Bitte warten...
Briefkorpus

Freitag, am 16. Mai 1941.

Mein geliebtes, teures Herz! Mein lieber, liebster [Roland]! Du!!!

Herzlieb! 2 liebe Boten von Dir sind heute früh zu mir gekommen. Ich habe mich ganz sehr darüber gefreut, Du!! Und ich danke dir recht herzlich dafür! Vom 1. Und 2. Mai sind sie, und alle beide doch erst am 15. Mai abgestempelt! Soo lange haben die nun gelegen, ehe sie auf Reisen gingen!

Da halte ich nun in Händen, worauf ich so voll Bangen und Sehnen gewartet habe all die letzte Zeit: den Bericht deiner Reise nach „S.“! Geliebter!! Du!! Wenn ich mich in Deinen Bericht so recht hineinversenke, dann kommt mich Gruseln an. Ach Herzlieb! Herzlieb!! Wie so dankbar müssen wir unserm Herrgott sein, daß er Dich vor aller Gefahr und allem Unglück behütete! Wir können ihm nicht genug danken dafür! Geliebter! Ich bete immer für Dich. Und ich will auch nicht nachlassen, um Gnade für unser Glück zu bitten.

Gott sei Lob und Dank, daß er Dich so gütig geleitete!

Und nun steigen sie vor meinem geistigen Auge auf, alle die Bilder Deiner Fahrt, wie Du sie mir so deutlich schilderst, genau so konnte ich es schon viele Male im Film sehen; in den jeweilig neuesten Wochenschauen sehen wir die phantastischen Leistungen unsrer gesamten Wehrmacht. Es ist eine ganz außerordentliche Leistung, wenn ein solcher Kraftwagenführer eine Mannschaft heil an Ort und Stelle bringt über die zum Teil grausig anmutenden Fahrstraßen, Serpentinen werden sie wohl genannt, die durchs Gebirge und vielmehr über das Gebirge führen. Links und Rechts [sic] davon heben sich die krassesten Gegensatze [sic] ab. Steilanstrebende Felsen und unheimlich tiefer Abgrund. Wenn ich die wagemutigen Kolonnen so auf der Leinwand mit den Blicken verfolgte, da drückte ich mich unwillkürlich fester in meinen Sitz, wie – als wollte ich mich stemmen gegen die wahnsinnige Fahrt.

Wirklich! Es ist ein ganz großes Glück, daß Ihr diese Fahrt ohne große Hindernisse überstanden habt! Was bloß die Wagen leisten müssen!! Und Ihr habt keine Panne gehabt! Ein paar kleine Unebenheiten, wie: kochendes Kühlwasser – aber das sind ja hier Kleinigkeiten.

Glaubst Herzlieb, wenn ich Dich hätte mit Deinem Reisetransport mit [den] Augen verfolgen können – ich wäre vergangen vor Angst um Dich! Ich bin gewiß kein Feigling – aber das, was nun gottseidank hinter Euch liegt, das war gewiß kein Kinderspiel. Ich glaube ohne weiteres, daß Du auf diesem Wege viele abgestürzte und ausgebrannte Wagen liegen sahst – an Rändern und Böschungen. Auf‘s Ganze gesehen ist es überhaupt eine ganz einzigartige Leistung, die hier in diesem Balkanfeldzug wieder einmal von uns[e]rer Wehrmacht vollbracht wurde. Nur allein auf‘s Vorwärtskommen in diesem schwierigen Gelände gesehen [sic] – geschweige denn, auf den Kampf in diesem Gelände. Ich mein, das Gelände war oft schwie[ri]ger zu überwinden als der Feind selbst.

Weil nur alles glücklich überwunden ist! Ich bin so erleichtert und froh darum! Mein [Roland]!

Du lebst mir noch! Du bist noch mein!! Oh! Ganz mein. Nach allen Strapazen winkte Euer Ziel Saloniki! Ach Du! Ich erlebe mit dir den herrlichen Anblick, der Dir wurde! Könnten wir doch bald wieder gemeinsam uns an soviel Herrlichem erfreuen!! Deine vielen wunderschönen Aufnahmen, ich kann sie immerzu ansehn! Und ich will dir heute gleich alle mitschicken, daß Ihr Euch mit mir freuen sollt! Bewahre mir alle gut auf! An die Frauen geht auch eine Sendung ab! Ganz einzig muß der Blick auf‘s blaue Meer sein von Eurem Quartier aus, ach Du!!

Wenn Du mir nicht soo weit ausgerissen wärst, ich würde Dich gleich mal besuchen!! Das eine Gebäude (mit Zeichen versehn) ist gewiß Deine Villa!? Weil oben Matrosen am Fenster stehn. Und seltsame Bäume stehen da, auf einem Bilde glaube ich eine Akazie zu erkennen? Oder hab ich Unrecht!

Die Zitadelle sehen wir von allen Seiten, interessant! Das sind wohl die griechischen Polizisten? die mit da stehen? Mein Schreck! Wie braun!!! Ihr schon seid!!!

Ich bin verflixt neidisch, Du!! Bei uns hier kann man dies Jahr unmöglich dies Grad der Bräune erreichen – es scheint ja kaum die Sonne. Heute z. B. schneit es schon wieder seit morgens 6 Uhr und eine Hundekälte ist! Wenn das so weiter geht Du, erfriere ich Dir noch! Man kann die wollnen Sachen gar nicht wegpacken!

Solch‘ niedlichen „Muli“ bringst [Du] mir mit, ja? Ach die sind zu niedlich! Solch drolliges Schnäuzchen! Und die dunklen Gucker! Viel Neues, Ungekanntes wirst Du noch schauen! Herzlieb!! Und ich freue mich von Herzen mit Dir darüber! Den wunderschönen Blick auf die Stadt und auf die Hafenbucht!, den Du auch im Bilde festhieltest! Ganz einzigartig schön. Ich bekomme immer mehr Lust, das alles einmal in Wirklichkeit zu schauen! Du!? Am Ende führt uns unsre Hochzeitsreise mal dahin!! Weißt, wir konnten sie sowieso nicht zur Hochzeit unternehmen, nun warten wir auch noch so lange, bis wir mal reich sind, ja? Dann können wir auch solche ausgefallene[n] Wünsche stellen wie ich eben!!! Ach Du!! Mit Dir zusammen ist mir jedes Stückchen Erde ein Paradies voll Wunder und Schönheit!

Herzlieb! Ich hab doch so herzlich gelacht über die Storchenepisode, die Du mir erzählst! So was von Ungenierlichkeit, höre! Das gibt‘s bloß im Ausland!! Unsre Störche sind viel anständiger, da sah ich sowas noch nie! Ich kann mir Euch Männer lebhaft vorstellen beim Anblick dieses Storchenidylls. Gebt mir fein acht, daß Ihr kein griechisches Baby angeschleppt bringt. Wenn wir Frauen das dann erziehen sollen, wird‘s einen Konflikt geben. Möchten wir erst noch ‚griechisch‘ lernen!!

Eben habe ich ein Donnerwetter vom Postbeamten bekommen! Dem Postmeister sind Deine Briefe in die Hände gefallen, wo Du mir 2 Filme schickst, das ganze Kuvert ist zerrissen und ist in Dresden A24 verklebt worden, so sehr, daß man kaum noch die Adresse sieht. Er übernimmt die Verantwortung für derartige Sendungen nicht mehr, soll ich dir schreiben! Oder sollst Du stärkeres Briefpapier nehmen! Es ist schon mal so gewesen, daß der Umschlag zerrissen war und ein Stück offen. Weil die Ränder der Filme das Papier durchscheuern. Mußt halt 4-5 zusammenkommen lassen u. ein kleines Päckchen schicken, ja?

Und nochwas [sic] lege ich Dir bei, ein Schreiben vom Herrn G.. Ich weiß nicht was der will, auch nicht, wer er ist.

Ich frage an, ob ich die Sache regeln kann u. teile ihm gleichzeitig Deine Anschrift mit. Dann werden wir ja sehn!

Zu angegebenen Daten bist Du grade fort von Lübeck. Nein! Da hattest Du ja Urlaub und warst bei mir!! Ist Dir denn etwas von ihm zugegangen? Etwas Schriftliches? Oder hat man Dir das in Eckernförde vergessen auszuhändigen? Ich kann mich aber auch nicht erinnern, daß in unseren Urlaubstagen Post von Schmilka nach hier umgeleitet wurde an Dich oder mich. Na, wenn Du der Absender bist, dann weißt Du gewiß gleich, was los ist.

Es ist jetzt um 4 Uhr, ich will nun baden, damit Mutsch sich gleich anschließen kann, wenn sie heimkommt. Dann möchte ich auch dem Herrn eine Karte schreiben, damit er Ruhe gibt! Und danach noch die Hausordnung scheuern. Bin ich heute Vormittag noch nicht dazugekommen, erst waren die Zimmer zu säubern, die Wege zu besorgen. Essen kochen und nach Mittag aufwaschen, bohnern. Und – das Schönste am Tage: meinem Herzlieb schreiben! Dabei aber auch das Badewasser heiß machen und den Sonntagsbraten beaufsichtigen, der im Ofen stand.

Ach ja, faulenzen kenne ich nicht!

Und morgen mache ich zusammen mit Mutsch die Stube „[g]roß reine“! Überall frische Fensterwäsche aufmachen, dann ist damit für 1 Jahr Ruhe! Auch müssen sämtliche herausgenommenen Doppelfenster gesäubert werden vom Winterschmuck. Die sollten nun schon zum Waschfest heraus, aber bei dieser anhaltenden Kälte! Mir ist es jetzt noch zu zeitig. Man kann‘s doch kaum erheizen drin [sic]! Aber weil nun Pfingsten wird!

Nach Limbach will ich auch nochmal, die beiden Filme wegbringen und neues Briefpapier holen, ich schreibe auf dem vorletzten Blatt! So. Nun Schluß für heut‘!

Mein Herzlieb! Laß‘ Dir ganz fest und lieb die Hände drücken! Ich bin mit Dir von ganzem Herzen dankbar über Dein jetziges Geschick und über die gut überstandene Reise! Ich will unserm Herrgott zu danken nie müde werden. Möge er mir Dich immer behüten! Möchte er Dich bald froh heimkehren lassen zu mir! Du!!! Ich warte Dein! Voll heißer Sehnsucht! Du! Geliebter! Voll inniger Liebe! Und in unvergänglicher Treue! Gott sei mit Dir! Du mein Sonnenschein! Mein Glück! Du bist meine ganze Freude! Mein Glück! All mein Leben! Du!!!!! Ich liebe Dich!

Ich bin und bleibe ganz

Deine [Hilde].

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946