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Briefkorpus

Montag, den 7. Juli 1941

Meine liebe, liebste [Hilde]! Du! Mein liebes, teures Weib!

Heute will ich mich zuerst noch mit einigem auseinandersetzen, davon Du in Deinen lieben Boten berichtest. Wir haben wieder so vieles miteinander erlebt!, [sic] Geliebte – auch das Heimlich-Süße und am Sonntag, als Dir die Wangen glühten, war ich doch immer bei Dir mit meinen Gedanken! Wie Du eben auch wollte ich doch die böse Rußlandgeschichte gar nicht glauben, ich wollte es nicht glauben. Nun sind Hellmuth und Siegfried mit dran wieder. Herzlieb! Die liebe Elfriede hat es doch recht schwer, seit Hellmuth und Elfriede zusammenleben, hat es auch immer Sorgen zwischen ihnen gegeben; aber sie sind trotzdem froh und glücklich miteinander. Und wir dürfen hoffen, daß um uns her das Leben wenigstens etwas weniger beschwert von Sorgen und friedvoller sein wird. Das Glück unsres Einssein kann uns ja niemand rauben! Dem Siegfried habe ich einen langen Schreibebrief geschrieben, vor etwa 10 Tagen.

Herzlieb! Auch Du denkst froh zurück an alle Erinnerungen! Ach weißt, ich möcht doch gleich mal in Dich hineinkriechen und schauen, wie sich all das in Deinem jungen Mädchenherzen gespiegelt hat. Du! Dein Hubo war ja sooo verliebt – sooo unheilbar, Du!!! Du!!!!! Und ist er es vielleicht nicht mehr? – Du!!!!! Du!!!!!!!!!! Wag nicht, es zu bezweifeln, sonst wird er ganz närrisch, Du!!!

Daß mein Herzensschatz verliebt ist – das weiß ich gewiß! Hat sich auch verraten damit: Links ist immer, wo das liebe Mannerli steht – oder sitzt – von wo die lieben Kussel meistens kommen - - - - - - - - und da muß also auch das linke Ufer sein – hast Dich zu spät verbessert – ätsch!

Die Schmilkaer haben mich vermißt – von den Schulkindern glaube ich das nicht – von den Dorfschönen auch nicht – sonst wäre das ja ein Gesamtlob – wie aber die Feldpost zurückgehen kann mit dem Vermerk „Adressat unbekannt“ verstehe ich nicht. Eine ähnliche, zu solch bösem Mißverständnis führende Pudelei [sic] ist unserem Kamerad H. widerfahren, so, daß sein Bruder beim hiesigen Kommando nachfragte. Auch H.es Post war mit diesem Vermerk zurückgegangen. Geschichte lehrt, daß man nicht gleich aus allen Himmeln fallen soll bei solchen Vorkommnissen.

Nun hat der Hubo sich ein paar Ferienbilder ganz richtig ausgemalt: im Liegestuhl auf der Elbwiese — und die Reisen nach Bodenbach und Schandau und Lichtenhain – den Spaziergang in halber Höhe über der Elbe – an die ölige Knuspergans auf dem Balkon hat er nicht gedacht – das hat er sich nicht gewagt, Du!! – und anbeißen? schon gar nicht – das tut doch weh – oder nicht? Du? Du?!!!!! Mußt mir’s sagen, wo es nicht weh tut, Du!!! Vielleicht ist noch ein Stückchen übrig, wenn der Hubo auf Urlaub kommt! Du!!! – Und der Kalendermann hat recht gehabt – aber am Donnerstag dann hätt ich nicht bei Dir sein dürfen, Herzlieb! Du!!!!! Du!!!!!!!!!!!!! Du liebes, süßes Weiberl! Mein!!!

Von einem Hochzeitsgeschenk schreibst mir, Du!! Machst mich neugierig, Herzlieb! Ich freu mich ganz sehr darauf, Geliebte!!! Auf diesen Tag auch, nächsten Sonntag! Freude wird sein in meinem Herzen! Wenn ich es möglich machen kann, will ich zur Kirche gehn – ein richtiger Festtag wird es sein! Du, der liebste von allen – und ganz lieb will ich Dein denken! Gebe der Herrgott, daß wir diesen Tag noch oft und froh miteinander erleben dürfen! Und wenn wir ihn dann zusammen begehen? Oh Herzlieb! Du!!! Du!!!!! Du weißt, ich bin gegen den Sonntag, an dem man mal an das Buch denkt, mal an die Musik, mal an die Mutterliebe. Liebe, Treue und Dankbarkeit bewähren sich gerade erst im Alltag! Aber an unserem Geburtstag will ich doch Dich ganz glücklich sehen! Du! Herzlieb! Wir wissen, wohin all das große Glück münden will. An diesem Tage aber wird es uns immer besonders tief und dankbar bewegen. – O Herzlieb! Eine Freude, die Du mir machen willst – die ahne ich – Du!! Du!!!

Werden unser beider Herzel hüpfen, Du!!! Beim Hubo ist bloß nicht viel zu sehen davon, Du!!! „Bin ich denn soviel Liebe wert?“ Geliebte! Geliebte!!! Wir wollen nicht messen –  sollst Dich ganz froh beschenken lassen von mir! – wollen unsre Liebe zusammenlegen – soll zusammenfließen zu einem Meer – und Du, geliebtes Wesen, wirst mir immer als das bessere und reichere erscheinen – so wie Dir vielleicht das Mannerli – weil Du mir Erfüllung bist, Erfüllung, allen Sehnens – meine ganze Liebes- und Herzenskraft wird immer um Dich kreisen, weil ich Dich ganz glücklich machen will – weil ich nichts Köstlicheres weiß, dem sie dienen könnte [sic]. Oh Du!!! Ich muß Dir sooo gut sein!!! Ich muß Dich sooo lieb haben!!! Und Deine Liebe ist doch die größere, [sic] und reichere – und Deine Geschenke – oh Geliebte!!! – Ja! ja!! Du!!!!! Du!!!!!!!!!!!!!

Ich gehe nun weiter der Reihe nach. Daß Ihr beiden lieben Frauenzimmer nicht richtig ausruhen würdet allein – das hätte ich ja ohne Mühe prophezeien können (fehlt eben das Mannerli, zwei in diesem Falle!) – und nun sehe ich Euch bei Eurer Passion: Läden und Schaufenster mustern und Ausschau halten nach etwas Kaufenswertem. Der Freude auf Adam- u. Evazeiten brauche ich mich bei Eurer lieben Umsicht u. Fürsorge gar nicht erst hinzugeben – und wenn Ihr aus Kleeblättern Euch ein Kleidel [:Kleid] schneidern müßtet und Spinnenweben als Nähfaden dazu brauchen – Ihr brächtet es fertig – Ihr Sappermentsweibel! Oh! Ums liebe Nest brauch ich mich einmal nicht zu sorgen, Du!!! Du!!!!! Fein ist das!!!

Und für mich hast auch etwas eingekauft – Du Liebe!! Du!!!

Und nun sehe ich die beiden Hamster schleppen – und das Café zu! – Das war freilich eine bittere Enttäuschung. Fleischer Heidenreich? So heißt doch meine Fleischersfrau nicht – Heidenreich. Ich weiß den Namen meiner alten Gönnerin (!) im Augenblick selber nicht – aber Heidenreich hieß sie nicht – hast sie doch nicht etwa so angesprochen?

Und nun auch Dank für alle bestellten Grüße. Ein Lehrer, er kann sich doch nicht ganz zurückziehen – und ob Junggeselle oder nicht, ob Kneipier oder solid, er kommt doch ins Gerede, ist bald dorfbekannt und ist gezwungen schon von amtswegen, eine Menge Bekanntschaften zu machen. Aber darum keine Sorge, Herzlieb: Mein Herz und ureigen Wesen, die gehören allein, ganz allein D[ir]! Du weißt, wie gern ich die Öffentlichkeit fliehe und die Einsamkeit liebe – die Einsamkeit mit Dir, Herzlieb!!! In der Einsamkeit werden die feinen Stimmen und Regungen laut – dort finden wir uns selber wieder – und wo innigstes Verstehen ist, ist auch meist Einsamkeit; denn die Welt ist voll Mißverständnis und Nichtverstehenwollen.

Nun geht schon wieder ein Tag zur Neige. Morgen will ich mit Dir weiterplaudern, Du!!! Gestern, am Sonntag, habe ich einen schönen Film gesehen: Mutterliebe. Hast Du ihn schon gesehen? Gewiß hast Du schon von ihm gehört und kennst den Inhalt. Ich weiß, daß Du Dich darum kümmerst. Ich will morgen davon erzählen.

Ich bin müde heute, Herzlieb! Ganz gesund und wohl fühle ich mich – und ganz froh und glücklich im Herzen, oh Du!!! Sooooooo froh und glücklich!!!!! Weil ich Dich habe! Weil Du mein wartest! Weil ich in Deinem Herzen wohnen darf! Ich warte mit Dir treu und lieb!!! Gott behüte Dich auf allen Wegen! Er führ uns recht bald zusammen! Ich küsse Dich viel viellieb, Du!!! Ich bin Dir soooooo gut und habe Dich soooooo lieb!!!!

Ich bin Dein! In Ewigkeit ganz Dein [Roland]!!!

Du!!! Du!!!!!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946