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Briefkorpus

Mittwoch, am 154. Mai 1941.

Mein geliebtes, teures Herz! Du mein Herzlieb! Liebster [Roland]!

Noch ist kein Bote da von Dir, er hat sich mal wieder um einiges verspätet. Ich will mich noch garnicht sorgen, Herzlieb! Die Verspätung ist ja so natürlich. Du mußt trotz allem wohlauf und froh sein, ich fühl's in mir, mein Lieb! Ich bin so innerlich froh, besonders heute. Du!! Ob Du wohl heute mein [sic] denkst, ganz besonders lieb? Weil meine Wangen [s]o sehr glühen – ich bin noch immer ein bissel abergläubisch!!

Nun will ich Dir erst mal erzählen, was ich für unsre lieben Mütter zu ihrem Ehrentag gekauft habe. Es ist von beiden ein heimlicher Wunsch, den ich so im Laufe des Gesprächs ihnen entlockte. Der lieben Mutter [N]. kaufte ich eine Teigspritze (die braucht man zu S.Kuchen [sic] backen u.s.f.) und für die Fruchtbowle Stäbchen aus Glas, obendran [sic] mit Blumen verziert, damit kann man dann die Früchte anspießen und aus dem Glase essen (ohne einen Löffel zu benutzen) weiß nicht, ob Du Dir das vorstellen kannst? Wirst es schon mal sehn, ich hab auch sowas. Die Mutter wünschte sich's, als sie das bei mir sah.

Dann wollte ich ihr noch ein Paar neue Handschuhe mitschicken, die werden aber erst nach Pfingsten wieder fertig. Die am Lager waren, gefielen mir nicht. Ich hole mir Handschuhe bei der Firma Götze in Oberfrohna, da bekomme ich sie ohne ...! [siehe Abbildung] Nächstens will ich auch Elfriede mal 1 Paar mitschicken, sie wird sich freuen. Auch habe ich für sie 1 Garnitur (Unterwäsche ohne) [sic] in Aussicht, die bekommt sie zu ihrem Geburtstag. Und morgen ist Elfriedes 3. Hochzeitstag!! Eben denke ich daran. Da möchte ich ihr noch paar Zeilchen schreiben. Sieh, Herzlieb! Elfriede und Hellmuth können ihn auch nicht zusammen begehen. Und ich will gewiß nicht traurig sein, wenn auch wir ihn getrennt erleben müssen, unsern ersten, Du!!!

Wir holen alles, alles nach, ja Du?!! Geliebter!! Herzlieb!! Und nun, das Geschenk für meine Mutsch: ein Dutzend Marmeladengläser, die sind sehr hübsch, so portionengroß, für 1 ℔. Man kann sie gleich[s]am zu Tisch bringen, so formschön sind sie. Darein will ich auch für uns! Marmelade einkochen!!

Du! Weißt, was mir dies Jahr sehr fehlt? Der Zucker, den Du immer aus S. mitbrachtest. Wenn's halt gar knapp wird koche ich alles ohne Zucker ein und süße erst vorm Gebrauch, das geht auch. Mutters Geschenk geht morgen ab nach Kamenz.

Heute bekam ich von ihr ein Päckchen, worin sie mir Socken für Dich schickte und Abplättmuster zum Sticken für mein weißes Kleid, das ich mir machen will. Auch eine Voilebluse von sich legte sie dazu, die soll ich mir ändern und tragen, das tu ich auch gern! Die muß die Bulgarenbluse ersetzen! Sie ist nämlich auch handgestickt!

Gestern brachte ich Deinen Kuchen zur Post, nicht ohne Bangen! Er Das Päckchen wog fast 3 ℔! Und zwei dürfens ja nur sein. Ich habe einen mir gut bekannten Beamten an den Schalter gerufen und der hat es möglich gemacht, daß es so durchgeht. Ich hab ihm ein Trinkgeld gegeben. Es hätte mir bitter leid getan, hätte ich müssen ein Stück vom Kuchen abschneiden! Wenn das Paket nur einmal am Anfangspostamt angenommen und frankiert ist – dann braucht man nichts mehr zu fürchten, ich glaube nicht, daß alle Päckchen nachgewogen werden auf jeder Station. Na, hoffen wir, daß alles gut geht!! Deine Socken will ich Dir sobald wie möglich schicken, es sind 2 Paar. Von unseren Ferienplänen nun!

Und bis heute weiß ich noch nicht einmal, ob mich mein Mannerli eigentlich mitläßt!! Ich habe mit Bekannten gesprochen, die waren schon 3 mal in Oberpfann[en]stiel bei Pla Aue und ihnen hat es da ganz herrlich gefallen. Das Dörfel liegt mitten im Walde, hoch oben. Kennst Du das dem Namen nach? Ich nicht.

Kurz, nach ihrem Bericht, wäre das etwas für Mutters Nerven und für mich ist die Ruhe und Waldluft sicher auch gut. Sie haben da in voller Pension gewohnt, sind ausgezeichnet [ver]pflegt worden, voriges Jahr im Krieg noch. Und sie wollen dies Jahr auch wieder hin. Das Gasthaus nennt sich: „zum wilden Mann“. (keine Angst Hubo!! Erst mal sehn, ob er uns überhaupt reinläßt!!) Ich habe mir sagen lassen, daß zum Gasthaus Fleischerei und Wirtschaft gehört. Das ist meines Erachtens insofern günstig, als man so nicht ganz trocken sitzt mit der Verpflegung. Nun will ich heute noch anfragen, ob man zur Kur kommen kann, will mir auch die Bedingungen sagen lassen. Unser Papa bekommt im Moment noch keine Ferien. Unsre Mutsch ab 29. Juni.

14 Tage wollten wir aufnehmen [sic]. Ob Deine Eltern mit dem Orte einverstanden wären, wenn's zum Klappen kommt, will ich erst brieflich erfahren. Nun will ich sehen, wie der Hase läuft. Bin wahrhaftig neugierig, ob's denn nun bei uns endlich mal was wird mit dem Verreisen!

Vater soll später auch noch mal fortfahren, wenn er seinen Urlaub hat. Glaubst, Mutsch tut es bitter not das Ausspannen, wenn sie so weitermacht, ist sie mit ihren Nerven bald am Ende. Sie muß unbedingt einmal losgelöst von allem sein. Was nützte es schon, wenn sie wieder mal paar Wochen daheim bliebe vom Geschäft, sie sucht ja dauernd nach einer andern Beschäftigung. Sie muß sich mal richtig entspannen können – und da tun 14 Tage schon Wunder.

Du wirst gleich erfahren wie die Dinge liegen, sobald ich Nachricht haben werde von den Wirtsleuten. Herzlieb Du!! Ich muß Dich nun mitnehmen, wenn ich wirklich verreise! Bloß auf dem Bild!! Ach Du!! Du!! Herzallerliebster!!! Wenn Du doch bald, bald wieder bei mir sein könntest! Du ahnst ja nicht, wie ich mich nach Dir sehne!!! Du!! Ich muß Dich sooooo sehr liebhaben!!

Sag? Ob man Euch Deutsche nicht fortläßt, wenn di[e] Bulgaren „Sal.“ in Besitz nehmen???

Ich muß immer an diese Möglichkeit denken, Herzlieb!! Wie wird sich dieser Krieg noch gestalten?

Was wird der „Fall Heß“ nach sich ziehen?

Heute wurde das ‚Rote Meer‘ als Operationsgebiet erklärt!

Nun wird dem Amerikaner der Husten wegbleiben, ja? So würde Herr H. sagen, Du!! Übrigens, der Liegestuhl ist noch nicht da. – Gestern war es herrlich im Wald! Ich habe unten an der Hasenwiese auf einer Bank in der Sonne gesessen und fast geschlafen, so wohl brannte mir die liebe Sonne auf das Fell! 1 ½ Stunden lang! Die Jungen spielten Krieg im Wald. Interessant! Wie die Großen! Aber was dabei für Redensarten fielen, haarsträubend!! Du!! Der ganze Zoo stieg vor mir auf! Aber man beobachtet ganz klar, wie die Bengels über alles Bescheid wissen in Sachen Krieg. Das werden einst tüchtige Soldaten!

Gebe Gott, daß diese heranwachsende Jugend aus ihrem Spiel nicht doch einst noch ernst machen muß! – So, mein Lieb! Jetzt will ich noch weiterschreiben, geschäftlich! Auf Wiederhören!

Gott behüte Dich mir! Ich küsse Dich!! Du!! Ich liebe Dich!!! Ich grüße Dich herzinniglich und wünsche, daß Du ebenso gesund, und froh im Herzen bist wie Deine [Hilde]. Du!!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946