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[OBF-430228-001-02]
Briefkorpus

Sonntag, den 28. Februar 1943

Liebstes, Herzallerliebstes mein! Meine geliebte [Hilde]!

Sonntag will ich nun noch mit Dir halten. Oh Herzelein! Da habe ich nun meinen ganzen Tag für mich – und habe trotzdem Drasch bis dahin, daß ich mich zu Dir setze. Zuletzt dauert mir dann alles zulange, das Essen, das Abräumen.

Ach Geliebte! Was könnte mich davon abhalten, nun mit Dir zu plaudern mit Dir liebste Zwiesprache zu halten? – oh Du! nichts – nichts! Bei Dir ist doch der liebste Ort – bei Dir ist doch letzte Erfüllung! Oh Herzelein! Ich muß bei Dir einkehren, sonst ist mein Herze ganz unruhig, und läßt sich auch nicht stillen von der buntesten Unterhaltung, der schönsten Musik – bei Dir sein, bei Dir sein! Oh Geliebte! Müßtest Dich jetzt gleich auf meinen Schoß setzen, daß ich Dich ganz bei mir fühle, die ganze süße Last – ach Du! will doch mein Liebstes auch wieder einmal ganz leibhaftig umfangen – ganz glücklich an mich drücken – mein Eigen ganz festhalten – und in Besitz nehmen – ganz leibhaftig – und Du willst doch nichts anderes – ja? Du! Du!!! oh, die Wünsche zweier Liebenden münden ganz in einen! Du!!! Herzelein! Mein liebes Weib!

Ja, nun will ich Dir erst berichten. Nach dem Mittagessen hat das Mannerli sich erst mal niedergelegt. Hat Deine lieben Boten mitgenommen – etwas nimmt es doch immer mit – Ein Stündchen habe ich so geschlafen - dann habe ich in Deinen Boten gelesen – hast mich sooo lieb, sooooo lieb immer – ach Du! jeden Tag – und Wochen, Monate - Jahre – immer gleich liebDu! Du!!! auch über die Ferne - so wie ich Dich liebhabeach Du! Du!!! Wie bin ich glücklich darum! Ganz tief glücklich! Geliebte mein!!!

Mannerli hat einen Schnupfen – und läuft mir das Nasel immer. Aber ausführen wollt ich ihn doch ein Stündchen. Grau und rauh ist es geblieben. So ging ich zu einem Ringel wieder stadtwärts. Unterwegs gesellte sich ein Kamerad zu mir – ein Bootsmaat, der Hausunteroffizier von unserem Dienstgebäude, dem Stabsgebäude. Ich wollte doch mit Dir allein gehen – konnte ihn aber auch nicht abschütteln. Er paßt nicht zu mir. Ich habe mir von seinen Dienstjahren erzählen lassen. Er ist schon im Weltkriege zur Marine gezogen worden. Ist dann an Bord des Kreuzers Goeben gefahren. Dieser Kreuzer befand sich bei Kriegsausbruch auf einer Weltreise. Er flüchtete vor den verfolgenden Feinden in türkischen Hafen. Dort ist der Kamerad auch an Bord gegangen. Nach einem Landaufenthalt im griechischen Hafen Xanthi ist er an Malaria erkrankt, daß er in ein Lazarett in Konstantinopel gebracht werden mußte. Bis 1933 hat er unter den Ruckfällen dieses Fiebers zu leiden gehabt. Wir sind denselben Weg gegangen wie neulich schon mit dem Kameraden von Norderney, also wieder zum Spital [unklar] mit seinem Volkstreiben. Noch vor 6 Uhr war ich daheim. Habe gleich mich nach der Post befragt - mein Herzlieb ist doch in meinen Sonntag gekommen - ganz lieb – Du! Ich dank Dir doch so sehr!

Herzelein! Nun war alles gut – nun war der Sonntag gekrönt, und übersonnt – durch Dich! Durch Dich!!! Über meinem Abendbrot besuchte mich noch der Postillion. Er unterhält sich manchmal mit mir. Er ist 42 Jahre alt, Vater von 5 kleinen Kindern – hat ein Gut im Riesengebirge, in 1000 m Höhe – 2 Pferde. Seine Frau behilft sich allein mit einem Polen und einer Finnin (!). Kurz nach Weihnachten kam das fünfte Kind.

H. selber ist nicht fest mit dem Herzen, und seit er seine Hochgebirgsluft hat verlassen müssen, stellen sich Beschwerden ein. Am linken Bein bis an den Oberschenkel hat er böse Krampfadern – mir würde himmelangst, wenn ich die hätte. Er hat sie sich so zugezogen: hat mit 16 Jahren schwere Lasten die Stiege hochtragen müssen.

Oh Schätzelein – was sind das für handgreifliche Sorgen! Sie zu tragen w sind wir viel zu empfindlich und feingliedrig. Wir haben dafür andere Sorgen, die anderen vielleicht nichtig erscheinen mögen.

Im Dienstagboten, der vorhin zu mir gekommen ist, berichtest mir wieder von unsrer Sache.

Ich freue mich ja mit Dir, daß alles so glücklich sich lösen will.

Der Ortsgruppenleiter ist also noch immer so vertrauensselig wie schon ehedem. Ich würde das nicht tun an seiner Stelle – er kommt nicht immer an einen Menschen wie mein Schätzelein, das ganz dicht halten kann. Aber dieses Beispiel mag Dir wieder einmal mehr sagen, daß Du Deine Pflicht mehr als genug erfüllst. Weißt, wenn dieses Fräulein mal mit herangezogen wird, das ist nur recht. Die hat ihre Freiheit gewiß schlecht genutzt.

Herzelein! Bist sooo lieb zu mir gekommen! Hast Dich freigemacht für mich – weil Du mich sooo liebhast! O Du! Wie freu ich mich – wie machst Du mich glücklich!!! Hast doch schon Deinen ganzen Nachmittag drangesetzt, daß Dir niemand Vorhaltungen machen kann. Bist ja auch noch Hausfrau! Nachmittag und Abend kann die nicht dransetzen!

Klagst darüber, daß die Post wieder einmal un regelmäßig geht. Ich habe doch auch am liebsten jeden Tag nur einen Boten, und bin immer bang, wenn einmal mehr gekommen ist. Ach Du! wir dürfen ja so froh sein, daß wir so täglich noch zueinander kommen dürfen.

Erzählst mir vom Herrn G.. Ich befürchte doch wie Du, daß dort Truppen eingeschlossen sind. Wie schlimm solche Sorge für eine kranke Frau! Arbeitet denn Gertrud G. wieder?

Mutter hat Frau F. im Thonberg aufgesucht. Sie ist ganz untröstlich. Auch Frau H. ist da gewesen. Lieb, daß Du ein paar Zeilen der Teilnahme geschrieben hast.

Die Feindflieger wüten wieder einmal daheim – Nürnberg, Köln, Wilhelmshaven. Hab [sic] mir jetzt einmal von einem Kameraden aus Duisburg erzählen lassen, wie das so hergeht Tag für Tag – dieser Krieg gegen Wehrlose ist doch fürchterlich. Was dürft Ihr daheim von großem Glück noch reden! Von großem Glück!

Dieser Krieg ist eine einzige große Schande! Und da spricht ein Philosoph noch von "der Moral des Krieges“ als einer gesunden, zukunftstragenden. Den sollte man mal dahinschicken und dortbehalten, damit er an seiner Moral genest.

Frühling ist’s schon daheim – frühlingshaft. Herzelein! Diesem Frühling begegnet der Bauer und der Kundige mit größtem Mißtrauen. Denn der Rückschlag bleibt nicht aus. Und was sich in solchen Vorfrühlingstagen ankündigt, das ist nicht von Bestand, das ist gleichsam ein falsches Versprechen. Wie manche junge Menschen große Hoffnungen ihren Lehrern und Meistern machen – und dann doch enttäuschen.

Und so auch leis erst freuen, Herzelein! auf den Urlaub, auf unser Wiedersehen – leis erst freuen.

Ach Du! Du!!! Wenn ich nur die Gewißheit verdienen könnte, ich zögerte doch keinen Augenblick! Urlaubssperre befürchte ich nicht. Aber andere Maßnahmen, Austausch und Personaleinschränkung liegen jetzt in der Luft. Vor mir wären da nun freilich noch ein paar jüngere dran. Sonst sind wir aber hier schon durchweg ältere Leute, ich habe jetzt mal eine Zusammenstellung gesehen. Ach Herzelein! Ich hoffe und warte doch ganz still und gespannt mit Dir – ich mag Dir Deine Hoffnungen auch nicht verkürzen – aber leis erst freuen! Ach Du! Du!!! Geliebte mein!!! Ich vertraue doch mit Dir unserem guten Stern. Da hatten wir nun gehofft, daß es mit dem Urlaub besser werden würde – immer schlechter ist es geworden – und viele, viele, die für immer vergeblich auf den Urlaub hofften – bitterhart ist das!

Ach Du! Unsre Liebe, unsre treue Liebe, wird uns helfen zum Ziel unsrer. Wir erstreben es ja beide mit heißem Herzen - wir lassen es nicht aus den Augen – ach Du! Wir sehnen es doch sooo heiß herbei – nur um einander wiederzuhaben. Die meisten haben ihre Freude noch an Haus und Hof und Garten, an den Kindern – unsre ganze Freude richtet sich allein auf das Wiederhaben – oh Du! Geliebte mein!!!

Nichts andres kann uns die Freude ersetzen – nichts kann uns abbringen von unserem heißen Wünschen!

Die so sich lieb und treu sind, müßten öfter Urlaub haben – Du! das wären gar nicht viele! Die Treue ist doch schon längst Ausnahme.

Und sie ist doch der Schlüssel zum tiefen Herzensglück!

Mag es nur ein kleiner Schritt sein zur Untreue – aber er ist doch so weittragend in seinen Folgen. – Wenige kleine Federn halten die Schwingen der Vögel; werden sie verletzt oder herausgezupft, dann hängt und lahmt der Flügel für immer - Verloren ist dann der Schlüssel – und ewig verschlossen bleibt der Freudensaal, die Schatzkammer des Glückes. Oh Geliebte! Wir müssen doch treu sein und glauben – bis an unser Ende! Und Gott wird uns dazu immer neue Kraft schenken.

Das Kalendermannerli läßt auf sich warten – hab es mir beinahe vermutet – habe am Dienstag doch noch sooo mich sehnen müssen nach Dir! Erst am Mittwoch ist es stiller geworden.

Verspäten darf es sich doch – früher kommen aber darf es nicht – sag’s ihm nur!

Ja, Herzelein! Ist doch der letzte Tag im Februar heute. Und immer mehr drängen die Tage nun zur Entscheidung in unserem Hoffen und Wünschen. Sonnabend über 8 Tage will Heinrich fahren. Morgen begibt er sich auf eine Dienstreise nach Galatz [unklar]. Ich habe erfahren, daß unser Feldwebel sich zu einem Kursus gemeldet hat – auch andere Veränderungen schweben, die auf den Urlaub von Einfluß sein können.

Herzlieb, es wird wieder wie schon immer – und wie war es schon immer? – ach Du! ein Fragen und Bangen bis zuletzt – und dann doch ein Gelingen – und ein tiefes Aufatmen – endlich mein – Dein!!! Oh Herzensschätzelein! Wann werden wir einander wieder ganz gewiß gehören? Daß niemand so über unsre liebste Freiheit gebieten kann? Wann werden wir unsre Kraft nicht mehr in überlangem Sehnen, und Warten verzehren müssen?

Laß uns still werden – ganz still und dankbar – weil Gott uns so gnädig war bisher – so gnädig – mir und Dir und unseren Lieben! Laß uns still werden und vertrauen – Gott ist und bleibt getreu – wenn wir es ihm nur bleiben. Er wird uns einander zuführen zur rechten Zeit – über 1000 Hindernisse und Widerstände auch!

Herzelein! Will Dir nun heute Gutnacht sagen! Komme morgen früh noch einmal. Jetzt aber bleibe ich noch bei Dir – lese noch in Deinen lieben Boten – oh Geliebte! – will mich an Deiner Liebe bergen – und mir Kraft holen – Du liebst mich! Du bist mein Eigen! Mein liebstes, treuestes Weib! Ich bin so ganz glücklich mit Dir! Und Deine Liebe ist mir dieses Lebens einzige Freude – ach Du! ist der Sinn meines Lebens! In liebe Dich!

Gut Nacht! Gut Nacht! Ich küsse Dich ganz leis – und lieb!!! Herzelein! Mittagstunde ist. Mannerli ist allein! Und draußen ist ein herrlicher Frühlingstag. Heut vormittag gab es viel Arbeit – heut nachmittag noch einmal. Mannerli ist noch bös verschnupft. Will jetzt gleich seinen Schnupfen ein wenig ausführen.

Muß auch ganz notwendig zum Haarschneider – heute kann ich gehen – es hat Geld gegeben!

Schätzeli! Du! Liebstes! Hab Dich ganz sehr lieb! Ganz ganz sehr – Du! Du!!! Ich glaub, wir müssen es uns bald wieder einmal selber sagen – von Mündelein zu Mündelein - Ach Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Leb wohl jetzt! Heut abend komm ich wieder zu Dir — lieb und lange!

Herzelein! Schätzelein! Du!!! Möcht ganz nahe bei Dir sein – ganz in Deiner Gefangenschaft.

Oh Herzelein! Am liebsten Ort, wo alles Wünschen und Sehnen aufhört – an Deinem Herzen – Wie werden sich unsre Herzen freuen, wenn sie wieder zusammenschlagen – Du! Du!!! Mein liebstes, einziges Weib! All meine Freude Du, mein Sonnenschein!

Dein [Roland]! Dein - mein, Du!!!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946