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[OBF-400908-001-01]
Briefkorpus

Sonnabend, den 7. September 1940

Herzallerliebste, meine liebe, liebe [Hilde], Du!

Dein Päckchen kam heute, ganz unversehrt die Ladung, mit seiner kostbaren Ladung, Du Liebes, herzen und küssen möchte ich Dich darum. Als ich am Donnerstag noch doch etwas ungeduldig noch meiner Post fragte, äußerte ein Kamerad, daß "sie" wohl nicht schreiben werde. Ich berichtigte ihn nicht ohne Stolz und sagte, aller [sic] 2 Tage einen Brief, so ist es ausgemacht, es muß nun schon ein ganz dicker Brief geworden sein. Als nun gestern Deine ersten Briefe in meine Hände gelangten, meinte er triumphierend, es sei doch nur ein dünner Brief, und ich konnte ihn zunächst eines Besseren [^]nicht belehren. Aber heute habe nun ich triumphiert. Ich war doch ganz gewiß, daß der dicke Brief noch ausstünde. Dieser Brief, Du Liebes, Herziges, der mich nun den Anschluß an das verlassene Leben, die verlassene Heimat wiederfinden läßt, an das so jäh abgebrochene Leben. Nun sehe ich all die Tage sich in Deiner Seele widerspiegeln und erkenne darin mein Bild, Herzliebes, das Du so treu bewahrst, wie ich das Deine. Sei tausendmal bedankt, Du, mein liebes Weib! Ein Bild möchtest Du von mir, Herzlieb. Das hat seine Schwierigkeiten. Ein Kamerad mit einer Kamera ist wohl vorhanden. Er hat unsre Gruppe auf der Exerzierwiese schon geknipst. Ich will ihn um seinen Dienst bitten.

Aber nun fürchte ich ein andres: ob ich das rechte Gesicht aufsetzen werde? Weißt, ich fürchte, das Gesicht wird etwas hart ausfallen. Das Soldatische, Zackige, auf das sie uns jetzt abrichten, verhärtet auch das Gesicht, bei dem zackigen Linksumkehrt verhärtet sich auch das Gesicht, und es ist, als ob es dann auch leichter ginge. Aber ich will mir Mühe geben. Kommt hinzu, daß Exerzieren und Sport (dreimal wöchentlich 1 Stunde, Körperschule und Handball) ganz schön anstrengen. Ich glaube, ein wenig hagerer bin ich schon im Gesicht.

Die Anteilnahme Deiner lieben Verwandten und gar unseres treuen Postboten an unserem Geschick und Glück ist rührend und erhebend zugleich. Ist es den Menschen doch nicht entgangen, daß wir zwei Glückskinder sind, Du, an deren Glückssonne sie sich mitfreuen und erwärmen. Allen den Bekannten und Verwandten schreibe ich, wenn ich richtig eingerichtet bin. Mit denen Du in Berührung kommst, die grüße bitte von mir. Du teilst mir mit, was Herr S. geschrieben hat. 10% ziehen sie uns ab, das sind also nur 20 RM, desto besser. Wie ich schlafe? Wir liegen in Feldbetten, drei übereinander, durch das Umgruppieren bin ich glücklicher Besitzer eines unteren Bettes gleich an der Tür geworden. Auf federnden Stahlrahmen liegen Matratzen. Wir erhielten ein Bettug [sic: Bezug], ein[^]en Kopfkissenüberzug, einen blauweißen Überzug für eine Decke und dazu eine zweite Decke, wunderschöne Decken, darunter liegt es sich warm, sehr warm sogar. Also, mit dem Lager bin ich sehr zufrieden. Soviel ich ausmachen kann, liege ich mit dem Gesicht nach Norden, also Dir gegenüber.

Herzliebes, Du mußt nun härter empfinden, daß wir uns trennen mußten. Für mich ist es ein hartes Muß, dem ich nicht ausweichen kann, und von dem ich unmittelbar betroffen werde. Du aber kannst denken, daß es doch auch anders sein könnte. Aber ich bin froh, daß Du auch selbst schon den rechten Trost findest: Es soll so sein und es ist gut so, wie es kommt. Wir dürfen fest hoffen, daß wir unserem Glück des Zusammenseins entgegenleben, das doch erst recht vollkommen wird, wenn wir auch uns[e]re Lieben, ich denke an die Brüder, seiner teilhaftig wissen. Nun ist es beinah wieder wie in der Brautzeit, manchmal kommt es mir richtig wunderlich vor, daß Du doch schon meine liebe Frau bist — Dornröschen bist Du wieder in Deinem Schloß, das auf seinen Prinzen wartet. Er käme gleich, Du, wenn er könnte, er käme auch gewandert. Er wird nicht ruhen, bis er nicht wieder bei Dir ist, Herzallerliebste Du!

Sonntag ist. Seit gestern ist der Himmel verhängt. Die Nacht über hat es ein wenig geregnet. Sonntags wird um 7 Uhr aufgestanden. Seit 5 Uhr bin ich wach und habe meine Gedanken zu Dir geschickt. Nach dem Frühstück mußten wir Kartoffeln schälen, 20 Mann fast 2 Stunden lang. Dann war das Mittagessen fast heran. Schweinskotelett, Rotkraut und Kartoffeln, vorher eine Ochsenschwanzsuppe. Es hat geschmeckt. Und nun, gegen 2 Uhr, ist die Post gekommen. Die Post, das ist der Mittelpunkt aller Kameraden in der Freizeit. Morgens ½ 12 Uhr geht sie ab nach der Feldpostleitstelle Kiel-Friedrichsort. Die ankommende Post wird von dort bei Gelegenheit, also oft mehrere Male am Tage, mitgebracht, normalerweise wird sie nach dem Dienst, gegen 6 Uhr abends, verteilt. Sie läuft nun zu meiner größten Freude ziemlich regelmäßig. Wer [sic: wohl: wenn] mir auf dem Tisch liegt Dein lieber Sonntagsgruß mit der Süßigkeit, die mir lieber ist als alles andre auf der Welt.

Heute sollen wir zum ersten Male ausgeführt werden, viel verlockende Ziele gibt es hier nicht, das einzige in der Nähe ist der Badeort Strande, nach dem wir schon am Dienstag marschiert sind. Es r Nun sind wir wieder zurück. Es war doch ein Schimmer der Freiheit, der uns jenseits des Kasernenzaunes winkte. Gegen 3 Uhr sind wir ausgerückt, gegen 8 Uhr kehrten wir zurück. Es wurde wacker gezecht. Ich bin nach 2 Schoppen Weißwein am Strande entlang geschlendert [und] habe nach Muscheln ausgeschaut für Dich, Herzliebes!

[Du] Wirst nun nach Hause zurückgekehrt sein. Werdet Ihr kommenden Sonntag nach Kamenz fahren?

Am Sonntag geht die Post nicht weg. Du wirst diesen Brief also erst am Mittwoch erhalten. Möchte er Dich gesund und wohlauf antreffen.

Meine liebe [Hilde], ich liebe Dich allein über alles in der Welt! Ich herze und küsse Dich, ich halte Dich ganz fest und

bleibe für immer

Dein [Roland]

Bitte Grüße [sic] die lieben Eltern.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946