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[OBF-410626-002-01]
Briefkorpus

Schmilka, Donnerstag am 26. Juni 1941.

Mein liebes, teures Herz! Du mein herzliebes Mannerli! Liebster!!

Es ist schon 8 Uhr heute, da ich erst dazu komme, Dein zu denken. Ich sitze auf dem Balkon, am kleinen Tisch, an Deinem Schreibetisch Herzlieb! Und ein großer Busch Margueriten steht in einer blauen Vase neben meinem Briefpapier. Alle Sommergäste promenieren unten vorbei nach der schattigen Allee runter – der Tag war heute sonnenlos, aber sehr, sehr schwül! Es kam nicht zu einem Gewitter auch nicht zum Regnen. Und nun, gegen Abend ist es doch angenehmer, kühler. Der Himmel sieht aus wie ein großer, weißer Emailletopf – weißt, so runde Häufchenwolken sind zu sehn! Und dahinter schimmert wieder vertraut, das liebe Himmelsblau. Die liebe Sonne guckt nur zum Gutenachtsagen nochmal kurz hinter den Wolken hervor, ehe sie hinten hinunter rutscht, wo die beiden Elbufer wie zusammengeschmolzen scheinen durch die Entfernung. Ich schätze, daß es bei Postelwitz ist wo die Wendung kommt und mir so die weitere Sicht versperrt. Ach weißt Herzlieb! Im Sommer kann ich dies Fleckchen Erde doch sehr liebhaben – nur im Winter, da ist es vielleicht zu öde hier. Ach weißt, wenn Du mit bei mir sein wirst, dann kann die Umgegend noch so öde sein – dann wird mir Erfüllung in allen Dingen – in soo reichem Maße! Du!!! Dann brauche ich doch garnichts weiter als ein Stück Erde, irgend eines, das ich mit Dir schauen will, über das ich an Deiner Hand schreiten will, froh! Selig-froh und glücklich! Und ausgefüllt von dem beglückenden Gefühl Deiner Nähe! Ach Du! Überall wo Du an meiner Seite gehst, da bin ich zuhaus, da bin ich geborgen, da fühle ich mich so ganz glücklich und zufrieden. Herzlieb!

Wo uns einmal mag das Schicksal hinverschlagen – ich fürchte nicht, daß ich es nicht ertrüge – denn Du bist bei mir! Du!! Mein Geliebter! Mein [Roland]! Und das allein bedeutet mir alles! Leben! Inhalt! Erfüllung! All mein Glück! Mein [Roland], Du!! Ach – wie ich Dich liebe!!!!! Herzlieb! Ich habe heute Nacht das erste Mal von Dir geträumt! Du!!! Sooo lieb und sooo süß, daß ich erwachte davon. Meine Uhr zeigte 3 – ich konnte bis zum Morgen nicht mehr einschlafen, Herzlieb! Ach Du!!! Es war zu schön!!! Ich schlafe doch in Deinem Bettlein – Du! in unsrem!!! Weißt Du noch? Herzlieb!!! Du!!! Weil ich zu lang bin für die Couch, meine Füße hängen unten raus! Du!! Und ich habe mir jeden Abend vorm Einschlafen all die süßen Stunden in's Gedächtnis zurückgerufen von einst – Geliebter!!! Und heute Nacht, Du!! Da bist Du zu mir gekommen – im Traum! Oh Du!! Sooo süß! Oh sooo einzig süß und wonnevoll war der kurze Traum!! Mein [Roland]!

Wenn er doch bald einmal wieder Wirklichkeit werden könnte! Du!! Du!!! Du!!!!! Herzlieb!

Ich habe Dich ganz bei mir gespürt ganz nahe bei mir! Ach Du!! Wenn ich jetzt daran denke, dann rieselt es durch meinen ganzen Körper so wundersam, so süß! Geliebter!! Ich könnte Dich nie vergessen!

Mein [Roland]! Heute früh mit dem 1. Schiff fuhren wir nach Bodenbach. In der zehnten Stunde kamen wir an. In Tetschen verließen wir das Schiff, um auf den [sic] Rückweg in Bodenbach das Schiff wieder zu besteigen, da kann man noch eher auf einen Sitzplatz hoffen. Nun konnte ich mit Mutsch zusammen ein Stück der schönen Elbfahrt genießen, die wir beiden Glückskinder vor 2 Jahren soo reichlich genossen! Am liebsten wäre ich wieder bis S[unklar] gefahren!! Glaubst, sie ist immer auf's Neue schön und reizvoll, eine Fahrt auf der Elbe. Mutsch gefiel es so sehr! Vor allem war das Wetter sehr geeignet heute, daß man den Luftzug beim Fahren geradezu angenehm empfand. Weißt, es fahren jetzt lauter ältere Herrschaften und es laufen auch nur ältere Leute umher überall. Die jungen Mädchen sieht man alleine gehn. Die jungen Männer fehlen überall im Bilde. Ist nicht verwunderlich. Doch trifft man ab und zu auch noch einen – doch das hat auch [se]inen bestimmten Grund, weil er noch nicht wehrdienstpflichtig ist. Im großen und ganzen spürt man überall den Krieg daran, daß keine Männer mehr rumlaufen. Außer blutjungen oder alten.

Mußt nicht dumme Gedanken haben jetzt – Herzlieb! Mir fiel das nur heute in den beiden Städten wieder auf. Zuhaus bist du das Straßenbild und die Bewohner so gewöhnt – hier in der fremden Umgebung fällt einem manches richtig auf.

Wir stiefelten nun erst mal durch Tetschen. So zwei Weibel, die haben viel zu schaun. Die interessieren sich für jeden Kram!! Und in Tetschen hab ich mir einen feinen Dirndlstoff gekauft Du!! Blau-weiß kariert- ganz kleines Muster. Schön! Leinen – darauf spekulierte ich schon lange. Ich lasse den Stoff liegen bis Hubo da ist, bei mir!!

Du!! Wenn Du wollnen Stoff kriegst, kauf nur!! Hier gibt's nix! Und kaufe möglichst dunkle gediegene Farben – damit ichs liegen lassen kann und verarbeiten wenn Du wieder da bist – oder wenn ich meine alten Kleider abgetragen habe. Dann bin ich doch schon bissel alter [sic], Du!! Und da möchte ich wohl auch dunkle Farben tragen? Ach – Du weißt ja am allerbesten was mich kleidet! Du siehst mich doch besser, wenn ich etwas trage, als ich selbst mich sehen kann. Und so wie's mein lieb's Mannerli wünscht, so will's doch Deine [Hilde] tun!!

Ich will vielmehr Dir gefallen – als mir!

Na, soweit auseinander geht unser Geschmack doch garnicht, gell? Du!

Was Du mir schenkst, das gefällt mir immer!

Will Dir hier nur gleich nochmal alle meine Nummern sagen!!

Kleidgröße: 44.

ebenso Unterwäsche: 44.

Handschuhgr[öße].: 6 ½ - 6 ¾ .

[neue Spalte]

Schuhgröße: 39.

Strumpfgröße: 9 ½ .

Und Wolle?

Und das nötigste wäre ein Wintermantelstoff, für einen Sommermantel Stoff begrüße ich ebenso sehr! Denk' auch an Dich! Dickerle! Du brauchst auch einen Sommermantel – einen Wintermantel wenn Du die Uniform ausziehst!! Ich will Dir, sobald die Post wieder normal geht, Geld schicken!

Was soll ich mir wünschen? Du!! Ich freue mich über alles – alles , was mein Herzlieb mir schenkt aus seinem übervollen Herzen voll Liebe! Du!!!

Ich freue mich ja sooo sehr, wenn Du mich beschenkst! Ach – es ist ein ganz großes Glück für mich!

Ich kann es unmöglich so in Worte fassen, wie ich es innerlich erlebe! Ach Geliebter! Du weißt es.

Du!! Ich hab Dich sooo lieb! Du!!

So wie Du bist! Oh Du!! Du!!!

Komme bald heim zu mir! Herzlieb!!!

Ach — ich hab Dich ja sooooo lieb!!

Du!! Du!!!

Gott behüte Dich! Mein [Roland]!

Mein Herzlieb! Gegen Mittag waren wir in Bodenbach drüben, dort hielten wir Mittag im „Cafe C[unklar]" hörten da öffentliche Nachrichten durch den Lautsprecher. Um 2 Uhr öffneten die Geschäfte wieder. Es war alles so wie einst, da Du und Mutter [Nordhoff] mit waren. Und zum „Zimmerhackel" sind wir natürlich auch! Dort kauften wir für Frau H. zum Geburtstag 3 schöne Einweckgläser – morgen, ehe wir zu ihr gehen, kaufe ich in Schandau noch paar schöne Blumen dazu. Da wird sie sich freuen. Mutsch wollte gern paar Porzellantöpfchen an den Herd zu hängen, die waren aber richtig „böhmisch", und die mochten wir nicht. Du!! Wir können froh sein, daß wir alles noch kauften damals! Es gibt nichts mehr, lauter Geplärre und altmodisches Zeug. Was meinst, wie die Berliner hamstern! Mit großen Koffern fahren die ,rüber' einkaufen!! Und als Frau Sch. sich letzthin einen Blusenstoff kaufen wollte, hat sie keinen bekommen: an das Altreich verkaufen wir nichts mehr. Siehste, da haben sie's also gemerkt! Es ist überall das alte Lied: wo es noch 'was' gibt, da sammeln sich bald Liebhaber. Ich sag mir immer: versuchst es mal – was nicht ist, das ist nicht. Und da lasse ich mir keine grauen Haare drüber wachsen! Wenn ich nichts mehr anzuziehen habe, dann bin ich's nicht allein, dann geht’s andern ebenso.

Ach — es sind das soo kleine Sorgen! Wenn ich Dich nur habe! Du!!

Und wenn Du nur bei mir bist – und dazu brauche ich ja nicht mal etwas Anzuziehen – wenn's drauf ankommt, Du!! Ja? Du!! Herzlieb? Ist's nicht wahr? Du!!!

Nein . Punkt – jetzt wird’s verführerisch!

Mit dem Schiff um ½ 4 [Uhr] fuhren wir wieder zurück. Und wir hatten es ganz schön satt, von dem rumlaufen in der heißen Stadt. Nachdem ich nun Deinen lieben Boten zu Haus in Empfang genommen hatte, den soo lieben vom Montag zum Dienstag in der Nacht geschriebenen! Du arm's Hascherl! Herzlieb!

Welcher Affe ist das, der so mit Euch verfahren darf? Aber – im Grunde genommen: Dir hat er mit dieser Strafe kein's ausgewischt, Du!! Im Gegenteil!! Ach – wenn der den Hubo kennen tät', da wüßte er gar bald, daß der sich aus einer Strafe einen Pfifferling macht. Ist ja lächerlich, welche Gründe dieser ,Herr' zu seinen [sic] Strafvollzug hervorsucht! Naja – es gibt solche und solche.

Du!!

Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern! Und jetzt muß ich, ob ich will oder nicht Schluß machen mein Lieb! Mir geht's ebenso wie Dir: es wird nun finster und ich kann kein Licht brennen, weil keine Verdunklung da ist.

Also für heute: Auf Wiederhören! Du!! Schätzel, mein lieb's, herziges! Mal sehn, wann wir morgen aus Lichtenhain wiederkommen, da denk' ich nochmal Dein! Denn Sonnabend ist ja schon Reisetag!! Schade! Aber auf die Lieben all in Dehsa freue ich mich auch.

Jetzt! Komm Hubo – husch! In's Nachthemdel!

Oder brauchen wir keines? Psst!! wird nicht verraten! Ich hab Dich sooo lieb! Ich bin Dein!! In Liebe ganz Deine [Hilde]!! Mein Glück!! Gott sei mit Dir allezeit! Ich bleibe Deine

[Hilde], ganz Dein.

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Kommentare

drew.bergerson

Mi., 27.01.2016 - 15:35

Zu "weil keine Verdunk[e]lung da ist": Hilde meint vielleicht, dass sie kein Zubehör zur Verdunkelung hat, deswegen muss sie den Brief schliessen, da sie kein Licht anmachen darf. Oder, sie hat "keine" statt "eine" geschrieben und Verdunkelung bezieht sich auf einen Luftalarm.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946