! Unser Herz, unsere Seele, oh alles in uns ist gerüstet auf dieses Wiedersehen! Alles ist bereit, den Geliebten tief, ganz tief aufzunehmen im Herz! Herzallerliebster mein! Ich freu mich unsagbar auf Dich!!! Oh Du! Wie Du all meine Liebe annehmen kannst, so kann ich die Deine annehmen, weil letztes Vertrauen, letztes Schenken zwischen uns ist. Ohne Vorbehalt! Was mein ist ist auch Dein – was Dein ist, ist mein. Eines sind wir! Liebe um Liebe! Treue um Treue!

Oh Du! Mein Büberl, geliebtes! Du hältst meiner Liebe ganz still, ich will auch Dir ganz still halten – Du!!! Liebe ist Frage und Antwort, Schenken und Beschenktwerden. Oh Du! Das mußt Du mir doch garnicht erst sagen!!! Herzelein! Wir sind sooo glücklich! Du!!!!! Ach Du!!!!! Ja Geliebter! Wie Du dort in der Fremde so ganz in meiner Liebe gehst, in unsrer Liebe, die wir nimmer verlieren können, weil sie so heiß und tief im Herzen brennt, weil wir treu sein und glauben müssen!

Ach Du! Ebenso gehe ich so ganz in Deiner, unsrer Liebe, hier in der Heimat. Das, was zwischen uns lebt, das ist nie, nimmermehr auszulöschen! Unsre Liebe, wie sich [sic] sich immer tiefer ins Herze senkt! Wie sie immer neue Schätze und Kostbarkeiten uns erschließt. Oh ja, Geliebter! Und das, solange wir lieben, und das, solange wir leben! Du!!!

“Wer von mir trinkt, will immer mehr!” so raunt der Brunnen guter Liebe. Immer neu und immer inniger drängt es uns zueinander. Du!!! Geliebter!!!

Ach mein herzallerliebstes Schätzelein! Du mein Alles! Wir haben uns doch nun immer soo viel zu sagen immer und doch müssen wir immer wieder erst uns sagen, wie so lieb wir einander haben! [*] Ach Du!! Du!!!!! Tust Du es denn auch immer wieder gern? Ich muß es doch aus einem inneren Drange heraus - Dir wird es ebenso ergehen, Herzelein!

Du!!! Soviel hatte ich Dir jetzt noch zu sagen, vielleicht lauter närrisches, verliebtes Zeug! Ach Du!!! Weil ich Dich sooo liebe! Weil ich mich sooo freue! Aber jetzt muß ich mein Schätzelein erst mal verabschieden. Mußt doch ganz artig, mit den Gedanken bei der Arbeit sein! Und Dein Fraule muß jetzt auch!

Aber am Nachmittag, da komm ich wieder zu Dir! Du! Ganz rasch! Wenn ich wieder so schön allein bin wie jetzt, denn da komme ich am allerliebsten zu Dir! Und allein sein werd’ ich auch. Mutsch arbeitet, Papa schläft. Muß ich mich einrichten so, daß ich die meiste Zeit gewinne.

Jetzt muß ich auch mal Wege gehn, verschiedene Unterschriften bei den Eltern holen für die Kinderscharanmeldung. Denn morgen Nachmittag habe ich Dienst, morgens zu tun und abends ist die Geschäftsstunde im Rathaus. Die Scharberichte müssen auch geschrieben werden bis zum 26. II.

Mannerli! Schnell noch einen zärtlichen heimlichen Kuß! Ehe wir miteinander in die Amtsmiene schlüpfen!! Du!! Ach, im Herzen drin bist Du allezeit! Da muß ich Dich doch immer tragen und lieb geborgen wissen!

Geliebter! Du bist mein Glück! Mein Sonnenschein! Oh Du! Wie ich Dich liebe!!! Komme bald zu mir, daß ich Dirs sage, daß ich Dirs zeige, wie sooo lieb ich Dich habe! Du!!!

Gott sei mit Dir! Mit unserm Glück! Ich liebe Dich!

In Liebe und Treue bleibe ich Deine glückliche [Hilde]. Du! Mein!

 

[* = ein + an den linken Textrand gesetzt] 

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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946