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[OBF-410816-002-01]
Briefkorpus

Sonnabend, am 16. August 1941.

Geliebter!! Mein lieber, guter [Roland]! Herzallerliebster!!

Die Glocken läuten den Sonntag ein – es ist 6 Uhr abends. Und jetzt erst bin ich soweit, Dein zu denken. Ach, das war wieder ein ausgefüllter Tag heute. Morgens um 6 [Uhr] bin ich raus aus den Federn. Ich schlafe jetzt gleich mit im Elternschlafzimmer, wenn Vater Nachtdienst hat; da werde ich wenigstens morgens um 600 [Uhr] wach wenn er heimkommt. In meinem Kämmerle höre ich nichts – da schlafe ich wie ein Murmeltier! Und so ich auch Mutsch abends auftrage, mich zu wecken um 600 [Uhr] – sie denkt nicht daran! Es tut ihr leid, meint sie, weil ich immer so schön schliefe! Darüber habe ich mächtige Wut!! Wenn ich erst um 700 [Uhr] aufstehe, dann ist der Tag so furchtbar schnell um, und ich habe garnichts geleistet. Du!! Hoffentlich hast Du später nicht mal Mitleid mit meiner unschuldsvollen Schlafmiene, die ich morgens aufhabe!! Wenn Du mich etwa einmal nicht wecken solltest, wenn ich von selber nicht zur Zeit aufwache! Aber dann……….!!! Du! Da werde ich fuchsteufelswild!! Hörst Du? Ich will eher aufstehen als Du! Ich will Dir doch alles schön zurechtmachen, ehe Du gehst! Du!! Du!! Ich nähme Dir das bitter übel, wenn Du mich nicht aufweckst!! Für heute genug!

Die Schlafzimmer haben wir gründlich gesäubert heute. Die Betten und Decken all gelüftet draußen. Gesaugt, geputzt, gescheuert, gebohnert, gefummelt. So. Nun fühlen wir uns wieder wohl. Nachher will ich Mutsch noch die Betten mit überziehen helfen. Eingekocht habe ich, Bohnen 10 ℔ – Apfelmus, 1 Glas Pflaumen, weißt so große gelbe; Marmelade von Stachel- und Johannisbeeren. Ach, macht doch alles viel, viel Arbeit das bissel Esserei. Doch schön ist es dann anzuschaun, wenn es in den Gläsern prangt!

Meinen Braten für morgen habe ich bereitet, Kartoffelsalat. Einen Kriegskuchen gebacken – morgen haben wir nämlich einen Tischgast! Die Lore G. – sie ist seit Mittwoch wieder daheim und weil ihr Mann erst [i]n 14 Tagen aus Kissingen kommt, bat sie uns, mit für sie zu kochen am Sonntag, sie würde sich gerade sonntags so einsam fühlen. Ihre Marken hat sie hergebracht und Bohnen aus ihrem Garten, na – wir haben ihr natürlich den Wunsch gerne erfüllt. Geschneidert habe ich auch nochmal heute. Nun bin ich aber bald fertig. Nur noch ein Kleid hab ich zu ändern. Montag will ich alles übrige waschen und anschließend alles plätten; auch für mein Mannerli Hemdeln mit, er will ja auch mal in Zivil sich bewegen, ja? Du!! – Herzlieb! Es gab zwischen mir und Lore gestern die Rede vom Arzt. Sie will nächste Woche noch einmal zu dem Arzt gehen, der sie vor ihrer Schwangerschaft untersuchte. Es ist ein alter, sehr tüchtiger Herr, Dr. B. in Chemnitz. Mutter kennt ihn auch. Und ich habe die Absicht mitzufahren, wenn Lore ihn aufsucht. Die Mutsch war anwesend bei unserer Unterhaltung und sie meinte, daß sie es ganz gern sähe, wenn ich auch einmal zu einer gründlichen Untersuchung ginge. Ich sei recht lange bei keinem Arzt gewesen.

Weißt, die Mutsch sorgt sich immer, weil ich so blaß bin, sie nennt es Blutarmut – übrigens hat mir auch Deine Mutter jetzt in Dehsa geraten, mal einen Arzt aufzusuchen, daß er mir irgend ein Kräftigungsmittel verordne und mich mal gründlich untersuche. Frauen müßten aller paar Jahre mal zum Arzt gehen. Ich sehe das ein. Und ich habe mich nun dazu entschlossen mitzufahren, wenn Lore fährt. Sie ruft vorher an (sie kennt ihn gut) damit er uns gleich dran nimmt. Er hat im Moment die Vertretung vom Frauenarzt Dr. V. – der Mutter operierte – und ist sehr beansprucht in seinen Sprechstunden.

Herzlieb!! Mußt nicht böse sein, wenn ich mich nun so schnell entschlossen habe und ohne Dich gehe – ich weiß, wenn Du mit mir gingst, dann fiele mir dieser Gang schwerer. Weil ich Dich dann draußen warten weiß, während ich mich dieser unangenehmen Sache unterziehen muß. Bitte, bitte Herzlieb! Versteh‘ mich recht. Nicht, daß ich an Dir keinen Halt fände! O nein! Du!!! Ich will ganz allein gehen. Auch Lore muß ja draußen bleiben – es wäre mir und auch Dir beklemmend, wenn Du mit mir dahin gingst, wo lauter Frauen sitzen – ach Du! Du mußt mich recht verstehen, Herzlieb! Ich tät mich schämen, wenn ich mit meinem Mannerli in den Warteraum eines Frauenarztes käme! Du! Kannst Du das verstehen? Ich bin doch nicht krank oder schwach, oder hilfebedürftig äußerlich, daß Du mitgehen ßtest!

Ich muß allein gehen – ach, ich muß! Du!! Aber das verspreche ich Dir: ich erzähle Dir alles ganz genau, was mit mir ist, ja Du? Herzlieb? O Du sollst nicht denken, daß ich Dich von meiner Seite verdrängen will, weil ich so handele! Du!!! Du hast mein ganzes Vertrauen – nach wie vor, Herzlieb! Du!! Ich weiß, wie Du mich liebhast und daß Du gerne mit mir diesen Gang getan hättest, um mir beruhigend zur Seite zu sein – es ist kein schöner Gang – er fällt mir auch schwer. Aber ich muß ihn gehen, es ist meine Pflicht als Frau – als Weib, Dein Weib – Geliebter; denn ich will ja einmal Mutter sein, Mutter Deiner Kinder, Herzlieb! Unserer Kinder! Es wird im Leben wohl auch oft Wege geben, die ich allein gehen muß – auf denen Du mich nur [in] Deinen liebenden, sorgenden Gedanken begleiten kannst ach Geliebter! Das ist mir Schutz, Beruhigung und Geborgensein genug, daß ich Dich mit all Deiner Liebe um mich weiß, auch wenn Du mir körperlich nicht nahe bist! Ich weiß, Du wirst mich verstehen, Du!

Ich habe lange überlegt, lange, als ich gestern abend schlafen ging und im Bett all das überdachte. Aber ich bin nun fest entschlossen: ich will hingehen ehe Du zu mir kommst – es ist besser so.

Wahrscheinlich gehe ich am Donnerstag; denn erst muß ich ja wieder ganz gesund sein. –

Mein Herzlieb! Es ist nun mittlerweile finster geworden wir haben die Betten bezogen, Abendbrot gegessen. Nun sitze ich allein für mich in der Stube, beim Kerzenlicht! Weil ich doch nicht erst die umständliche Verdunklung anbringen will. Die Eltern haben Musik und ihre Unterhaltung – das ist mir zu viel! Du!!

Ich will mit Dir ganz alleine sein, Herzallerliebster Du!!! Ach Du! In Deinem Sonnabendboten vom 9. August erzählst Du mir ja wieder eine tolle Geschichte! Du bist aber doch mit allen Wassern gewaschen! Du Schlauberger! Die Negative hast Du entwickeln lassen? Du! Da bin ich erstmal platt! Haben sie Dir denn Bilder gemacht? Mein Optiker hat sie doch nicht entwickelt? Komisch! Die möchte ich wahrlich mal sehen! Bringst sie mit? Du! Ach Du! Ich glaub' Dir's ja, daß Du neugierig bist auf alles, was mit mir zusammenhängt! Mir ginge es ja genau so, Geliebter! Ach ich sehe es ja, ich spüre es ja, daß Du soooooo ganz froh und glücklich bist mit mir! Du! Du!!! „Du hast ein Mannerli ganz ganz glücklich gemacht auf dieser Erde!“ „Mit Deiner Liebe!“

Du!! Weißt Du denn, wie Du mich damit beglücken kannst? Geliebter! Geliebtester! Ach, mein Herzelein! Man kann doch die rechte Liebe garnicht auseinandernehmen: Mein Glück ist Dein Glück – Dein Glück ist mein Glück! Oh Herzensschätzelein! Wenn Du erst wieder bei mir sein kannst – wie wollen wir es einander zeigen, wie sooooo lieb wir uns haben! Ach ja alle spüren’s wie ich mich auf Dich freuen muß, alle merken’s, wie ich aus dem Häusel bin!!!

Sogar die Mutter [Nordhoff] schreibt es Dir! Du!!! Der Onkel M. hütet jetzt das Kinderzimmer – in 3 Wochen oder 4 da hüten es zweie! Zweie! O wenn man sich auf die verlassen sollte! Die hören und sehen doch garnichts, was um sie her vorgeht – da steigen am Ende die Diebe trotzdem ein – so still ist es drinnen im Kinderzimmer, man könnte meinen, es sei leer! Bloß ein Bettlein ist benutzt – vielleicht gucken da nicht mal die Köpfe raus oben!

Oh Du! Du!!! Es wäre wirklich das allererste Mal, daß wir in Kamenz ganz alleine das Zimmer bewohnen! Hoffentlich!! Hoffentlich!!

Ach Du! Du freust Dich ja sooo sehr heim! Auch auf Kamenz heim! Ach Du! Es ist uns doch im Grunde ganz egal wo wir weilen – wenn wir nur beisammen sind, ja Du? Ach Du! Wir sind doch auch noch sooo junge Liebesleute, müssen einander noch sooo oft zeigen, wie lieb wir uns haben – und dazu müssen wir doch ganz allein sein – und Vater und Mutter und Freunde und Verwandte müssen hintanstehen – und un[e]re Lieben verstehen das so gut, und die es garnicht verstehen können müssen wir eben draufdrücken und hinaussperren! Ja Du! Du!!! Du hast doch ganz recht! Herzensschatz! Geliebter!

Und nun erzählst Du mir die Geschichte in Deinem Sonn[ta]gsboten von dem Urlaub. Herzlieb mein! Ich habe Dich ja so lieb verstanden. Ich könnte nicht anders handeln als Du! Herzlieb! Daß wir uns durch Schuftigkeit einen Urlaub erwerben sollten? Nimmermehr!! Ich wie Du wir hätten keinen Segen davon, keinen Gewinn – unser beider Gewissen wäre belastet von Anfang bis Ende – ich weiß es genau, wir sind da viel zu ehrlich und zu gründlich in unserm Wesen. Ich weiß noch so genau, daß ich oftmals früher mit dem Gedanken spielte, meinem Chef irgend etwas anderes zu sagen, wenn ich mal eher zu Dir nach Lichtenhain wollte – oder mal später wiederkommen wollte, ich habe es nicht fertig gebracht. Die Wahrheit siegt! Und waren wir nicht tausendmal glücklicher zusammen, in den ehrlich erworbenen Stunden des Beisammenseins? Du weißt es so genau wie ich! Und auch Du hast können niemals Deine Pflicht versäumen. Wir sind nun mal so. Oft im Leben kann es uns darum passieren, daß wir so das Nachsehen haben. Aber ein ruhiges Gewissen ist mir mehr wert als der schönste Gewinn; denn unter solchen Umständen ist es kein Gewinn – da ists' Betrügerei. Was nützt mir ein Vorteil, den ich mir ergaunere, wenn ich dadurch in den Augen meiner Kameraden und meiner Vorgesetzten um ein Gewaltiges sinke?

Ich besitze gottseidank [sic] mehr Ehrgeiz als dieser Bursche Z. [sic]. Das ist sicher dieser Z., von dem Du mir vor langer Zeit schon mal sagtest, daß er nun Dein Kamerad in der Schreibstube geworden sei? Dein Hauptfeldwebel weiß ganz genau, was er von Euch beiden zu halten hat! Und ich begreife auch sehr wohl Deine seelischen Konflikte, da sich Wahrheit und Unwahrheit stritten – daß seine Mutter krank ist, ist wahr; daß er diesen bedauerlichen Fall aber auf solch gemeine Art ausnützt, das ist hundsgemein! Wenn ich den mal allein erwischte, ich müßte ihm die Backen aushauen! Wenn das wahr ist, daß er die Krankheit seiner Mutter so ausnützt!! Ich komme darüber nicht hinweg! Glaubst, daß dieser Kerl Dein Verhalten nicht anerkennt? Dazu ist der viel zu gemein, zu egoistisch. Na, den wird das Leben auch noch abschleifen! Großherzigkeit und Edelmut sind ja den meisten Soldaten fremde Begriffe, wenn es um Urlaub geht oder irgend einen Vorzug. So ist es genau auch im Leben, im Alltag. An solchen Klippen erweist sich der rechte Kerl! So bewährt sich ein edler Charakter. Wir wollen nicht mehr davon reden. Du!

Ich weiß mit Dir, daß Dein moralischer Rechtsanspruch auf Deinen Urlaub nun nur desto gewisser ist!

Mein lieber, lieber [Roland]! Du sehnst Dich wie ich nach unserem Wiedersehen – Du freust Dich wie ich!!! Ach, ich fühle es doch täglich aufs' neue tief beglückt, wie sehr Du nach mir verlangst und nach der Heimat – schenke uns Gott in Gnaden ein frohes glückliches Wiedersehen! Ich bete so sehr darum, Du!!!

Der arme Kamerad H. weiß nun noch garnicht, was aus ihm wird, das tut mir leid! Ach, es wäre fein, könnte er mit Dir zusammen reisen! Ich wäre auch beruhigter! Wenn er seit Weihnachten nicht daheim war, ist ja seine Zeit auch wieder um! Ihr habt schon so sehnsüchtig das Treiben der Urlauber auf dem Bahnhofe beobachtet! Ihr lieben, lieben Hascherl Ihr! Bald dürft auch ihr dabei sein!!!

Du! Geliebter! Du schreibst mir schon wieder von Geschenken, Herzlieb! So geheimnisvoll und so lieb! Oh Du!! Du!!!!! Und das eine hat schon wieder eine Geschichte?! Du!! Geliebter mein! Du bist zu lieb mit mir! Du!!!

Ach, es sind mir doch richtig die Tränen gekommen, als ich Deine Geschichte las mit dem lieben Ehepaar, die Verkäufer, die sich so nach der Person erkundigten, die beschenkt werden soll. Du!! Als ich mich Dir so vorstellte, ach – ich hätte Dich ja am liebsten gleich einmal ganz lieb und fest an mich gedrückt und geküßt, Du! Mein allerliebstes Schätzelein. Oh ich lasse mich von Dir so gerne beglücken! So gerne! Ich muß Dich ja so unsagbar lieb haben mein [Roland]! Ach, es ist ja nicht zum sagen, wie ich Dich liebe!!! Du bist mein ganzes Glück! Mein Ein und Alles! Niemals vor Dir und niemals nach Dir kann ich wieder so lieben! Ich habe vor Dir keinen Mann so geliebt wie Dich, Du weißt es ja schon, Du!!! Du!!!

Und nun ich Dich habe, kann ich ja nie und nimmer mehr von Dir lassen! Ich muß Dich lieben bis an mein Ende! Ich habe Dich sooooooooooooo unendlich lieb! Ach Geliebter! Ich mein Du mußt es fühlen! Und wenn Du bei mir bist, dann will ich es Dir zeigen wie so sehr ich Dich liebe! Daß ich ganz Dein bin! So ganz ausschließlich Dein! Geliebter! Mein Leben! Gott schütze und behüte Dich mir! Er lasse Dich froh und gesund heimkehren! Ich warte auf Dich! Du!!!!! Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946