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[OBF-410418-002-01]
Briefkorpus

Freitag, am 18. April 1941.

Mein geliebtes Herz! Du mein lieber, guter [Roland]! Herzallerliebster!

Du! Heute ist wieder kein Bote von Dir gekommen. Ich bin aber garnicht traurig deshalb; weiß ich doch nun gewiß, daß morgen, an meinem Geburtstag wenigstens einer Deiner lieben Briefe kommt – wenn auch nicht der Geburtstagsbrief, so doch ein andrer lieber! Du!! Ach, Du weißt doch selbst, wie sehnsüchtig man immer nach ihm ausschaut! Herzlieb Du! Mein [Roland]!

Der heutige Tag brachte uns eine frohe Botschaft! Waffenstillstand in Jugoslawien, seit heute mittag 12 Uhr!

Ich habe es erst heute mittag gehört, obgleich schon gestern die Sondermeldung gekommen wäre. Du!! Wie mußte ich an Dich denken, bei den Worten des Ansagers! Ob Du wohl auch zugehört hast, Herzlieb? Nun geht der Kampf um Griechenland weiter. Wenn nur auch hier ein gütiges Geschick mit unseren Soldaten ist! Ach, mein Lieb ich kann ja nicht anders, als ganz vertrauend den Dingen entgegen sehen; ich weiß nicht seit wann, aber es ist eine große Ruhe und Zuversicht in mir eingezogen. Und das läßt mich so froh [s]ein innerlich, trotz der Schwere der Zeit. Ich wünsche mir nur, daß Du, mein Lieb mögest auch so innerlich fröhlich und zuversichtlich sein! So wirst Du unsre Trennung tapfer überwinden. Es muß ja nach allem Kampf ein Ende kommen, ein siegreiches Ende, und Frieden! Und dieser Frieden sieht Dich und mich wieder glücklich vereint! Du!! Ich glaube daran.

Gleich ist es ½ 4 Uhr nachmittags, ich bin soweit fertig mit meiner Arbeit. Ich soll noch Wäsche legen! Mutter legte schon gestern ein gut Teil, wir wollen morgen noch mangeln. Deine liebe Mutter soll nicht noch mithelfen. Ich warte nun auf die liebe [Nordhoff] Mutter, sie hat garnicht geschrieben, wann sie hier ankommt. Nur: am Freitag geht ein Sonderzug nach Oberfrohna. Ich kann ja nun nicht mal zur Bahn gehen, um sie abzuholen. Vielleicht kommt sie mit dem 2000 [Uhr] Zug, wenn sie nach Mittag zu Haus weg ist.

Ach Du! Eben kommt von Sch.s eine Karte mit den herzlichsten Ankunftsgrüßen!! Sie sind übertrieben liebenswürdig und anhänglich! Ich muß lachen! Was wird Deine Mutter sagen? Wenn Du nur auch mit kämst, wenn ich heute nun so auf meinen lieben Besuch warte! Das wäre aber ein Jubel!!

Gestern war ich in der Singstunde. Wir üben für Kantate. Eine Motette, von Händel glaub ich, „Herr auf dich steht mein Hoffen". Wir hatten schon bei Herrn G. mal damit begonnen. Ich habe kein [sic] Hoffnung, daß dies zum Vortrag gelangt. Es sind nie die Männerstimmen da an den Übungsstunden. Und Herr S. ist noch verflixt unsicher im Spiel. Schade um das schöne Werk, wenn es so von uns Stümpern vorgetragen wird, es verliert alle Schönheit, es ist ein ganz eindrucksloses Genudel. Ich war dann richtig ärgerlich und die Älteren mit, die schon bei Herrn G. mitgeübt hatten. Ich bin bloß gespannt, wo das nochmal hinausführt mit unsrer Kantorei. Ich denk mir nur auch, früher oder später kommt's noch zur Kapitulation. Herr S. läßt sich fast garnicht mehr sehen.

Übrigens: wir beide werden morgen zusammen 95 Jahre alt! Als wir heimgingen bot sich uns ein prächtiger Sternhimmel! An wen hab ich da wohl gedacht, ganz zärtlich und lieb?! Du!!! Und die Scheinwerfer waren in voller Tätigkeit. Überall spreizten sie ihre langen Krallen zum Himmel. In Hohenstein-Ernstthal war Alarm heute nacht. Hier war nur Luftgefahr gemeldet. Aber in Berlin sind die Engländer wieder gewesen. Unter anderem griffen sie auch wieder die Staatsbibliothek an. Diese Schweinehunde!

Gestern gab man wieder mal allerhand Neuigkeiten zum Besten. Herrn St.s älteste Tochter bekommt ein Kind! Darfst nicht lachen, ich meine, was nun noch kommt, interessiert Dich auch. Herr G. wird auch Vater! Was glaubst Du, wie glücklich er ist. Ich war ganz platt. Da muß ich gratulieren gehen, wenn's soweit ist. Sie haben zu unsrer Hochzeit auch viel möglich gemacht. Und Luise S. habe ich gesehen, sie wird auch Mutter. Es sind noch viele, viele. Aber die kennst Du doch nicht.

Dein einstiger Kollege, Herr T. von Oberfrohna, ist Vater eines gesunden Töchterchens geworden! Das geht am laufenden Bande. Und weißt Du, was mir so einen Spaß gibt? Daß die Leute mir so oft nach dem Bauch gucken! Ich möchte mal wissen, was die so von uns reden! W.s Mädels konnten sich natürlich nicht enthalten, mich zu fragen, ob ich nicht auch bald etwas kleines bekäme. Ei – diese klatschsüchtige Welt! Ich wäre froh, wenn ich denen richtig das Maul stopfen könnte, indem wir ihnen beweisen, daß es lange noch nicht soweit ist.

Ach ja – wenn ich darüber so nachdenke, ich könnte es schon sehr liebhaben, solch kleines Menschlein – aber, noch viel glücklicher wäre die Zeit für mich, wenn Du an meiner Seite stündest, mein [Roland]! Du weißt darum! Gebe Gott, daß unser Wunsch auch hierin Erfüllung findet. Das Schönste und Letzte, was unsre innige Liebe einst krönen soll, das möchte ich mit Dir zusammen erleben, dann erst findet es seine ganze, glückhafte Erfüllung! Du!! Mein [Roland]! Du mein Herzlieb! Mein ganzes Sehnen und Wünschen geht dahin, Dich recht bald wieder in meine Arme zu schließen! Dann erst bin ich daheim, bin ich ganz zufrieden! Du!!

Gott segne unsern Bund! Er wache über unsrer Liebe! Und führe Dich gesund zurück zu mir! Geliebter, mein liebster [Roland]! Gott behüte Dich! Ich habe Dich so sehr lieb! Du erfüllst mich so ganz, mein Herzlieb! Dir nur allein will ich leben, Dich will ich lieben, immerdar! Nichts kann mich von Dir reißen! Du!!! Ich bin so glücklich mit Dir!! Geliebter! Ich bin so ganz Dein!

In Liebe Deine [Hilde], Deine Holde.

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Autor Hilde Nordhoff
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946