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[LBR-410409-005-01]
Briefkorpus

… [sic] den 9. April 1941.

Meine liebe kleine [Ella]!

Leider kann ich Deine Post nicht beantworten. Denn seit einigen Tagen bin ich von meiner Truppe abgestellt worden. Wie lange das noch dauert, kann ich Dir leider nicht sagen. Wollen aber doch das beste hoffen. Da geht‘s mir diesen [sic] Ostern so wie vorigen [sic] Pfingsten; Ostern ohne Post. Doch was soll man da nur machen? Eben nischt wie abwarten. Die Hauptsache ist ja, das [sic] Krieg [sic] bald wieder vorbei ist.

Jetzt, in einigen Tagen ist es Ostern! Gewiß, Ostern sind zwei Feiertage. Wenn diese wieder rum sind, ist Ostern wieder mal gewesen. Doch an Ostern, oder besser über Ostern macht sich jeder ganz verschiedene Gedanken und Freuden. Wenigstens augenblicklich hier bei uns. Wir haben hier einen Familienvater in unserem Kreise. Er hat eine Frau zu Hause und zwei prächtige kleine Mädels im Alter von vier und sechs Jahren. Zwei junge Kameraden sind fertig mit dem Schreiben und unterhalten sich nun noch ein wenig über Ostern. Doch diese beiden Kameraden sind beide ganz grundverschieden in ihrer Meinung übers Osterfest. Wenn der eine „hü“ sagt, sagt der andere „hott“. Unser „Opa“, so nennen wir den Familienvater scherzweise, hört sich diese Geschichte eine Weile mit an. Doch dann schiebt er ganz sachte die Zeitung zur Seite, nimmt die Zigarre aus dem Hand Mund und beginnt: „Es ist nun einmal so, Einer [sic] denkt so an Ostern und der andere wieder so. Heute in dieser Zeit ist es nun einal [sic] in dieser Hinsicht unmöglich, daß sich jeder das Osterfest so gestaltet wie er wohl gerne möchte. Hör mal Willi, du meinst eben, bisher hättest Du überhaupt noch nichts von Ostern gemerkt! Ich will Euch mal ein kleines Erlebnis erzählen, das ich jetzt Ostern vor zwei Jahren im Kreise meiner Familie erlebt habe.

Es war am Morgen des ersten Ostertages. Die Sonne war gerade eben aufgegangen, die Kinder schliefen noch, da waren meine Frau und ich dabei die Ostersachen für die Kinder im Garten zu verstauen, – das machen wir immer wen [sic] schönes Wetter ist am [sic] Ostern. – Nun liegt das Kinderzimmer aber gerade nach der Gartenseite raus. Wie ich dann mal so zufällig hinkucke [sic], wir waren gerade fertig mit unserer Ostereierlegerei, sehe ich gerade wie noch so eben die Gardine im Kinderzimmer wakelte [sic]. Meiner frau [sic] sagte ich aber nichts von meiner Beobachtung. Denn dann hätten wir unsere Arbeit nochmal gemacht. Doch dazu hatte ich aber absolut keine Lust. So dachte ich mir lieber mein Teil. So gegen neun Uhr ging ging dann die große Sucherei zu vieren los. Das ist immer meine größte Osterfreude. Doch dieses Jahr sollt es ja wohl eine ungeheure Überraschung geben. Jedenfalls für meine Frau. Denn kaum waren wir im Garten angekommen, da faßte die damals vierjährige Liesel die kleine Lotte bei der Hand, lief, so schnell diese nur konnte, vorraus [sic] und nahm ein Nestchen nach dem andern aus ohne erst lange zu suchen. Meine Frau war platt, einfach platt! Ich dagegen konnte kaum noch das Lachen verbeißen . . . . “

So ging die Geschichte in einem fort. Ich könnte wohl noch zehn Seiten drüber schreiben. Doch auf einmal, während dieser Mann erzählte, war es bei uns Ostern geworden. Ich glaube beinahe, diese halbe Stunde war wohl mein schönstes Ostererlebnis in diesem Jahr. Obschon noch gar kein Ostern ist.

Meine liebe [Ella], meine Gedanken werden Ostern, wie so oft, bei Dir sein. Ich hoffe jetzt, daß Du das Osterfest, möglichst Deinen Wünschen nach, frisch und munter verlebst. Gestern schrieb ich Dir eine Osterkarte. Ich fand sie zufällig noch in meiner Brieftasche. Denn gestern wußte ich noch nicht, daß ich heut zum Schreiben käm.

Herzliche Ostergrüße und Küsse

sendet Dir aus weiter Ferne

Dein [Albert]

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Autor Albert Müller
Korrespondenz Lohbrügge
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Über den Autor

Albert Müller

Albert Müller wurde 1919 geboren. Seine Familie kam aus Escheburg in Schleswig-Holstein. Auch in anderen schleswig-holsteinischen Orten hatte er Verwandtschaft. In seinen Briefen machte Albert Müller oft Andeutungen, dass es Geheimnisse bezüglich seiner Eltern gebe, die er erst später preisgeben

Über die Korrespondenz

Lohbrügge

Fotografie einer handgeschriebenen Liste mit Zahlen, aus dem Konvolut Lohbrügge, die Briefdaten sortiert.

Der Briefwechsel von Ella und Albert Müller befindet sich im Archiv des Kultur- und Geschichtskontors in Hamburg-Bergedorf. Erhalten sind fast 900 Briefe und Postkarten. Gesammelt wurden sie von Ella Müller, die Briefe von ihrem Ehemann, aber auch von Familienangehörigen aufbewahrte, zum Teil