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Briefkorpus

Montag, am 26. Mai 1941.

Mein liebes teures Herz! Du mein liebes, herzliches Mannerli.

Du!! Heute früh kamen wieder zwei liebe Boten von Dir an. Ich freue mich ja so sehr, Geliebter!! Ich hab Dich ja sooo lieb, Du!!! Und ich danke Dir viellieb [sic] und herzlich für Dein treues Gedenken und Deine große Liebe! Mein [Roland]!! Vom Sonnabend und Sonntag den 17. + 18. Mai sind die Boten. Sie gehen jetzt garnicht mehr l[a]nge bis zu mir, nicht wahr? 7 Tage! Fein!! Und nun hat mein Lieb endlich, endlich mal wieder etwas von mir in Händen! Ach Du!! Ich freue mich doch so sehr mit Dir, mein Schatz. Es ist furchtbar, wenn man so lange warten muß auf ein Zeichen – ach, ich kenne es ja auch! Du!! Hoffentlich bleibt nun in Zukunft die gute Verbindung bestehen und Du mußt nicht noch einmal an einen neuen Ort wandern. Ach – man weiß es nicht. [I]ch wünschte, Du könntest da sei, bis der böse Krieg zu Ende ist – wenigstens, bis Du heim darfst. Ja Herzlieb! Ich hoffe im Geheimen immer noch, daß Du eher heim darfst, als der Krieg aus ist! Gebe Gott, daß alles zum Guten sich wende! Du!!! Mein herzlieber [Roland]!

Am Sonnabend sind die Sondermeldungen gekommen, daß Fallschirmtruppen Deutscher die Insel Kreta besetzt haben! Ich hörte es erst am abend, nach dem Waschfest! Und ich freute mich so sehr über diesen großartigen Erfolg! Heute heißt es, daß sich schon der ganze westliche Teil der Insel in deutscher Hand befände. Gebe Gott seinen Segen zu diesem neuen, kühnen Vorstoß.

Kreta und Island, die beiden Brennpunkte, worauf sich die Blicke der Weltöffentlichkeit richten. Vor Island wurde der größte britische Kreuzer von Deutschen tödlich getroffen! Wir dürfen so stolz sein auf unsre Marine!– Und ich bedauerte so tief, daß der arme Prien abgerufen wurde – mit ihm schied einer unsrer Tüchtigsten.

Es ist das harte Schicksal der Seefahrer.

Früher oder später muß ein jeder mit dieser Tatsache rechnen – seine Fahrten gehen auf Leben oder Tod. Furchtbar für die Angehörigen all dieser tapferen Männer, die sich opferten.

Du kannst alle die deutschen Nachrichten hören, das freut mich, Herzlieb! Bist ja so immer dabei, bei dem großen Geschehen, trotzdem man Dich so weit weggesetzt hat. In ein Land, wo nun Waffenruhe herrscht. Ob es möglich ist, daß Ihr noch einmal von da wegmüßt? Als Besatzungstruppen woanders hin? Z.B. auf neuerobertes Geb[ie]t? Die Zeit wird es uns bringen.

Und ich will bei aller Ungewißheit und heimlicher Sorge um Dich nie vergessen, daß Du allüberall [sic] in Gottes Schutz stehst, mein [Roland]. Diese gute, tröstliche Gewißheit wird mir über allen Zweifel hinweghelfen – ich weiß es, Du!!

Wir wollen nur den Mut nicht verlieren und nicht den Glauben! Wir halten und helfen einander ganz lieb und fest, ja? Du?!! Du!!! Geliebter!! Ich will Dich sooooo lieb haben – fest, fest halten! Du mein geliebter, lieber [Roland]!!

Mein Herzlieb! Erzählst mir so lieb von Deinem Sonntag – ich freue mich darüber! Am 18. Mai, es war Muttertag bei uns in Deutschland, und ich habe Dir schon in meinen Briefen davon erzählt, Du! Ich habe sooo lieb Dein gedacht, als ich mit den Eltern spazieren ging! Und jetzt will ich Dir gleich erst mal von meinem Sonntag erzählen! Von gestern, Was [sic] ich Dir schon nachmittags berichtete, war längst nicht alles – es kommt noch viel mehr dazu!!! Stell Dir also vor: ich komme mit meinem Liegestuhl unterm Arm, meinem Schreibzeug unterm anderen aus dem Garten, um hinaufzugehen und zu plätten. Da treffe ich mit Vater zusammen in der Haustür, der trägt ein Bündel Holz mit Papier und Streichhölzern nach dem Waschhaus – wo wir doch eben fertig sind mit waschen! Auf mein erstauntes Fragen hin, [sic] antwortet er mir: ich solle nur mal hinauf gehn, es sei Besuch da! Keine Vorstellung konnte ich mir machen – und stieg überlegend höher. Da!! 2 Tornister! Da!! Waffenröcke!! Menschenskind!! [Roland]? [Roland]? Das kann ja nicht sein – ach Du! Bei dieser unmöglichen Vorstellung sank mir richtig der Mut hineinzugehen, um den Besuch zu begrüßen! Da kam schon Mutsch heraus. Und da sah ich sie nun sitzen, 2 braungebrannte Soldaten! Soldaten einer Sanitätsabteilung, die von Frankreich kommend (Bordeaux) für eine Nacht hier Quartier beziehen wollten, um heute nach Schlesien, ihrer Heimatgarnison weiterzufahren. Sie mußten in Frankreich Fahrzeuge holen, viele hundert Wagen. Sie sind zu einem neuen Einsatz bestimmt, (scheinbar im Osten). Nun war ich erst mal platt.

Da nimmt die Mutter 2 Soldaten her und wo soll ich denn schlafen?

Sie waren für U.'s bestimmt, die sind ja sonntags nie zu Haus, wie Du weißt. Wir waren die Einzigen, die daheim waren. Und Mutsch sagte, als die beiden nun so zerschwitzt und müde vorm Tor gestanden seien, habe sie es nicht über sich gebracht[,] sie wieder fortzuschicken. Nun waren sie eben da, waren unsre Gäste. Na, ich schickte mich langsam herein, in diese unvorhergesehene Rolle. Ein Gefreiter, ein Blonder – ein Kraftfahrer, ein Dunkler. Beides hübsche Männer, verheiratet[.] Sie stammten beide aus Schlesien. Nun hatten wir sie zuerst in die Wanne bugsiert, das wurde mit Schmunzeln angenommen. Währenddessen richtete ich mit Mutsch in meinem Stübchen – stell Dir vor, in unserm Dornröschenschloß!, 2 Schlafstätten.

Dann den Abendbrottisch, wie sich‘s machen ließ bei unangemeldeten Besuch. Aber es war von allem da, sogar Kartoffelsalat und Eier. Ihnen beiden hat es vorzüglich geschmeckt. Sie waren glücklich, eine Bleibe gefunden zu haben, wo sie sich zuhause fühlen konnten. Unten auf der Straße liefen viele, viele vorbei, um auszugehen – unsre meinten, es gefiele ihnen in unsrer Mitte besser, sie wollten dableiben. Uns war es recht. Ich habe mich amüsiert, wie sie nun beide wetteiferten, bei mir Eindruck zu machen. Bei mir! Du!! Wo ich Dein bin!!! Darauf, nach dem Abendbrot, mein' ich, kam/einer [sic] ihrer Kameraden, mit dem sie sich verabredet hatten auszugehen, ehe sie zu uns in Quartier kamen! Ich stutzte schon! Solche Schlauberger. Hat es ihnen anscheinend doch bei uns besser gefallen, weil sie nichts verlauten ließen, daß sie wollten weggehen. Na, wir ließen den 3. auch noch herein – er war auch verheiratet, ein netter Mann. Und so saßen wir nun unter 3 Landsern und ließen uns erzählen und hörten Musik! Ach Du!! Ich mußte sooo sehr Dein denken Du!!! Du!!! Ich mein, Du mußt es gespürt haben, Herzlieb!

Bei alledem kamen U.'s heim kurz vor 10 Uhr abends war's. Und kamen sofort herauf zu uns. Sie hatten schon unterwegs gehört, daß Oberfrohna Einquartierung hätte. Voriges Jahr sind ja schon mal bei uns Schlafstellen ausgemacht worden für eine Nacht, [da] wurde aber dann nichts draußs – dafür diesmal. Sie waren natürlich peinlich berührt und doch froh, daß wir die Soldaten genommen hatten. Und nun waren sie richtig eifersüchtig auf uns, daß wir sie durften bewirten und Spaß mit ihnen haben. Gleich schaffte Frau U. unten herum in ihrer Wohnung, kurz drauf „gongte“ es durchs Haus: Einladung zu Kaffee und Kuchen – eine, zwei Treppen tiefer!! So ein Hallo! Um ½ 11 Uhr abends!! Schön, gemütlich war es doch, ich hätte es garnicht geglaubt. [F]ast um 100 [Uhr] war es, als wir endlich in‘s Bett fanden. Beinahe bissel beschwipst; denn Herr U. hatte den Weinkeller nicht geschont! Um ½ 6 heute früh hieß es aufstehen, um 7 Uhr war Appell, weißt? auf der großen Wiese vorm Gemeindewald, da hatten sie alle ihre Auto's stehen. Sie sind dann über Dresden – Bautzen nach Breslau gefahren.

Tausendmal bedankt haben sie sich und uns versichert, daß sie selten so lieb aufgenommen worden seien (es waren ja auch unsre ersten Soldaten, die wir da hatten) woanders ist das schon was altes [sic], vielleicht macht man sich kaum Umstände mit ihnen.

Ich mußte mir immer sagen innerlich: Du willst es ihnen gemütlich, heimlichisch* [siehe Abbildung] machen – vielleicht gerät mein [Roland] auch einmal in solche Situation, ich würde mich so freuen, wenn Du dann an liebe Leute geraten würdest, die solch armen Wandervogel [sic] paar heimliche Wünsche der Bett Bequemlichkeit von den Augen ablesen! Mir tun die armen Kerle so leid. Du glaubst nicht, wie sie sich wohl gefühlt haben bei uns. Beim Abschied meinten sie, hier könnte getrost eine Woche Rast gehalten werden!

Das hätte sich aber nicht mit mir und meinem Inneren und auch nicht mit unsern Lebensmittelmarken vertragen! Ich bin froh, daß sie wieder fort sind! Du!!!!!

Ach Geliebter!! Geliebter!!! Ich hatte sooo Heimweh nach Dir!! Wenn Du doch auch mal so unverhofft da wärst!!! Nein – nicht unzufrieden werden. Ich bin schon so froh und glücklich, wie es das Schicksal mit Dir meinte bisher! Was nützte mir's, kämst Du wie diese auf kurze Zeit und müßtest in ein ganz ungewisses Schicksal weiterziehen? Oh Du!! Du!!! Du!!!!! Sie sind doch bei aller Freude des Heimkehrens viel, viel härter daran als wir beide, Geliebter! Sie müssen mit, direkt in den Kampf. Heran an den Feind[.] Sie müssen sich diesen kurzen Heimaturlaub sehr schwer verdienen. Ach nein, Herzlieb! Nur nicht auf and[e]re sehen, gar begehrlich oder neidisch – Nein!

Jeder soll sein Los tragen – würdig tragen. Und wir können das auch – wollen es so gewiß! Du!! Du und ich, wir beide! Du!! Die wir uns sooo maßlos sehnen müssen, endlich eins zu sein!! [siehe Ausschnitt aus dem Brief]

Der Herrgott möchte seine Hand segnend über unsern Bund halten! Er möge Dich mir wiederschenken! Geliebter mein!! Ich gehöre Dir immerdar!!

Ich liebe Dich! Liebe Dich herzinniglich!

Ich küsse Dich! Ich bin Dein! Dein!!!

Ganz Deine Holde, Du!!!

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Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.410526-002-01a.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946