Oberfrohna, am 13. Februar 1939.
Mein lieber [Roland]!
Zuerst will ich mich recht schön bedanken für den Kartengruß. Das war sehr lieb von Ihnen. Und was Sie da schreiben, von Hexen und Geistern, das bewog mich nachzudenken. Es erscheint mir garnicht unmöglich, daß wir beide einmal ausziehen, das Gruseln zu lernen! Soviel ich weiß, ist Walpurgis am 1. Mai — also an einem Feiertage.
Böhmische Landschaft und böhmische Menschen, das wollen Sie mir zeigen — o, ich freue mich schon sehr auf Pfingsten, lieber [Roland].
Über Ihr neues Amt als Liedermeister müssen Sie mir noch erzählen. Und nun zu Ihrem lieben Briefe.
Ich bin Ihnen so dankbar, daß Sie mir alle Ihre Gedanken mitteilen — ich sehe das nicht als eine Predigt an — Sie geben mir damit so viel, Sie schenken mir damit Ihr Bestes. Die Treue! Was Sie mir darüber schreiben, wie Sie es ausführen — ich kann es verstehen — es leuchtet mir ein als lautere Wahrheit. Mein inneres muß das alles bejahen — es kommt mir dabei kein Zweifel, kein Mißtrauen. Und doch, im umgekehrten Falle — ich vermöchte mich Ihnen in dem Maße, wie Sie es tun, nicht verständlich zu machen und zu erschließen.
Ich kann wohl vieles aufnehmen, aber nicht wiedergeben, so, wie Sie. Ich glaube daran, daß ich noch wachse.
Von so großer Dankbarkeit bin ich erfüllt, wenn ich daran denke: Dir allein schenkt dieser edle Mensch seine Freundschaft, sein Bestes — du darfst dich ihm bedingungslos anvertrauen — darfst dich anlehnen an ihn und ihm Liebe und Güte schenken, so viel du magst und kannst. „Treusein, ich glaube, das ist das beste Geschenk, das ich Ihnen bringen könnte.“ So schrieben Sie, und mit diesem Geschenk würden Sie mich glücklich machen, lieber [Roland]. Ihr ernstes Wesen läßt Zutrauen fassen — ich liebe es an Ihnen, schon seit ich Sie kenne — ich möchte Sie nicht anders haben. Ich weiß, daß Sie auch lustig sein können.
Aber nur einmal habe ich Sie so recht herzlich, voll und warm lachen hören. Das war im Rautenkranz beim Marionettenspiel. Sie saßen hinter mir — und ich muß Sie wohl ganz entgeistert angesehen haben; denn Sie waren sogleich still. Mir tat das hinterher leid, und ich schämte mich, daß ich meine Verwunderung so offen zur Schau trug.
Ich glaube, es lohnt sich nicht, daß ich Ihrem Gedächtnis nachhelfe, in bezug auf das vergangene Jahresessen.
Die beiden, 1937 und 1938 kann ich nicht genau mehr unterscheiden. Einmal sahen wir das Puppenspiel und einmal wurde das lange Tafellied gesungen. Es erfüllt mich immer mit leiser Wehmut, wenn ich zurückdenke.
Es hat mich sehr gefreut, daß die Aussprache mit dem Bezirksschulrat für Sie hoffnungsvoll ausging. Ich wäre froh und dankbar, wenn Sie eine Stellung bekämen, die Ihnen in Ihrem Berufe, sowie auch auf dem musikalischen Gebiete Erfüllung bringen würde.
Ich danke Ihnen für die Offenheit und das Vertrauen, das Sie mir entgegenbringen in der Finanzfrage.
Ganz überraschend für mich: Noch in diesem Monat Grundsteinlegung für die neue Schule. Es war ja auch höchste Zeit dazu! Bleiben auch Sie guter Hoffnung, lieber [Roland], daß die Zukunft Ihnen einen günstigen Bescheid in der Bewerbungsangelegenheit bringen möchte.
Vielleicht sind Sie diesmal etwas unzufrieden mit meinem Briefe? Sie sollen nicht zu kurz kommen, trotz uns[e]res Umzuges! Ich finde gar keine rechte Ruhe mehr, mich zu sammeln. Nichts als Arbeit, wohin ich blicke.
Mir gefällt’s nicht mehr zu Haus. Mutter läßt sich in der letzten Woche Urlaub geben. Die paar Abendstunden reichen unmöglich aus. Die große Wäsche ist nun geschafft.
Gestern räumten wir die Bodenkammer aus (in sauberes Geschäft) und nähten Gardinen; am Nachmittag kam auch noch eine bekannte Familie zu Besuch.
Ich komme jetzt keinen Abend vor 11 in’s Bett. Heute zog in der neuen Wohnung der Maler ein; morgen gehen wir Lampen kaufen; der Tischler holt die Bettstellen ab. Zum Teil stehen die Sachen gepackt und schon startbereit da. Bei uns ist’s wie im Flüchtlingslager!
Mit Freuden denke ich daran: 2 Tage kann ich diesem Lagerleben entfliehen.
Ich darf — ach, wie gerne komme ich, lieber [Roland]. und ich danke Ihnen herzlich für Ihre liebe Einladung. Dann noch 2 Tage — und alles ist wieder in Ordnung. Hoffentlich wird’s um vieles schöner, als jetzt.
Ich fahre also am Sonnabend ... hier weg, und Sie erwarten mich ... in Dresden. Sehe ich Sie wieder oben stehen? Bitte, schreiben Sie mir bis zum Freitag noch ein paar Zeilen, ob Sie auch einverstanden sind mit allem.
In der Programmfrage unterstelle ich mich ganz Ihrer Anordnung. Verraten Sie bitte vorher nichts, es ist schöner so. Ich freue mich auf unser Wiedersehn, ich bin ganz unruhig. Ich muß Ihnen etwas sagen, lieber [Roland]: Ich habe Angst. Warum eigentlich? Eine klare Antwort weiß ich nicht darauf. Bin ich im vorigen Briefe zu weit gegangen? Es ist vielleicht nicht ratsam, wenn man im Übermut Briefe schreibt.
Der Bote hat am Sonntag seinen Lohn bekommen.
Mein lieber, guter [Roland]! Noch niemals hat mir jemand Verse geschrieben — ich habe mich so sehr gefreut! Und ich bin stolz auf Sie — bedanken will ich mich, wenn ich bei Ihnen bin. Ich weiß nichts Gescheites mehr zu schreiben.
Behüte Sie Gott! Auf frohes, gesundes Wiedersehen! Ich drücke Ihre lieben Hände voll Hoffnung und Vertrauen ganz fest, mein lieber [Roland], und grüße Sie recht herzlich,
Ihre [Hilde].
Herzliche Grüße senden auch die Eltern.
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Hilde Nordhoff
Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.
Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen
Oberfrohna
Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946