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[OBF-410404-002-01]
Briefkorpus

Freitag, am 4. April 1941.

Mein geliebtes Herz! Du mein lieber, allerliebster [Roland]! Du!!

Ein herrlicher Frühlingstag ist heute, die liebe Sonne strahlt mit deiner [Hilde] um die Wette! Du!! Eben bin ich aus der Wanne gestiegen; ich habe gebadet, so gut es eben ging. Bin erst am Sonntag ganz gesund. Und nun geht die Uhr auf 3 am Nachmittag. Mein Programm an Reinemachen ist für heute erfüllt – morgen gehts [sic] weiter – nun bin ich bloß noch für meinen Hubo da! Du!! Heute früh kam schon wieder ein lieber Bote von Dir! Wie ich mich doch darüber freue, Herzlieb!!

Nun kommt er vielleicht wieder täglich, der Ersehnte? Du!!!!! Ich denke, daß Du nun inzwischen auch von mir etwas Geschriebenes in Händen hast. Du Treuer! Du!! Hast ja noch ein paar Tage länger warten müssen auf Post als ich. Hauptsache, es gelangen alle meine Briefe in Deine Hände.

Herzlieb! Am Heldengedenktag, am 16. März, erhielt ich den letzten Bericht, den Du auf einer unterwegs-Station [sic] abgabst. Dann kam die lange Wartezeit – nun halte ich die Berichte vom 15. März, [a]ls ersten nach der Pause in meiner Hand. Am 15. März, das war der Sonnabend, an dem Siegrfried wieder abreiste nach Kamenz. Da haben wir noch einmal fest an Dich gedacht. Ob Du wohl die Briefe nun hast, in denen Siegfried mit schrieb [sic]?

Als ich den Aufgabeort Pardubitz las, da nahm ich den Atlas her und kombinierte mir etwas zurecht. Daß Du durch Ungarn fahren würdest, dachte ich bestimmt und nun lese ich: Wir kamen an den vielumwalzten Strom – lese von der Stadt B. [sic]! Ja – weiter gings’, nach der Hauptstadt Rumäniens wohl, das ist das andere B. [sic], von dem Du schreibst.

Herzlieb! Da bist nun in Deiner fahrenden Stube an der fremden Welt vorbei gezogen – wenn auch ein groß Teil [sic] Anstrengung und Entbehrung damit verbunden waren – es muß Dir doch eine rechte Augenweide gewesen sein, all das Unbekannte, Schöne!

Zu denken, wenn man diese Fahrt ohne den finsteren Hintergedanken Krieg tun könnte! Wieviel Freude und Lust wäre das für viele von Euch! Ich weiß, mein Herzlieb, und ich verstehe ja so gut, daß Deine Sinne und Gedanken von dieser ruhelosen Gegenwart benommen sind und waren – ich kann mich so gut in Deine Lage versetzen, Du! Und doch! Du hast so lieb, so oft meiner gedacht! Hast mir alles geschrieben, was ich zu wissen wünschte! Hast jede freie Stunde zuerst mir geschenkt! Ich wußte es ja, Geliebter!! Du!! Und weil ich das wußte, darum fand ich auch in den letzten Tagen Geduld zu warten! Du!! Ich war gewiß, daß Du mich nie vergessen hast! Geliebter! Und das muß ich Dir hier gleich sagen: Du darfst mir nicht noch einmal von einem Minderwertigkeitsgefühl schreiben, das Dich bedrängen will, wenn Du deine täglichen Berichte an den meinen mißt! Es ist immer noch das alte Übel, das uns drückt!! Wann wird sich das endlich eines von uns beiden abgewöhnen? Du!!! Was Du mir jetzt schreibst aus der Fremde, ob viel – ob wenig – ob lieb – ob traurig – ob flüchtig – ob mit Muse [sic] – Du!!! Wenn Du wüßtest, Liebster! wie wertvoll sie mir alle sind, Deine Zeichen – auch das Kleinste – dann wärst Du froh und ganz zufrieden mit mir! Ich will nur sehen, daß Du noch gesund bist – will nur wissen, wo Du dich befindest. Ich weiß, es kann passieren[,] Du mußt mir das in Zukunft verschweigen. Du! Hier darfst Du eine List gebrauchen – nur für mich sichtbar – es kann ja nicht strafbar sein!

Du! Mit großem Interesse verfolge ich Deine Ausführungen über Deine Fahrtrichtung – welche Umwege bis zum Ziel! Es wird schon seine Gründe haben. Wenn Du wirst erst wieder [ein]mal bei mir sein, dann kannst Du mir die ganze Strecke mal an Hand der Karte zeigen – darauf freue ich mich schon, Du!

Dann fahre ich nochmal mit Dir – wenn auch nur mit dem Finger, die Bilder der Umgebung, die hast Du mir ja so lieb und so anschaulich vergegenwärtigt – fast, als hätte ich es eigens gesehen. Ich kann mir richtig eine Vorstellung machen von all dem, was Du mir von den Sehenswürdigkeiten beschreibst – nur daß es in Wirklichkeit um vieles schöner sein wird.

Fremde Zungen sind nun rings um Dich her, aber Du wirst oft genug auf andre deutsche Waffenbrüder stoßen auf Deinen Gängen durch die Umgegend. Du sagst mir ja sogar in einem Briefe schon davon, daß Du und dein Kamerad andre Soldaten getroffen haben, mit denen ihr Euch nett unterhalten habt.

Mein Vetter Karl P. ist auch in Bulgarien, er schreibt, daß die Tage sehr heiß und die Nächte so kalt seien, er verträgt das Klima schlecht. Sie haben auch oft Trinkwassermangel.

Ich möchte wissen, wie Du Dich ans’ Klima gewöhnen wirst. Eigene deutsche Verpflegung habt ihr wohl bei Euch?

Von der Kälte sagst Du mir, die Euch während der ganzen Fahrt nicht verlassen hat. Hoffentlich hat sich bei Dir nichts festgesetzt, Herzlieb, Du! Bist schnell belegt im Halse! Sei auf der Hut! Verlange nur vom Sanitäter Wasserstoff zum Gurgeln, wenn Du [et]was spürst! Einen tragischen Unfall hast Du miterlebt. Der Leutnant, der durch seine Unvorsichtigkeit umkam. Es ist sehr bedauerlich, daß er auf diese Art und Weise ums Leben kam – aber, ich kann ihn nicht persönlich bedauern, wer so unvorsichtig handelt, verdient kein Mitleid. Den Schaden zu untersuchen, waren gewiß zuständige Fachleute zur Hand – was kümmert einen Leutnant ein Defekt am Wagen des Zuges! Ich bin so ruhig, wenn ich mir Dich in solche Situationen versetze: Du bist nicht so, so naseweis und so unüberlegt und darum bin ich sehr, sehr froh. Glaubst Du mir das, Herzlieb? Du!! Denk’ an mich! Denk’ an unsre Zukunft!

Immer, mein [Roland]! Du tust es ja immer – ich weiß es.

Sonntag, am 23. März bist Du nun endlich an das Ziel der Reise gekommen. Ach, Herzlieb! Tust mir so leid – diese endlos lange Fahrt, ich kann mir ja gar keine Vorstellung machen, was es zu bedeuten hat, so lange durchzuhalten. Aber nun hast Du wieder einmal Ruhe, kannst Dich langstrecken zum Schlafen – ja, viel Platz gibts’ freilich im Massenquartier auch nicht, aber Dir ist gewiß schon dieser und jener Vorteil angenehm. Mußt mir das alles später mal erzählen! Wie lange nun Eures Bleibens dort in S. [sic] sein wird, hängt von der Entwicklung der politischen Dinge [a]b. Ich kalkuliere der momentanen Lage entsprechend – und ich vermute Dich in Kürze in einer der jugoslawischen Küstenstädte. Abwarten.

Du! Siegfrieds General Rommel geht in Afrika um! Hörtest Du schon von seinen Taten? Siegfrieds Panzerkompanie hat sich unter seiner Führung in Frankreich den Namen „Geisterkompanie" erworben. Würdest Dich nicht wundern, wenn einer von [Nordhoffs] auftauchte? Du!! Das wär’ ein Hallo!

Was werden denn bloß Deine Eltern sagen, daß Du so weit von uns abgerückt bist? Meine Freude über deine Nachricht mußte sich gestern Luft schaffen, ich habe gleich Mutter und Vater gesch[ri]eben, wo Du nun bist. Mutter will doch endlich ihr Gebackenes absenden. Du behältst nun Deine Nummer, das ist schön.

Bin neugierig, wann mein Osterpäckchen bei Dir eintrudelt! Etwa auch per Flugpost!? Huch, wie feudal! Hoffentlich wird das dem Getier, das im Päckchen sitzt, auch bekommen! Du! Daß die mir nicht etwa das Nest verunreinigen!! Sei nur vorsichtig beim Auspacken! Greif’ behutsam hinein!! Du! Herzlieb!! Fühlst Du, wie froh ich wieder bin? Ich möchte Dir am allerliebsten einen ganz herzhaften Kuß schenken! Du! Es kann wieder [ein]mal bloß ein Tintenkussel sein! Wer führt Protokoll über die Küssel? Ach weißt, das fällt im Krieg wegen Arbeitsmangel weg hm?

Ist das nicht eine kluge Lösung?

Du! Ich wills’ garnicht schriftlich sehen – ich nehme mir ganz einfach so viel als ich nur mag und fassen kann!! Wenn nur erst die Zeit gekommen ist dazu!! Aber dann.... Herzlieb! Für Deinen so lieben Brief vom Mittwoch den 26.III. danke ich Dir recht herzlich! Ich bekam ihn heute am 4.IV. früh. Ja – 8 Tage geht die Post, am 27.III.41 ist er abgestempelt und heute, am 4.IV.41 ist er bei mir.

Du erzählst mir, daß Du zum ersten Male ausgegangen bist, schön! Sieh Dich nur fleißig um! Du mußt mir erzählen – erzählen, wenn Du heimkommst! Von allem, was Du sahst. Auch von den schönen Dunkeläugigen des Orients!

Aber die Luderchen scheinen zum großen Teil gar keine Seltenheit zu sein! Du sagst, sie seien europäisch gekleidet und – bemalt!! Ich dachte nun, Du könntest mir eine von den begehrten Bulgarenstickereiblusen mitbringen, derweil gibts´ da auch schon europäische Moden. Tja – man hält Euch knapp mit dem Klingenden! Ich will Dir etwas schicken. Aber morgen erst, dieser Brief ist schon so dick. Hoffentlich kommt es gut an!

Und Deine weiteren Bitten will ich Dir gern und so bald wie möglich erfüllen. Ob ich jedoch gleich 10 Filme in kurzer Zeit kriege, bezweifle ich – man bekommt in jedem Laden nur 1 Film seit Krieg ist! Wenn Dein Brief ankam, ehe ich nach Chemnitz fuhr! Schade, da hätte ich alle Geschäfte abgeklopft. Na, ich tue mein Möglichstes, das weißt Du doch! Seife könnt Ihr kaufen? Oh, ich beneide Dich!!

Was geschieht denn mit Eurer zuständigen Löhnung, wenn nur ein Teil ausgezahlt wird? Bekommt Ihr das Geld gar nicht in Eure Hände? Und wenn ich Dir welches schicke, kannst Du das eintauschen auf der Bank – oder nehmen sie auch deutsches Geld? Wenn unser Geld da zählt, schicke ich Dir mehr, damit Du mir etwas von dem kaufen kannst, was es bei uns nicht gibt! Mußt einen bürgerlichen Absender draufschreiben.

Sag, Du hast soviel Mühe mit deinen blauen Sachen, soll ich Dir eine gute Kleiderbürste schicken?

Nun hast auch Du das Übel oder den Spaß, wie mans´ nun nennt, mit der Sprachunkenntnis durchzumachen. Wir haben da schon so viel gelacht, wenn Siegfried erzählt! Bei ihm gings´ noch, er kann Französisch. Na, Ihr Lausbuben werdet schon bekommen, was Ihr wollt – da kennt man doch den Soldaten! Und erst, wenns´ um etwas Feines zu essen geht, ja? Herzlieb, was Du mir erzählst von Deinem Gang, von dem Du die Stadt von oben betrachten konntest[,] das hat mir so gut gefallen. Ich will Dir so gerne viele Filme schicken, damit wir von all dem Schönen eine bleibende Erinnerung haben. Schicke mir die Filme unentwickelt heim, wenn Du sie da nicht los wirst. So haben es viele machen müssen, die in Frankreich waren.

Ich freue mich mit Dir, wenn Du deiner fremden Umgebung nach und nach immer mehr Reize abgewinnst. Schön ist es, daß man Euch bissel frei läßt. Du Schelm! Schreibst mir, daß sich [unlesbares Wort] die Schrift andrer Zeichen bedient, als hier in der Heimat. Z. B. [Hilde] sähe so aus:          . [sic, siehe Abbildung] Du Frechdachs! Wenn das Bulgarisch ist! Immer ein Stückel nischt, das würde ich auch noch lernen!

So. Mein herzliebes Dickerle! Für heute ists´ genug! Morgen? Da wird Vater kommen gegen 4 Uhr nachmittags. Mal sehen, wieviel mir da Zeit bleibt für Dich! Du!! Palmsonntag singe ich in der Kirche – ich will ganz fest an Dich denken – immer! Ich habe Dich sooo lieb! Ich muss ja nur immer an Dich denken, Du!! Du!!! Du!!!!!

Gott behüte Dich mir! Du mein Glück! Mein Leben! Du!!! Du hast mich so glücklich gemacht! In Liebe und Dankbarkeit

ewig Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946