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Briefkorpus

Dienstag, am 13. Mai 1941.

Mein geliebtes, teures Herz! Du mein lieber, liebster [Roland]!

Heute ist ein wunderbarer Sonnentag, ach, es lockt hinaus, das Wetter! Und ich werde mich auch gleich einmal verlocken lassen, was meinst?

Ich habe mich nun schon soo lange nach der lieben Sonne gesehnt! Heute will ich sie genießen. Aber zuerst will ich noch meinem Herzlieb einen Gruß schreiben, sonst gehe ich nicht froh hinaus. Du!! Nach unserm Gemeindewald will ich gehen und da, wo es still und einsam ist setze ich mich in die Sonne und – Herzlieb!! Was werd’ ich wohl weiter tun?

An Dich denken! Mein Glück!! Herzallerliebster!!! Heute früh brachte mir der Postbote 2 huckelige Briefe! Die beiden Filme sind da, Liebster!! Ich habe sie gleich mitgenommen zum Entwickeln, als ich nach dem Wochenmarkt ging. Ich glaube, am Donnerstag bekomme ich die Bilder. Du!! Ich habe ja soo viel Freude an den Bildern, die mir der Photograph aus Eckernförde geschickt hat! Sind soo schön geworden. Na, Du wirst sie ja auch bald zu sehn bekommen. Ob ich nicht doch noch einmal Abzüge nachmachen lasse? Mußt vielleicht garso [sic] lange warten, wenn ich sie erst nach Kamenz und Döbeln schicke! Ein Bote von Deiner Hand war heute nicht mit dabei, Herzlieb! Wird er morgen kommen! Ich weiß nun wenigstens, wo ich Dich finde, wenn ich Dich suche! Und Gott gebe, daß Du jetzt auch noch so gesund und wohlauf bist, wie zu der Zeit, da Du mir den Brief schriebst, der gestern in meine Hände gelangte. Ich kann mir garnicht ausdenken, was ich machen würde, so ich Dich krank wüßte dort im fremden Land! Geliebter!! Gott möge das verhüten!

Kommenden Sonntag ist Muttertag im ganzen Reich. Ich werde lieb unsrer Mütter denken, mein Lieb, auch in Deinem Namen mit, Herzlieb und will ihnen ein kleines Geschenk machen. Gestern abend war ich mit Ilse Sch. in der „Germania“, der christl. Frauendienst hatte seinen Abend und es waren auch „unparteiische“ geladen. Das ist sowas [sic], wo Deine Mutter auch hingeht. Und es hat mir sehr gut gefallen. Es ist nur aller 4 Wochen einmal – und ich werde wieder mal hingehen. Wenn ich auch die Jüngste war, so hab ich mich sehr wohlgefühlt – man nahm mich herzlich auf. Viele Lehrersfrauen waren noch da und Geschäftsfrauen, alles nette Leute; ich saß neben Schwester Ida u. Ilse Sch..

Der Pfarrer hielt den Abend u. Frau Dr. T. ist Vorsteherin. Der Pfarrer erzählte uns die Geschichte, er las sie vielmehr vor, wie das Bild entstanden ist, das ich Dir hier beilege. Viele schöne, lehrreiche Erzählungen trug er uns noch vor, sie standen meist unter dem Motto des kommenden Sonntag: Muttertag. Auch über den Frauendienst im Einsatz für das Volk sprach Herr B., so wie er berichtete war alles ganz gut und schön und sie sind schon auf dem richtigen Wege – aber – wie werden sie sich in Zukunft erhalten können?, fragt man sich leis. Die Zeit wird es weisen. Jedenfalls fühlt man sich unter diesem Kreis Gläubiger wohler, als in einer Parteiversammlung. Wir sangen auch viele schöne Lieder, fromme und volk’stümliche [sic]. Es hat mir wirklich gut gefallen.

Und eines kam noch mit zur Sprache. Jetzt, vergangen, ist unsre Orgel gereinigt worden. Endlich! Meinte der Pfarrer, schon Herr G. hätte darauf oft angespielt!

48 Jahre steht sie und seitdem sei sie nicht gereinigt worden, nur paarmal gestimmt. Wir hätten uns gar keine Vorstellung machen können von dem Schmutz, der dabei zum Vorschein gekommen sei. Nun ist geplant, der Umbau der Orgel, ein elektrischer Spieltisch soll dazu kommen – damit der Kantor vor seinem Chor sitzen und spielen kann da, wo er jetzt dirigiert. Alles könnte geliefert werden dazu, nur fehlt das Geld! Nun soll geklärt werden, ob der Frauen[d]ienst einverstanden ist, sein Geld hierzu zur Verfügung zu stellen. Man war einverstanden. Der Pfarrer will nun eine Sitzung einberufen, um das Übrige mit dem Kirchenvorstand zu besprechen. Wie war’s nur? Wohl über 12 000 RM beläuft diesich die Summe, die dazu aufzuwenden wäre.

Eine Vorarbeit sei ja nun schon getan – die Reinigung, auch sei[en] verschiedene neue Register eingebaut worden.

Sie klingt auch wieder sehr schön, unsre Orgel.

Fein wäre das schon, wenn diese Pläne durchführbar würden.

Eben höre ich die 2 Uhr Nachrichten!

Hast Du wohl den Fall mit Rudolf Heß schon gehört? Gestern abend sei es in den Nachrichten gekommen, daß er infolge geistiger Verwirrung mit dem Flugzeug aufgestiegen sei in Augsburg, man wisse nicht, wohin!

Heute heißt es, er sei in Schottland aufgefunden worden! Was soll das nur?!!! Mein Gott? Und die Maßnahmen die der Führer erläßt gegen Heß’ Adjudanten? Undurchsichtig das alles! Was wird daraus nur werden?

Ich kann Dir mehr hier nicht darüber sagen, Liebster! Die Zeit wird es uns wissen lassen, was geschah hieraus [sic]. Ich konnte heut’ Nacht garnicht schlafen, so hat mich der Fall aufgeregt. Wenn das mal gut geht!

Herzlieb! Ich will nicht zu schwarz sehen.

Haben wir nicht allen Grund zuversichtlich und vertrauend in die Zukunft zu schauen? Du!!

Unser Herrgott hat alles, was bisher geschah in diesem großen Kampf um unsre Freiheit, sichtbar gesegnet. Sollte er uns jetzt seine Gnade entziehen?

Nein!! Nein!! Das kann ich nimmermehr glauben!! Der Weg zum Sieg, zum Ziel ist steinig und schmal; es wird noch viel, viel zu überwinden sein.

Aber nur nicht werfen lassen [sic]! Nur vorwärts!!

Unser Glaube wird uns stärken und helfen! Herzlieb! So ist es im Großen, wie auch im Kleinen.

Immer unverzagt und frisch voran!

Einmal muß uns doch die Siegessonne leuchten!

Du!! Mein Herzlieb! Mein Sonnenschein!!

Dann kehrst Du mir wieder! Wie ich mich freue darauf!!! Unser Herrgott sei mit Dir auf allen Deinen Wegen! Er behüte Dich und lasse Dich gesund heimkehren!

Mein Geliebter! Du!! Mein [Roland]!! Herzlieb!!

Ich liebe Dich! Ich liebe Dich!

Ich bleibe Dein!

Deine [Hilde]

Gleich will ich Deinen Kuchen zur Post bringen auf meinem Weg in’s Freie!

Auf Wiedersehen!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946