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[OBF-410411-002-01]
Briefkorpus

Karfreitag, am 11. April 1941.

Mein geliebtes Herz! Du mein lieber, liebster [Roland]! Herzallerliebster!

Du!! Heute kam Dein lieber Bote wieder zu mir! Genau wie auch bei Dir, 2 Tage hat die Post ausgesetzt. Es wird an dem Abtransportieren liegen, ich denke, daß die Post garnicht alle Tage befördert wird – vor allem jetzt in den Tagen des deutschen Vormarsches. Ach Du! Du!! Mein Herzlieb!! Ich bin ganz aus dem Häusel vor Freude! Du hast mir meinen sehnlichsten Wunsch erfüllt! Ein Bild von Dir!! Ein Bild von meinem [Roland]!! Du hättest nur sehen sollen, wie ich gestrahlt habe vor Freude, Du!! Herzlieb! Du! Zum Fressen lieb hab ich Dich so! Mein lieber, blauer Junge! Du!!! Wenn Du mich mal in dieser Uniform besuchst, Du!, da drücke ich Dich tot vor lauter Liebe! Du gefällst mir ganz, ganz sehr! Noch viel mehr, als in Feldgrau. Herzlieb! Mein lieber, großer, schlanker Hubo! Welch ein schneidiger Matrose! Du!! Ich muß doch richtig eifersüchtig sein auf die, die nun mit Dir ausgehen dürfen? Aber – die sind ja genau so wie Du, Matrosen. Ich kann es nun kaum noch erwarten, bis die anderen Bilder kommen! Und die vielen Negative – wie werde ich mich freuen mit Dir, mein Lieb! Ich muß Dich immerzu ansehen, Du! Das Bild habe ich nun von allen am meisten lieb, weil es Dich mir zeigt, wie Du jetzt in Wirklichkeit aussiehst! Schmaler bist Du nicht geworden im Gesichtel! Bist mein liebes Mannerli geblieben, so, wie ich Dich im Februar scheiden sah. Bist nur „unrasiert und fern der Heimat!" Immerzu! Genieße die schöne Zeit, wo Dich keiner quält, sollst Dich rasieren! Wenn Du wieder bei mir bist, ist sie sowieso vorbei!! Das weißt Du doch, hm?! Das arme, zarte Kind tut mir leid, das so einem Mann mit Seemannskrause in die Hände fällt!

Aber mein Hubo wird wohl keine fremde Schöne drücken – ich kann es nicht glauben!

Nun hast Du selbst eine Bändermütze, siehste!! Und vorm' Jahre, als ich mit dem Bänderhut ankam, da hast Du mich ausgelacht! Weißt Du noch? Schlingel! Aber Deine Mütze können wir nicht schnurstracks umtauschen gehen!! Ich lache Dich aber nicht aus. Du gefällst mir! Und Muttern und Vatern auch, sehr! Du!! War das eine Freude heute früh bei uns allen! Du glaubst das vielleicht garnicht! Ein richtiges Fest war es für uns! Die Eltern sind schon stolz auf ihren Sohnemann! Du!! Aber ich auch! Ich noch viel mehr! Mein ist er!! Bloß ganz mein!!! Herzlieb Du!! Ich habe Dich so sehr lieb! Meine Sehnsucht nach Dir ist nun so groß aufgeflammt, seit ich Dein geliebtes Bild bei mir habe – ach, soo groß ist nun die Sehnsucht nach Dir, mein Lieb!!

Du! Da fällt mir doch eben etwas auf beim Betrachten. Bitte, bitte Herzlieb! Nicht auslachen, Du!!

Deine Hose, die hat ja gar kein Ställchen, Du! Das ist aber komisch. Kann doch das Schlüsslein überhaupt nicht rausgucken!

Das ist eine Hose fürs' fremde Land – kann keiner von Euch sein Schlüsslein unbefugt rauslassen, ja? Oder, warum ist es denn so? Weil Ihr eine kurze Bluse dazu tragt, die den Verschluß vorne nicht verdecken würde? Und weil sich dunkelblaues Tuch schneller abgreift, abnützt, als graues? Das mußt Du mir schon mal erklären, das interessiert mich wahrhaftig, Du!

Heute hat nun unsre Mutsch Geburtstag. Gefeiert haben wir ihn garnich [sic] – im Gegenteil – wir haben von früh bis abends ½ 7 Uhr geflimmert. Im Hausflur alles, alles abgeseift und neu poliert mit Möbelpolitur – auch sämtliche Türen der Wohnung.

Wunderschön sieht es nun bei uns aus, blitzblank!

Richtig zum Besuchempfangen ist alles bereit! Du! Du!! Wie wärs', mein Herzlieb? Ach, ich weiß, Du kämst lieber heute als morgen. Aber da müssen wir schon noch Geduld haben. Und wenn schon Dein Wunsch erfüllt würde, daß Dir die Schwalbe ihre Flügel leihen möchte – ich hätte soviel Angst um Dich! So weit müßtest Du fliegen und jetzt sind so oft Luftkämpfe über jedem Lande. Wenn Du nun ankämst und sie sähen Dich, solch Seltenen! Da würden sie schön Jagd nach Dir machen. Nein, Herzlieb! Ich will ganz fein geduldig abwarten bis Du wieder einmal zu mir kommen darfst und dann kommst Du so, wie alle Menschen zu reisen pflegen! Aber nicht so verwogen [sic]!! Eines mußt Du mir aber versprechen, Herzlieb!! Das nächste Mal nimmst Du allen Urlaub, den Du zu beanspruchen hast! Nicht teilen, wie Du es das letzte Mal tatest – sonst büßt Du nur ein! S. sagt auch, er sei klug geworden: nur nehmen, was man weg hat, hat man sicher – dann wird auch wieder Rot [sic]. Ich glaube nicht daran, daß Du nun Deine übrigen Tage Urlaub zu unserem 1. Hochzeitstag nehmen kannst.

Also von Mutters Festtag: Die Kamenzer Gratulanten trafen pünktlich [e]in! Über meinen Gabentisch hat sich Mutsch tüchtig gefreut! Sie findet gar keine Worte über die schöne Tasche, die wir ihr geschenkt haben – sie ist ganz platt! Sie wäre ja viel zu schön für sie, sagt sie! So sehr hat sie sich gefreut. Sie wird Dir schon berichten. Ja und die Feier verlegen wir auf den 1. Feiertag. Wenn es schön draußen ist, wollen wir alle mal ausgehen. Herzlieb! Auch Deine Glückwünsche habe ich mit überbracht, indem ich Mutsch unser beider Geschenk, die Tasche, überreichte.

Von Vater bekam sie Hemden! Die hat er durch einen Geschäftsfreund ohne [Bezugsschein]! Die braucht sie auch nötig für’n Sommer.

Immer reden wir von Dir, Herzlieb! Wenn nun nach Ostern die lieben Eltern [Nordhoff] kommen, wie schön es sei, könntest Du mit dabei sein! Wir schließen Dich in alles, alles mit ein, ohne daß Du es merkst – immer in Gedanken! Wenn Du nur erst wieder bei uns bist! Geliebter mein!!

Gestern abend ½ 11 Uhr kam eine Sondermeldung: deutsche Truppen zogen in Agram ein, die Hauptstadt Kroatiens! Das Bild auf dem Balkan hat sich in diesen wenigen Tagen so geändert! Die Engländer beginnen schon wieder, sich tapfer zurückzuziehen, wie das Radio berichtet – das ist so recht Britenart, wie es schon immer war, andere dürfen für sie bluten, selbst aber sind sie feige. Wo wirst Du sein, mein [Roland]! Die Post vom 1. April kam erst in meine Hände heute, unterdessen ist so viel geschehen!

Heute nacht, meldet der Wehrmachtbericht, flog der Feind in Westdeutschland ein, richtete wenig Schaden an. Es war gerade ¼ 4 [Uhr] heute morgen, als ich durch fernes Sirenengeheul erwachte. Mondhell war die Nacht – sofort stand ich auf[,] trat ans Fenster – nichts zu hören, weder zu sehen. Mutter schlief, Vater war im Dienst. Lange habe ich gestanden, gewartet – es kam kein Alarm für Oberfrohna. Um 4 [Uhr] bin ich in mein Bettlein zurück gekrochen. Ich habe immer an Dich denken müssen, mein Lieb, Du!! Es muß unheimlich sein, nachts Fliegeralarm im fremden Land, wo einem die Gegend so ganz fremd ist. Es ist schon daheim unheimlich genug, nachts, wenn die Bomber nahen.

Möchte Dich unser Herrgott behüten! Möchte er Dich mir gesund erhalten. Wir wollen ganz vertrauensvoll und furchtlos in die Zukunft blicken, mein [Roland]! Gott wird immer mit uns sein. Er segne unsern Bund und führe uns recht bald für immer zusammen! Du!! Mein geliebtes Mannerli! Du mein Sonnenschein! Mein Glück!

Ich liebe Dich! Ich liebe Dich herzinniglich, über alles in dieser Welt! Wenn Du mir nur bleibst, wenn Gott nur mit uns geht – mehr will ich nicht vom Leben. Dies allein ist mir Erfüllung! Du!! Gott sei mit Dir! Gut Nacht! Mein Herzallerliebster! Ich bin Dein! Nur Dein, in alle Ewigkeit!

Deine [Hilde].

[Hochkant an den linken Seitenrand der zweiten Seite geschrieben:] Höre, Dickerle!: Das nächste Mal mußt zu mir herschaun auf dem Bild!!! 

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Autor Hilde Nordhoff
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946