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[OBF-401115-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 15. November 1940

Mein liebes, teures Herz! Herzallerliebste! Geliebte! Holde mein!

Du! Wie schön eine Vollmondnacht ist im November, dazu hatte ich vergangene Nacht Gelegenheit, es zu bewundern. Mußt wissen, auf den Winter zu und den Winter über steht der Mond bedeutend höher am Himmel als im Sommer, gerade umgekehrt, wie sich die Sonne verhält. Man kann dann nachts einen richtig ins nächtlich mondlich übersetzten Sommertag erleben. Von Zeit zu Zeit überzog sich der Himmel, der Sturm blies, wenn auch schon etwas schwächer, und im Norden wetterleuchtete es aus dicken Wolkenballen. So aller 2 Stunden weckte uns die Alarmklingel – bis auf ein Mal waren die Leute vergeblich an ihren Geschützen. Die Engländer hatten es auf Berlin abgesehen und flogen über uns hinweg nur an. Heute brauchten wir erst um 9 Uhr uns zu erheben, da warst schon längst aus den Federn.

Kalt ist es hier in S[ch]leswig Holstein nicht so sehr, aber es geht viel Wind. Weißt, wenn er es gar arg treibt, dann bleiben wir eben to hus, da ists auch schön, Du! Dann drücken wir zusammen die Scheibe[^]Nasen an die Scheibe und lassen ihn sich austoben.

Ich bin gespannt, ob ich den Brief heut noch fertig kriege. Eben wurde ich im Schreiben durch den ersten Alarm unterbrochen, das war um 8 Uhr. Jetzt benutze ich die Stunde Freiwache um weiter mit Dir zu plaudern. Ganz allein bin ich in uns[e]rer großen Stube – Dein Bild steht vor mir – heute ist es Dein Bild nur – über 8 Tage wills Gott – steht sie leibhaftig vor mir, meine [Hilde], mein Herzlieb! 10 Uhr zeigt die Uhr – – Wenn ich da bis um 12 Uhr Urlaub kriege, Du! – – ich glaub – um 10 Uhr – Du – da schlafen wir schon feste!!! Weißt, jetzt ist genau neben mir eine Koje frei, und ich darf nachts mal hinüberlangen und denken, es gälte meinem Herzlieb! [’]S ist auch die richtige Seite – richtig, wie Du es bestimmst, weiß nicht, warum, nun ja – die Dame zur Rechten. Dein Dickerle hat sich auch schon ganz gut daran gewöhnt.

Dein lieber Bote blieb heute aus, er wird auf der Post in Eckernförde liegen, ist verspätet eingetroffen heute, sodaß ihn unser Postbote nicht bekam. Dafür krieg ich morgen zwei, Du! Wie ich mich schon freue!! Viel Arbeit gab es heute wieder. Die Woche ist wie verflogen. Die Tage bis zum lieben Besuch werden in Windeseile verstreichen. Und Dein Hubo muß nun mit seinen Vorbereitungen genau rechnen: Das Urlaubsgesuch Sonnabend – Sonntag pünktlich einreichen – Hose bügeln lassen – und viel anderes, psst, psst, psst. Ich kann das auch: [p]sst, psst – bloß daß auch nach Evchenart etwas dahintersteckt; will nicht recht gelingen. Wir Männer haben doch eigentlich gar nichts zum Verstecken, wir spielen mit offenen Karten! Aber ihr: Psst, psst und noch einmal psst.

Nun ist wieder ein Sonntag heran:

1) Gang zu Frau Holle – diesmal werde ich sie wohl antreffen. Daß ich so oft hingehen muß, hat sein Gutes – weiß ich dann besser, wie weit es bis zur Liebsten ist, kenn ich dann auch die Hintertürchen, weiß den Riegel, und die Tür, Du!! Bist dann keinen Augenblick sicher, Goldmarie – und zuriegeln? – Dein Hubo hat ein Schlüßlein, ein Zauberschlüßlein!! — Will mich genau umsehen und Dir davon schreiben.

2) Gang nach Eckernförde – bei gutem Wetter nur – Kamerad H. hat Geburtstag und will etwas zum besten geben. Bei einbrechender Dunkelheit, muß’ Dein Dickerle heim, muß noch schreiben an sein [Hilde]lieb. Und das [Hilde]lieb wird seinen Drasch haben, wenn dieser Bote kommt – wird wieder ganz gesund sein bis dahin, hoffentlich – und der ganze Drasch gilt zumeist dem Zauberköfferchen – darf Dein Dickerle auspacken helfen? In welchem Kleidel wird ich Dich denn sehen zuerst? Ach weißt! Auf die Fahrt ziehst eins an, was den Schwamm naß hält – und hier angekommen – gehst schnell ins Stübel, ziehst Dich um – steckst Dein Dickerle derweilen naus – aber lang darfs nicht dauern, Du! – Und dann rufst herein – und dann – ist Bescherung! Du!! Liebste, Herzallerliebste!! Geliebte!!! Holde mein!!!
 
Herzlieb! Du! – Ach es schläft noch – u. träumt – wovon es wohl träumt? – Einen schönen guten Morgen! [Siehe Ausschnitt aus dem Brief.]
Es war eine im ruhige Nacht wieder – der böse Mond draußen – Du, der drinnen ist viel, viel guter! – aber 4 Stunden hat uns der Tommy doch schlafen lassen.

Nun will auch ich mich noch mal niederlege [sic].

Behüt Dich Gott! Bleibe froh u. gesund!

Morgen hörst Du wieder von m[ir].

Du! Ich küsse Dich! – heut[’] nur mit Tinte – Ich bin immer bei Dir! – heut nur noch im Herzen – Ich bin Dir ganz ganz ganz nahe!!! [Siehe Ausschnitt aus dem Brief.]
Du!!! Fürchtest Dich? – Aber halt, heut noch nicht, heut noch ganz brav[.] Aber bald, Du! bald! Bald!! Liebste! Geliebte!! Holde mein!!!

Ich bin Dein und gehöre Dir und halte Dich ganz ganz fest und lasse Dich nie und nimmermehr los, Herzlieb!!!

Ich bin in alter Treue immerdar Dein Hubo, Dein Dickerle, Dein [Roland]!

Und Du bist mein! ganz, ganz, ganz MEIN!!!

Geliebte!!!

Bitte grüße die lieben Eltern!

 

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Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.401115-001-01c.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946