Donnerstag, den 17. Oktober 1940
Mein liebes, teures Herz! Meine liebe [Hilde] Du! Holde mein!
Wie hat mich Dein lieber Bote heute beglückt, Geliebte! Ganz pünktlich war er zur Stelle. Soviel Glück und Freude brachte er mir, Holde! Daß Du an mir halt findest, daß Dich der Gedanke an mich stärkt, daß auch Du bei mir eine Geborgenheit findest, daß ist dieses große Glück. Daß Du Dich meinem Schütze vertraust und Dich liebend und sorgend umhüllen läßt von mir, das weckt in mir eine männliche Freude! Auch ich finde bei Dir eine Geborgenheit, ich suche sie bei Dir und sehne mich danach, eine andre Geborgenheit, die weibliche, mütterliche. So ergänzen sich unsre Wesen glücklich, Du! Für Deinen langen lieben Bericht sei herzlich bedankt. Ich kann Dich so gut verstehen, und kann Dir Deine Einsamkeit und Verlassenheit dort in Dehsa recht gut nachfühlen. Diese dörfliche Stille, Dir ganz ungewohnt, jedes Hundebellen, jedes Blattrascheln hört man; die kranke Frau im Haus: es greift Dir alles rasch ans Herz; und Du allein, [^] mit den beiden Mädels, die Dich mit ihrem raschen Geist überreizten und ein wenig in Unordnung brachten, und niemand, der Dir ordnen half. Weißt, Herzliebes, genau so ging es mir die letzten Jahre: Nur ungern entfernte ich mich von Hause, fuhr beispielsweise nur ungern nach Großpostwitz, weil ich mich dann von dem Ort entfernte, an dem Du mich suchtest, an dem unsre Empfindungen, unsre Sehnsucht sich über alle Ferne hinweg in geheimnisvoller Weise ein Stelldichein gaben. Und nicht zuletzt, weil alle neuen und fremden Eindrücke mich störten in meinen Gedanken an Dich. Nun bist wieder glücklich heimgekehrt, ich danke es Gott, und wirst Dich nach dem Fremdfühlen, in Kamenz ein wenig heimischer fühlen. Nun weiß ich wieder besser, wo Dich Deine Füße tragen, weiß Dich bei Vater und Mutter, die mit der Wärme ihrer Herzen Dich umgeben, und weiß auch, wo mein Herzlieb sich bettet, wo es mich einschließt ins Nachtgebet, wo es meiner süß und herzlich denkt!!
Herzallerliebste! Holde mein! Daß ich Dich mit diesem Namen beglückte, Du! Mit Deinem guten, treuen Gedächtnis erinnerst Du mich daran, daß Hermann Löns ihn braucht in einem seiner Romane. Ich hätte nicht daran gedacht; aber sehr wahrscheinlich, daß dieser Name in meinem Unterbewußtsein doch darauf gewartet hat, daß ich ihn [^]]eines Tages meiner Herzallerliebsten umhängen darf. Herzliebes, Du weißt es, daß all meine Empfindungen der herzlichen Zuneigung, Verehrung und Liebe zu Dir strömen. Ich könnte sie nicht daran hindern. Sie wollen zu Dir, Du, mächtig, übermächtig, Holde!
Zurück sind auch wir glücklich vom Schießen. Wenn ich auch mit dem Gefühl, etwas Ernstes zum ersten Male zu tun dranging, und wir alle von dem vielbesprochenen Rückschlag zumindestens [sic] gespannt waren – es ist alles dabei so gut organisiert, der Rückschlag ist durchaus mäßig, daß ein Unglücksfall bei diesem Schießen nur durch gröbste Fahrlässigkeit oder ganz unglücklich verkettete Umstände sein kann. Es wurde wider Erwarten gut geschossen. Ich schoß zweimal 30 Ringe (21 waren nötig), und war damit bei weitem nicht der beste Schütze, aber einer der guten. Ich bin ganz zufrieden. Viele Kameraden haben schon anderwo [sic] geschossen. Darfst Dich mit Deinem Hubo freuen, und brauchst Dich nicht zu bangen: ein Scharfschütze ist er nicht. Er schaut nicht aus nach Schießpreisen und Schießschnuren. Daß er Dir ins Herze traf, das ist sein Ehrgeiz, das ist sein Stolz und seine Freude! Dieses Herz ist das unverrücktbare Ziel, nach dem er unverwandt und sehnsüchtig ausschaut, auf dieses eine, einzige Ziel richtet er seine ganze Liebe! Kein besseres, herrlicheres Ziel könnte ich finden, Geliebte!
Behüte Dich Gott! Herzliebes! Gleich will ich mich schlafen legen. Letzte Nacht mußten wir ein Stündchen in den Keller. Die Engländer waren in Kiel. Schlafen legen, und mit den Gedanken an Dich, in Deiner holden Nähe, um Dein liebes Wesen, um Deine so große Liebe, will ich sanft einschlafen. Bleibe stark und gesund, Herzliebes! Bitte grüße mir die Eltern.
Ganz Dein bin ich, Holde, nur Dein! Und glücklich, überglücklich bin ich, daß Du mich magst, daß Du mir Dein Herz schenkst, mir allein, Dein großes, liebevolles, teures Herz! Ganz fest will ich es fassen, nimmermehr kann ich davon lassen! Du! Geliebte! Holde!
In treue bleibe ich Dein [Roland]! Und Du bist meine [Hilde]!!
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Roland Nordhoff
Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt
Oberfrohna
Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946