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[OBF-401102-002-01]
Briefkorpus

Dienstag, am 29. Oktober 1940.

Herzallerliebster! Geliebter Du! Mein lieber, lieber [Roland]!

Mit dem Briefkastenschlüssel bewaffnet ging ich heute früh gegen 5 Uhr zum Markt nach Limbach.

Als ich vor die Haustür trat, Du! Wahrhaftig! Er wartete schon der Liebste! Es schimmerte weiß durch die Öffnung des Kastens. Du!! Wie ich froh bin, wenn ich ihn fassen kann, Deinen lieben Boten. Du kannst mir's nachfühlen, Du freust Dich ja ebenso sehr wie ich. Du! Warst nun heut mit mir auf dem Wochenmarkt! Hoffentlich hast Du mir nicht auch so gefroren wie ich! Eine ganz rote Nase hab ich mit heimgebracht. Und ich konnte Dich doch heut früh auch nicht an mein Herz drücken; derweil an meinem Herzen ruhen lassen, wo es schön warm ist, Du wärst mir ja unten durch gerutscht, Du! Ich hatte die Pumseljacke [sic] an und die ist unten so weit und Du! Ganz richtig an mein Herz hätte ich Dich doch draußen vor der Tür auch nicht stecken können! Es ist doch morgens immer Begängnis vorm Haus. Schon allein die Arbeiter. Du!! Wenn ich geahnt hätte, daß ich Dich wahrhaftig mitnahm! Ich hätte es ja vor Neugier nicht den ganzen la[ng]en Weg ausgehalten, ohne mal nachzugucken, was mein Lieb für Gesichtel macht. Du, mein [Roland]! Ich danke Dir aus tiefstem Herzen für die Bilder und den andern schönen Rahmen! Ich hab schon meine beiden Bilder hineingesteckt und nun stehen sie alle beide vor mir — Du und ich. Wie schön läßt sich's so anschauen, Du! Man kann sich so lange die Zeit vertreiben nur mit schauen. 2 gehören immer zusammen von Dir und mir. 1.) Dein Bild mit der helleren Belichtung und mein Brustbild. 2.) Dein Bild mit der dunkleren Belichtung und meine Halbauf[nah]me. Sich Dir doch mal unsre Augen und unsre Münder an auf dem 1.) Paar, sind sie sich nicht ganz ähnlich? Deine Bilder gefallen mir wirklich ganz sehr, Du!

Richtig männlich siehst Du aus (gegen dem großen Bild von Herrn L.) und dabei nicht zu streng, richtig so wie ich michr Dich schon lange einmal gewünscht habe auf einem Bild. Ach, am allerliebsten möcht ich Dich doch bald einmal richtig, leibhaftig haben, Du! Wenn ich Dich begrüße, Du! Ist mir ganz gleich, wo das ist, Du kriegst aber so einen langen festen Kuß [w]enn Du auch nicht willst, Du!!

Ganz übermütig werde ich bei dem Gedanken, daß es nun bald wahr sein wird, daß wir uns wiedersehn. Du!! Glaubst wohl ich fürchte mich vor Deinen starken Soldatenarmen? Drück nur fest zu, und wenn Du mich erdrückst, ich schrei garnicht, Du!! Und überhaupt, wo ich jetzt so dick bin, da kannst Du mich schon mal herumwursteln ohne daß mir alle Rippen im Leibe wehtun.

Aber, daß Du's nur weißt. Alles, was Du Dir vornimmst beruht natürlich auf Gegenseitigkeit!! Ich sag Dir's [a]uch schon jetzt noch einmal im Guten: Wehe, wenn Du mich auslachst, weil ich auf einer Stelle dicker bin—Du!! Ich ……!! Aber wenn Du's doch tust, abfahren oder je nachdem, nausstecken tu ich Dich deshalb nicht. Es wird schon noch einen geben der mich so mag, wie ich nun eben bin. Du! Ich hab mit heimlichen Vergnügen Deine Zeilen heut gelesen, wo Du mir über Deine Eigenart berichtest. Ich sehe Euch dabei richtig vor mir; möchte gern Euch einmal belauschen ganz ungestört. Ich glaube das würde viel Vergnügen machen. Du! Herzlieb! Daß Du der alte [Roland] bleibst, mein [Roland] bleibst, das stimmt mich so sehr glücklich, Herzlieb! Du[!] Ich danke es Dir!! Und ich bin auch garnicht bange, daß Du Dich schwer eingewöhnen wirst in Deiner nächsten Umgebung. Du bist und bleibst mein geliebter, guter [Roland]!  Nur mein!! Und wir wollen unsere innige Verbundenheit, unsere regelmäßige Verständigung immer aufrecht erhalten, wie bisher. Und bei Dir mit der Bedingung, wenn es irgend nur Dein neuer Dienst erlaubt, auch weiter täglich aufrecht erhalten. Wir können uns so unmöglich auseinanderleben, oder gar verlieren. Du! Das könnten wir ja im Leben nie, uns verlieren Du!!! Und wenn Du ganz weit fort von mir wärst und wenn die Post nicht mehr ginge. Ich bin nur ganz Dein, so lange ich Atem in mir fühle!! Hörst Du mich? Möge der böse Krieg bringen, was er will. [Ich] bin Dein! Ich glaube an Dich! Ich warte auf Dich! Und Du wirst wieder kommen, mein Leben!! Du gehörst zu mir!! Meine Seele ruft ja so sehnsüchtig nach Dir!! Ich liebe Dich! Du! Herzallerliebster! Ich bin immer bei Dir, alle Tage, allezeit. Ich kann nicht sein ohne Dich.

Du weißt es.

Mein [Roland]! Ich will warten auf Dein Zeichen, wohin ich nun meine Post senden soll. Am Sonnabend soll voraussichtlich die Reise losgehen? Da kannst mal an mich denken, Du! Da hab ich große Wäsche! Seit Mitte August nicht mehr gewaschen. Wenn's nur bissel [sc]hön draußen wäre. Ich will an meinen treuen Mann denken! Vielleicht hilft's! Und alle unsre Doppelfenster muß ich waschen und putzen. Es ist höchste Zeit. Eine stechende, beißende Kälte und während ich hier sitze und schreibe, fallen die Flocken ganz dicht von einem dick verhängten, grauen Himmel. Und abends Du!! Hu—wie mich friert!! Die Wärmflasche wärmt doch nur grad das Stückel an mir, wo ich sie gerade hinlege. Du!? Dickerle!? Magst sie nicht ersetzen?!

Warum ich Dich Dickerle nenne? Na — weißt — das ist mir der Inbegriff etwas recht Lieben, Schönen, etwas Guten, Molligen, etwas Geborgenen. Es ist eben etwas, was ich ganz sehr gerne habe, das Dickerle. Warum? Wo, es ist eben auch eine Leidenschaft, oder eine Schwäche, (wie man bei Frauen lieber sagt) die ich habe. Ich will Dich halt mein Dickerle nennen, wenn mir das '[Roland]' zu respektvoll in den Ohren klingt. Du mußt Dir's auch anhören, Du!! Ob Du willst, oder nicht. Bei einem Mann ist es nähmlich nämlich schwer einen—sagen wir Kosenamen — zu finden.

Aber Du darfst nicht denken, daß ich hier auf Deinen Achtern anspiele! I [sic] bewahre, ich mein das Dickerle vorn, weiter oben. Eben Dein liebs Gesichtel [sic]. Nu ist's aber genug.

Jetzt muß ich noch stricken Du! Damit ich Dir endlich mal Deine Müffchen mitschicken kann. Sag, Dickerle! Würdest Du Dich freuen, wenn ich Dir 1 Paar Ohrenschützer mitschicke? Will sehen wo ich welche kriege. Bei Euch ist's doch nun auch sehr kalt, nicht?

Mein geliebter, guter [Roland]! Nochmal: alles, alles Gute für die Besichtigung und für die Fahrt! Behüte Dich Gott auf allen Wegen! Bleib gesund! Ich will immer Deiner denken, voll großer Liebe, voll großer Sehnsucht, Du! Ich hab Dich so von ganzem Herzen lieb! Ich küsse Dich, Du!! Ich bin nur Dein!

In unvergänglicher Treue bin ich Deine Holde.

Und Du bist mein!!

Nun ist Freitag. Der vorletzte Monat vom langen und doch auch kurzen Jahr beginnt. Das Geschäftliche ist geregelt. Mit Dir will ich nun noch Plauderstündchen halten, ehe das große Rennen beginnt. Wäsche! Ist das Viel!!! Ich sortierte sie über Mittag mit Mutsch, um 5 [Uhr], wenn sie [hei]mkommt, weichen wir ein. Morgen und sicher auch am Sonntag heißt's dann: Ran an den Feind! [Siehe Ausschnitt aus dem Brief.]

Da kommt mein Dickerle nun mal bissel kürzer weg an diesen beiden Tagen. Es ist mir aber darum nicht gram!? Ich kann's ja sowieso noch nicht wegschicken. Reine gemacht habe ich schon seit Mittwoch, immer schön der Reihe nach. Daß wir im Winter waschen müßten, hätte ich nicht gedacht, als ich von Kamenz zurückfuhr. Die Zeiten ändern sich.

Und wenn ich das schreibe, sie ändern sich, so denk auch ich, wie Du in Deinem lieben Montagsbrief, an die Zeit zurück, [da] wir das erste Mal heimgingen, heim zu uns.

So standhaft waren wir, so scheu voreinander — und dabei hätte ich doch zu gerne meinem lieben, eigensinnigen [Roland] gezeigt, wie so lieb ich ihn habe, wie zärtlich und gut ich mit ihm sein möchte.

Nach wie vor wahrten wir unseren Abstand, bei aller Herzlichkeit in Wort und Blick. Gut war es. Wir schätzen so viel mehr den Wert um den Besitz des anderen, wir fühlten unser Sehnen nur noch tiefer und inniger heranreifen, bis wir einander ganz gewiß waren eines Tages.

Von dem Tag in Lichtenhain sagst Du mir in Deinem Brief[.] Ich weiß alles noch ganz genau, Du! Es ist eigentlich heute vorbei, zwecklos darüber noch ein Wort zu verlieren.

Aber ich will doch das klären helfen, was Dir unklar blieb damals — will ergänzen, was Du begannst.

Ich habe geweint über Deinem Liede. [Siehe Ausschnitt aus dem Brief.]

Ich habe es gehört, ich habe es gefühlt, was bis jetzt Dein Inneres, Dein Sehnen erfüllte. Es war die Welt, die Welt die ich zu ahnen begann nach der mich verlangte, weil ich spürte, hier ist Erfüllung hier ist Frieden und Seligkeit, die auf Erden, indieser [sic] anderen Welt nicht zu finden sind; weil der Mensch [noc]h fern ist, der mir diese Erfüllung bringen könnte. Mit Deinem Liede tat sich mir ein Tür zum Licht auf, ich sah hinein in den hellen schönen Baum der Kunst, der Musik, der all die Zeit vorher Deine vertrauteste Umgebung war. Ich sah, wie Du, gefangen von den Tönen, von ihrer Zaubermacht mit fortgerissen wurdest, wie Du entrückt, selbstvergessen, mit allem Sinnen bei ihr war's, bei der Frau Musiker. - Und ich? - So klein, so schwach, so arm. Was war denn meine Liebe gegen diese Macht von Schönheit, [g]egen diese bezwingende, große Siegerin Musik?


Weh und Traurigkeit erfaßten mich so ungestüm, ich mußte weinen, weinen. Ich fühlte mich so unendlich traurig, verlassen; zu schwach auch, meine Erregung, das, was in mir vorging vor Dir zu verbergen. Hinter Härte zu begraben, ohne daß Du etwas siehst davon, wie es in meinem Herzen schmerzte und daß ich leise, ganz leise begann, meinen heißesten Wunsch, Dich mit meiner Liebe zu erringen, Dich zu besiegen, zu begraben. O, daß ich allein mit meinem Weh war, daß ich so ganz allein mich wieder fassen mußte, um den Tag mit Dir zu vollenden. [W]ie konntest Du mich auch nur ein wenig lieb haben, wenn Du nicht ein einziges, noch so kleines Wort fandest, das mir Trost sein konnte?

Wie habe ich die Zähne zusammengebissen, um keinen Laut vernehmen zu lassen vor Dir, als wir die Kirche verließen. Ich wäre so gerne weiter gelaufen, weiter, ganz gleich wohin. Nur nicht mit Dir allein sein im Zimmer, die Qual immer mehr verlängern, durch Deinen Anblick. Ich habe mich noch nie im Leben so sehr bezwungen wie einst. So lieb hatte ich Dich, so sehr lieb. Und Du fühltest nicht mein heißes Sehnen. Fühltest nicht, daß ich so gerne mich an Deine Brust gelehnt hätte, um geborgen zu [s]ein bei Dir, der Du mein ganzes Glück verkörpertest.

Nicht genug des Schmerzes.

Du brauchtest meinen Trost, brauchtest ja selber Halt. Und ich habe blutenden Herzens versucht Dir Halt zu sein. In meiner grenzenlosen Liebe zu Dir, trotz meiner Seelenqual wuchs mir die Kraft, Dich zu trösten. Es war mir wie ein Wunder. Wie ich damals von Dir ging, Du! Es schien mir alles wie in einem Nebel; Du. Der Abschied. Als mein Zug sich in Bewegung setzte, da war mir, als sei eine Tür zugefallen, für immer.

Meine Liebe zu Dir war größer, größer als alles andre, was auch geschah. Ich blieb Dir treu, blieb Dir ganz verbunden, wenn Du mich auch übersehen hattest.

Ich mußte Dich lieben und wäre es um mich selbst gegangen. Ich konnte nicht anders.

Mein [Roland]. Vergessen die Qual, vergessen der Schmerz; die Zeit der Prüfung. Ich habe mich selbst besiegt, weil Gott mir die Kraft schenkte, zu lieben, lieben — endlos zu lieben. Und all meine Liebe, ungeteilt, gehört dem Menschen allein, dem sie in meinem Leben zuerst entgegenschlug, hell und groß und rein, wie sie nur bei einem Mädchen sein kann, das zum ersten Mal die Liebe fühlt. Mochte mich dieser Eine erkennen, mochte er mich verstoßen, meine Liebe bliebe sein, solange Leben in mir ist.

Und er hat mich erkannt, hat mich erkannt!!

Darüber ist soviel Jubel und Dankbarkeit in meinem Herzen, daß ich alles Weh, allen Schmerz vergessen kann, der vordem mein Herz zerreißen wollte.

[M]ein [Roland]! Weißt Du, daß ich Deine [Hilde] bin, immerdar? Daß ich Deine [Hilde] war, ehe Du mich kanntest, ehe Du mich sahst?

Nach großem Schmerz kam großes Glück. Kannst Du nun ein wenig besser verstehen, wenn mir bange wurde vor soviel Glück? Wenn ich schwarz in die Zukunft sah, so oft? Du hast es nie so ganz gewußt, was ich im Innern durchgekämpft habe um unser Glück. Ich bin eine Natur, die nicht so leicht vergißt, verschmerzt. Ich habe auch erst langsam, langsam mich an das große Glück gewöhnen müssen, das mir beschieden ward. Ich konnte es lange Zeit nicht fassen, daß es Wahrheit ist, was mir geschah. Der köstlichste Schatz auf Erden ist, woran unser Herzblut hängt. Menschenhände können ihn uns nie entreißen. Und nun, da unser Bund vor Gottes Angesicht geschlossen ist, dürfen wir nicht mehr zweifeln und wanken. Vertrauen, die unentbehrlichste Stütze uns[’]rer Liebe, wir halten sie hoch über allen Schmutz, der uns begegnet. Ich bin Dein und Du bist mein.

Ganz klar und deutlich stehen diese Worte in unserem Herzen eingebrannt.

Es bedarf keiner Bitte, es bedarf keiner Mahnung, daß wir uns einander diese Worte ins Gedächtnis rufen. Sie sind uns Zeit und Weg, sie sind unser Herzschlag, unser Leben.

Herzallerliebster, Du!! Sollst nicht Dich arm fühlen in Deiner Liebe zu mir. Du!! Ich weiß, aus wessen Herz sie mir entgegenströmt! Aus einem Herzen, das lang-o-lang [sic: siehe Ausschnitt aus dem Brief] mit einem Eispanzer umgeben war.

Der nun geschmolzen ist für immer. Und ein gutes Geschick fügte es gnädig, daß dies arme, oft so frierende Herz in zwei ganz heiße, junge Hände gelegt wurde, die es hegen und hüten, innig und zart. Und die Hüterin des Herzens ist so unsäglich glücklich, wenn sie spürt. Dein Herz erblüht immer mehr, immer schöner, es wird bald Zeit, daß du dich eigenes auf den Weg machst, damit du selbst siehst, wie groß und schön es erblühte, nur für dich, damit du viel Freude erleben kannst [an] ihm, viel Glück, und daß du voll innigen Wunsches und Willens bist. Dies Herz mit deiner ganzen Kraft weiter zu hegen, bis es für ganz und immer um dich sein wird.

Herzlieb?! Nicht bitten darum, daß ich Deine Liebe annehme! Ich sage Dir: Ich weiß, aus wessen Herz sie mir entgegen strömt! Du!! Du!!

Mein [Roland]! Nun bist Du schon an dem neuen Ort, an dem Ort, den ich so Gott will auch kennenlernen soll. Es hat mich geschluckt heute z[wisc]hen 10 und 12 [Uhr]! Gestern den ganzen Tag.

Vielleicht hast gar die beiden Wäschepakete noch bekommen. Und meinen Brief vom Dienstag, gewiß?

Arbeit wartet nun auf Dich, viel Arbeit vielleicht. Aber auch ein freieres Leben, und das ist schön. Wenn Du mir zufrieden bist mit dem Neuen.

Aus Deinem lieben Brief vom Dienstag ersehe ich, daß bis heut morgen 10 Uhr alles in Marsch gesetzt sein soll. Du!! Ich danke Dir recht sehr für Deine lieben Worte, Hubo! Ich wüßte ja garnicht wie mir geschähe, wenn ich nun mal eines Tages leer ausginge beim Postverteilen! Ich rechne so selbstverständlich, so sicher mit Deinem Boten täglich. Wenn nicht morgens, so nachmittags bestimmt. Und Du kannst Dir das auch denken, mein Lieb. Du bist so gut, Du opferst so manche Stunde, ja Minute von Deiner wohlverdienten Freizeit. Alles für mich. Du! Mein [Roland], ich danke Dir recht von Herzen darum! Wie reden andere davon, wenn festgestellt wird, wie oft ihre Soldaten schreiben. Ich bin ja so sehr stolz auf meinen Soldaten, wenn ich sehe, wie treu er mir ist, wie v[ie]l er meiner denkt—und noch dazu so lieb!! Ich glaube nicht, daß noch jemand neben mir so liebe Briefe erhält. Ich kann es nicht glauben, Du! Und es ergeht mir ja ebenso wie Dir!: man ist außer sich, man ist direkt entrüstet wenn man hört, täglich bekommt sie Post — täglich schreibt sie! Ich sage das so niemanden. Nur, gerade wie in der Kantorei, wenn es in der Gesellschaft die Rede gibt—ich hab immer bloß draufgehört, wie's bei den andren is t— “na und bei Dir, [Hilde], wie ist's da?” Da kann ich dann nicht ausweichen und ich sagte auch die Wahrheit—und im Geheimen nicht ohne Stolz—da waren [sie] natürlich platt, Du! Was sie hinter meinem Rücken sagen, ist mir vollkommen schnuppe, glaubst? Aufregen tun sie sich bestimmt, das liest man ja schon aus ihrer Miene. Wenn wir nur immer genug Papier haben zum schreiben, nicht wahr? Das andre kann ihnen egal sein.

Ein gut Teil Papier geht ja nun wieder drauf, bis wir in's Reine sind mit meinem geplanten Besuch und mit dem damit verbundenen Drum und Dran!

Es ist wirklich sehr umständlich, wenn ich in Halle übernachten würde. Es ist doch auch finster so frühzeitig und ich würde mich allein nicht von da draußen herein nach [der] Stadt finden, zum Bahnhof. Ich müßte direkt Onkel Karl bitten, daß er mit mir läuft, bis ich mich dann weiter allein auskenne. Er fährt sonst mit dem Rade ins Büro.

Ich hab aber einen anderen Gedanken. Papas Cousine wohnt in Leipzig, nicht so sehr weit vom Hauptbahnhof. Bei der könnte ich auch übernachten. Ich war mit den Eltern dort, als ich 3 Jahre alt war. Sie kennen mich vielleicht garnicht  mehr. Aber geschrieben haben wir uns dann und wann. Auch zur Hochzeit gratulierten sie uns. Albert R. Leipzig, Dimpfelstraße 3.

Ich werde ihnen mal schreiben und das 'Eventuell' mit bemerken damit sie ein bissel vorbereitet sind. Wenn ich komme, dann ist es doch auch nicht mehr so lang hin! Du! Am 22. November.

Aber da ist nun wieder das zu bedenken: Leipzig ist jetzt sehr in Gefahr durch die Engländer. Da bin ich in Halle besser aufgehoben; denn die wohnen eben weit außerhalb der Stadt, ist eine Beamtensiedlung, nennt sich 'Eigene Scholle'.

Na weißt, irgendwo bleibe ich schon, [We]nn ich nun wirklich komme, zu Dir! Ich werde mal den Hallenser [Laube]s klarmachen, was ich vorhab — im Briefe. Werde mal vorfühlen, ob Onkel Karl seiner lieben Nichte [Hilde] zulieb mit zeitig aufbricht, damit sie auch sicher und zur Zeit am Zuge ist, der sie zu ihrem lieben Manne bringt. Er fängt erst um 8 morgens an.

Lieb ist mir's schon, wenn ich in Halle bleiben kann, sie sind mir vertrauter, als R.s. Ich hab nur Angst, daß ich nicht zur Zeit am Zuge bin.

Überhaupt, das Hochzeitsgeschenk aus Halle ist schon lange da. [Ein]e längliche, hohe Schale auf Füßchen stehend, Meißner Porzellan äußerst kunstvoll verziert mit erhobenen Blumen dran. Vorzügliche Sache, beim Abstauben—Brrrr!!!

Also von mir aus — weg —  eine Etage höher, wo's finster ist und das Dach näher! Es ist ein Stück, das beste aus Tante Grethes Vitrine. Bestimmt ist es wertvoll. Aber ich kann solchen Krempel nicht verputzen.

Sie hat es Mama schon lange gezeigt und mir zugedacht, es hätte 90 M gekostet. Lieber wär mirs Geld gewesen. Welch undankbares Balg!! Aber wenn sie uns besuchen kommen, kriegt das Schiff — so siehts nähmlich [sic] aus — einen Ehrenplatz, bestimmt.

Also, in den nächsten Tagen, nach der Wäsche, schreib ich nach Halle, danke ihnen und werde anfügen, daß ich sie vielleicht bald persönlich überrasche und auch gleich mal ihnen imeinen lieben Mann vorstelle auf unseren Hochzeitsbildern. Sie freuen sich ganz bestimmt.

Herzallerliebster!! Hier habe ich gestern abend Freitag aufgehört, ich mußt in's Bett, weil wir heute früh, (am Sonnabend) um 600 im Waschhaus antreten w[o]llten. Ja, ich habe ekelhaft geschuftet mit Mutsch zusammen. Wir sind bald, bald am Ende, aber ganz fertig werden wir heute nicht mehr. Morgen gibt's bloß einen halben Sonntag. Aber das ist nicht so schlimm. ½ 4 nachmittags ist's, Du!! Du!!

Du hast mich doch gleich vom Waschfaß verjagt mit Deinem Telegramm!! Die Mutsch u. Papa haben mit dem Kop[f] geschüttelt! Und ich - Du!! Na, ich hab mich ganz toll gefreut!!! Und wenn der Kessel überkocht, ist mir ja jetzt soo schnuppe — jetzt kriegt mein lieb's Dickerle erst seinen Brief. Seinen langen Brief, auf das es schon lange gewartet hat. Stimmt's?

Mein geliebter [Roland]!! Herzlich willkommen denn, im neuen Standort! Ich folge Dir auch überallhin nach. Bald vielleicht wirklich - leibhaftig! O, nur jetzt nicht so sehr daran denken, mir schmeckt dann die Arbeit gleich nicht mehr, Du!!

Morgen hörst ein wenig mehr noch von mir!

Mein geliebter, guter [Roland]!! Hab Dank! Du!!

Ich bin ganz fest bei Dir mit allen Gedanken, mit all meinen guten Wünschen!! Auch von den Eltern tausend Grüße! Roland! Mein Roland!! Ich bin so sehr glücklich!! Du!! Ich liebe Dich!!

In ewiger Treue immer Deine Holde.

Behüt' Dich Gott! Liebster!

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Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.401102-002-01a.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946