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[OBF-430228-002-01]
Briefkorpus

127.

Sonntag, am 28. Februar 1943.

Herzallerliebster mein! Geliebtes Herz! Du mein liebster [Roland]!

Der letzte Tag im Monat Februar heute. Sonntag.

Ach Du! All meine Gedanken die ich hab, sind bei Dir! Und Du wirst heimdenken, Du!! wie kann es anders sein! Doppelt lieb und sehnsüchtig müssen wir aneinander denken, weil das ersehnte Wiedersehen so nahe gerückt ist schon. Oh Mannerli Du!

Gott helfe uns zu einem frohen Wiedersehen!

Abend ist schon wieder, da ich mich zu Dir setze.

Und der Vater ist vor einem Viertelstündchen zu Bett, nachdem er um 1800 [Uhr] von Dienst heimkam. Er hat uns noch was Gutes vorgeraucht! Von Deinem lieben Päckel '[Ra]uchtabak’, das heute ankam, viel liebe Grüße vom Papa und herzlichen Dank!

Er hat keine Angst daß die heimatlichen Gewässer voller Minengefahr sind; er habe schon Vorkehrungen getroffen. Verrät er uns nur nicht!

Weißt, Mannerli? Wenn die Päckel nicht größer sind kann ich sie ihm auch mit gutem Gewissen überlassen.

Es war ein schöner Sonnentag heute und Vater hat es ganz gut gehabt im Dienst, weil niemand arbeitete bei Tage und man ihn in Frieden ließ. Aber er hat sich so gelangweilt. Zum Draußensitzen ists eher doch noch bissel zu kalt.

Sonst geht es Vater ganz gut. Ab und zu mal Beschwerden, die können aber ebensogut auch vom Rheuma herrühen. Er kann gut durchessen.

Ich selbst hatte heute am Vormittag 2 Gänge vor! Kirche und Besuch bei Frau L..

Die Predigt hielt Pf. K. einer kleiner, älterer, liebenswürdiger Mann. Sehr väterlich und gütig kam er mir vor. Beim Verabschieden vor der Tür ein wenig zu übertrieben freundlich.

Seine Predigt war gut, sie bezog sich zumeist auf das Leid der Hinterbliebenen der drei Gefallenen. Aus dem Johannes–Evangelium stammte sein Leitwort.

Man müßte nur den Gottesdienst wieder in der Kirche halten nun; denn das Pfarrhaus faßt garnicht alle Menschen und wir vom Chor, die vielen Chorkinder, das gibt vielmals Unruhe und vor allem auch schlechte Luft im überheizten Raum.

So heute wieder, sah ich wie der alle Herr F. “der heilige F.” genannt, auf die Seite kippte und sich verfiel. Ehe ich nun durch 2 Türen zu ihm hin geeilt war, entstand natürlich wieder eine kleine Unruhe. Ich stützte und zog ihn hinaus in den Vorraum, Frl.  S. half mir dabei und holte ihm ein Glas Wasser. Er war ja so rührend dankbar, der Alte. Es ging bald wieder.

Ach, die Alten sind jetzt so entkräftet; sie müßten halt ein wenig mehr Milch und Butter kriegen.

Wenn ich darin etwas zu sagen hätte, das wollte ich energisch verfechten. Mir tut das so leid, wenn sie auf ihre alten Tage noch so manches Liebgewordene entbehren müssen.

Bis in die ältere Generation fordert der böse Krieg seine Opfer.

Es ist zu traurig, wenn man es recht bedenkt.

Dann war ich bei Hilde L., ich nahm ihr ein Blumenstöckchen mit, sie freute sich sehr. Braungebrannt und gut erholt trat sie mir entgegen. Unberufen gut sieht sie aus! Wenn sie nur ihr Mann mal sehen könnte. Es gab viel zu erzählen! Und damit wars auch noch nicht zu Ende, als ich mich endlich verabschiedete um 12 mittags. ½ 1 Uhr hatte mich Mutsch zum Essen bestellt.

Sie muß eben nochmal zu mir kommen, ich habe nicht so viel Zeit.

Denke nur: sie steckt sich natürlich auch hinter die Kinderschar bei ihrer Meldung beim Arbeitsamt! Hab ich mir gleich gedacht.

Es ist mir ja auch egal; denn ich kann sehr gut noch jemanden gebrauchen! Sie war platt, wie ich mich einsetze, an 3 Tagen! Und war erstaunt, wie die Kinderzahlen angewachsen sind in den letzten Wochen.

Ja, nach den großen Ferien will sie wieder mithelfen. Na, mir soll es nur recht sein.

Sie hat schon den Meldebogen in der Erholung ausfüllen müssen, der wird sicher nun an das zuständige Arbeitsamt nach hier weitergeleitet worden sein. Sie hat nun noch keinen Bescheid bekommen. –

Herzelein! Nach der häuslichen Ordnung nach Tische habe ich mich erst mal ein Stündchen hingesetzt und [g]estrickt. Die Mutsch nähte, besserte Wäsche aus und allerlei Kleinkram. Sie rüstet auch schon für Dein Kommen, Du! Sie wiil doch dann nichts mehr zu flicken haben! Will doch bloß Deine Sachen instand richten, die Du wirst mitbringen. (Du! Das nimmt sie Deinem Fraule ab, daß es ganz für Dich dasein kann!)

Sollst alle kaputten Socken mitbringen, sie will sie wieder heil machen!

Ach Du! Wenn ich so bei einer Arbeit sitze, dann gehen doch all meine Gedanken zu Dir, Herzallerliebter! Dann bin ich Dir so ganz lieb nahe. Ich mein, Du mußt das auch fühlen dann.

Ach Herzelein! Ich muß Dich doch so von ganzem Herzen liebhaben!

Was wirst Du denn heute angehen? Oh Du auch so schönes Wetter hast? Wirst spazieren gehen, gelt? Und Dein Fraule hast doch mit bei Dir!!

Oh Herzelein mein!

Du! Heute kam Dein so lieber Dienstagbote an!

Ich danke Dir so sehr dafür, Geliebter! Ach Du Allerliebster! Kommst ja sooo lieb zu mir! Sooo liebheimlich auch!

Ach Du!!! Du!!!!! Herzensmannerli! Ich hab Dir's doch noch garnicht gesagt, daß ich doch nun krank geworden bin! Ja! In der Nacht zum Sonntag noch bin ich aufgewacht deshalb.

Du!!!

Es konnte ja auch nicht anders sein! Es war mir doch selbst ein Rätsel!

Mein Herzelein! Du!

Ach Du!!!

Noch einmal wird ein Röslein welken müssen, im März – und dann sollst Du es doch pflücken, Geliebter! Oh so hoffe ich doch ganz lieb, ganz heimlich und so fest!! Es soll garnimmer welken müssen! Du, mein Lieb sollst es pflücken! Du!!!!! Du! Geliebter! Das neue Röslein dann, wir warten und hoffen, daß es ein geweihtes sei! Du! Herzelein! Ich will mich doch schon ganz lieb bereiten und mich schonen, daß es recht erblühe! Ich will, ach – ich muß, ja immer nun daran denken, daß das nächste Röslein ein geweihtes sein soll. Ach Du!!! Weil wir es uns beide so sehr wünschen! Geliebter! Mein!!!!

Ach Du geliebtes Mannerli! Es wäre mir das höchste Glück, das mir widerfahren könnte!

In Gottes Hände laß uns legen, was wir uns von Herzen wünschen. Ohne seinen Segen empfangen wir nichts im Leben.

Mein [Roland]! Ich bin ganz still und glücklich bei dem Gedanken. Denn was unser Herr tut, das ist wohlgetan.

Oh Geliebter! Ich wollte es so froh und stolz und glücklich tragen, unser Kindlein! Weil die Stunde nun da ist, da wir so herzinnig vereint und miteinander und unser Lieben all nach Erfüllung drängt. Ich will mich so ganz zu Dir bekennen, vor allen Menschen! Ich kann es ganz froh und frei! Stolz und glücklich!!!

Ich liebe Dich. Mit Dir will ich unsre Liebe auch krönen, Geliebter!

Oh so voller Glück und Verlangen will ich Dich aufnehmen!

Ich will Dir gehören!

Du sollst mich erfüllen!

So ganz, Geliebter!

Ich will Dein Kindlein aufnehmen in meinen Schoß – unser Kindlein.

Ich will es mit tausend Freuden! Will Dir unser Liebstes hüten! Oh segne uns Gott im Himmel! Amen.

Herzelein! Herzelein! Ich muß mich so sehr freuen, wenn ich an solches Glück denke, daß mir Tränen in die Augen steigen. Ach Du! Das wäre ein so großes Glück: ein Kindlein! Du und ich!! Oh bete mit mir um die rechte Kraft! Mein [Roland]! Du!!! Du!! Ob wir es können, uns so liebhaben, das unsre Wesen bis ins Innerste hinein zusammenstimmen und -klingen? Oh ja! Ja!!! Ich glaube es, Du!!! Wir haben einander sooooo lieb! haben einander sooooooooooooo lieb! Und dazu mußt Du bei mir sein! Mußt Du bald heimkommen zu mir, mein [Roland]! Oh sag? Willst Du mir gerne heimkehren? Willst Du mich sooo liebhaben?

Oh Du! Wenn ich nicht Deine Antwort wüßte, ich würde wohl so nicht fragen können. Geliebter Du!!! Herzelein! Wenn Du doch jetzt bei mir sein könntest! Wenn ich Dich schauen könnte, Dein geliebtes Antlitz.

Oh Du! Ganz still wollte ich mich in Deine Arme schmiegen, nur auf des Herzens Stimme lauschen – träumen mit Dir, von unserem Glück, von unserem künftigen Glück!

Oh Gott im Himmel! Schenke Deinen Segen! Amen.

Mein Liebes! In Deinem lieben Boten erfahre ich noch, daß Du so unregelmäßig jetzt Post bekommst. Ene Zeitlang war es bei mir auch so.

Aber eins finde ich gemein, daß die "Herren" so in unseren Briefen herumschnüffeln. Ich könnte eine Wut bekommen, wenn ich bedenke, daß sie unser Eigenstes sogar, was ja kein Mensch außer uns versteht, antasten.

Ja, so bricht man auch in das Privateste ein. Ich schäme mich unsrer Liebe nicht. Aber daß ich soll mein Liebeigenstes teilen mit Fremden, das ärgert mich.

Wir können so etwas nicht verhindern, wir können nur hoffen, daß solche Schnüffeleien nicht mehr überhand nehmen.

Man müßte eine Auflage von Zetteln drucken lassen können mit einigen Worten ganz beschämender Art, die wir dann in jedem Briefe beilegen.

Aber das wäre auch nicht das Richtige.

Es gibt eben Dinge im Leben, die muß man mit stummen [sic] Ärger ertragen können, ohne Gegenmaßnahmen ergreifen zu dürfen. Schwer ist das. Und es bessert unsre Stellungnahme zu dem Jetzigen Tun u. Treiben keineswegs.

Ach Mannerli! Man wünscht sich Erlösung von dem Krieg! So sehr die Erlösung!

Daß wir endlich so leben können, wie wir es wünschen und verwirklichen wollen.

Ach, Du erzählst mir so lieb im Dienstagboten von Deinen Plänen und Gedanken nach diesem Kriege.

Und ich kann Dich darin so lieb verstehen, Du! Und helfen will ich Dir auch dabei! Geliebter! Gleich bei dem Wichtigsten: ablegen die Krankheit

unsrer Zeit, die nervöse Hast.

Ja, Geliebter! Wenn wir einander dann haben, ist nichts mehr so eilig, nichts, daß wir diese schreckliche Hast auf uns nehmen müßten deshalb, daß wir uns um die Tiefe des Erlebens bringen.

Und was Du mir lieb sagst, Du! Ich erkenne es doch selbst, Herzelein: die Hast rächt sich – sie schwächt uns, sie verkürzt den Erfolg allen Tuns.

Du, Liebster! Wir müssen uns beide erst wieder recht daran gewöhnen, wieder lernen, mehr Muße zu finden.

Ach Du! Mit Dir kann ich es! Und Du mit mir!

Etwas von der Ruhe eines übersonnten Sonnentages soll über unserm Leben liegen dann, von einer kraftvollen, ruhigen Heiterkeit.

Ja Liebster, so müssen wir werden, wenn wir unsern Kindern gute, vorbildliche Eltern sein wollen. Und daran wollte ich doch von des Wissens ersten Augenblick an denken! Wollte so stark sein, so zu leben, auch wenn mein Mannerli, mein liebster Beschützer mir fern ist. Das wollte ich gewiß! Wir müssen uns beschränken im Leben auf Weniges, Wesentliches.

Du sagst ganz recht, Liebster, wer alles beginnt, wird wenig vollenden.

Und ich freue mich über Deine energische Einstellung, Du! Sollte der öffentliche Dienst dann alles Euch Lehrern aufbürden wollen, Du wirst es so radikal wie verantwortungsbewußt von Dir weisen – Ja Herzelein! Wie werden unser Leben auf das Wesentliche zuschneiden und ich will mit zuschneiden! Bin doch Dein liebster Kamerad und Gefährte durch Dick und Dünn!

Ach Geliebter! Denk daran glücklich!!! Ach Du! Wenn wir heute alles verlören, einander aber behielten ganz und gesund, wir blieben die glücklichsten Menschenkinder doch.

Und ganz recht stieße der auf all unsre Gegenwehr, auf unsren ganzen Willen, der unsre Liebe auch nur anrühren wollte im Kleinsten.

Oh, ich denke und fühle doch hierin so ganz verwandt mit Dir, mein Herzelein!

Unsere tiefe innige Liebe gebietet uns ja so! Oh Du!!!

Ach, mein [Roland]! Wie freue ich mich auf das Leben mit Dir! Wie sehne ich mich danach! Mit Dir bauen und schaffen und feiern.

Ach Geliebter! Das ist eine Hoffnung, die allein schon uns ewig aneinander bindet im Glückverheißen!

Wie die Deine, ist meine Liebe zu Dir über dieses ganze Leben gespannt, von Anbeginn! Du!!!!! Ich muß Dich lieben, ewig lieben!

Ach, so von Herzen glücklich bekenne ich Dir dies!!!! Mein [Roland]! Ich bin Dein glückliches Weib! So ganz Dein! Und so ganz glücklich!

Oh, wenn es Dich doch ebenso glücklich machte, das Wissen um unsre tiefe, unendliche Liebe!

Ich küsse Dich recht lieb zur Nacht! Schlaf wohl, mein Herzenslieb! Ich bin immer bei Dir und halte Dich fest umschlossen, Du mein Eigen! Mein Alles! Mein bist Du!

Gott behüte Dich mir!

In Liebe und Sehnsucht warte ich Dein. Deine glückliche [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946