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[OBF-411004-002-01]
Briefkorpus

Sonnabend, am 4. Oktober 1941.

Herzensschätzelein! Geliebter! Mein liebster [Roland], Du!!!

Die Glocken läuten den Feiertag ein – Reichserntedankfest – wie schön, nochmal so schön wäre mein Feierabend, wenn Du bei mir wärst! Geliebter!!

Es kann nicht sein – und so müssen wir nun wieder, wie gut und tröstlich ist es doch!, zum Papier greifen, um wenigstens unsre Gedanken aufzuschreiben, sie dem liebsten Menschen zu schicken, das [sic] er uns nahe ist und miterlebt und -empfindet. Das macht auch das Herze leicht, den Blick hell und erfüllt die Seele mit Freude; nichts tue ich doch lieber, als Dir mich mitteilen, als Dir schreiben!

Du!! Herzlieb! Du weißt es – und ich bin in unseren Familien „bekannt“ durch meine besondere Leidenschaft! Das tut dem Eifer keinen Abbruch! Du wirst jetzt, abends um 6 [Uhr] auch feiern, nichtwahr [sic]? Das erste Wochenende wieder in Saloniki, wie wirst Du Dir wohl vorkommen? Na, Du bist nicht allein, hast Kamerad K. bei Dir. Ich bin so froh darum! Und wenn ich recht rate, so bietet das Wetter auch Gelegenheit zum Spazieren im Freien – ach, Du mein lieber, lieber Wandergesell, ich weiß doch, wenn Dir das Herze voll ist, dann trägst Du's hinaus in Gottes schöne Welt – dann wird alles gut. Sehnsucht und Heimverlangen, sie weichen dem unerschütterlichen Willen: hindurch durch diese böse Zeit. Und ein großes Stück weiter auf dieser Erde, da ist ein Menschenkind, das wartet Dein, das hofft mit Dir, das glaubt und ringt mit Dir! Vergiß es nie!! Und unsere Liebe und Treue wird uns helfen, zusammen mit Gottes Hilfe, auszuhalten. Ganz stark und mutig.

Mein Herzlieb! So ist nun das heutige Wochenende über der vielerlei Beschäftigung und der liegen gebliebenen Arbeit von gestern ganz schnell vergangen – ich hatte fast keine Zeit, darüber nachzudenken, wieviele schöne Sonnabende mir die letzte Spanne Zeit schenkte – mit Dir! Aber wenn ich die Gedanken nicht eben in Anspruch zu nehmen brauchte, dann eilten sie doch zurück zu den Stunden, da ich mit Dir sooo glücklich war, Du! Nun will die Sonne scheiden, sie verschenkte heute noch einmal viel Wärme – der Himmel färbt sich rot. Dunst liegt in der Ferne, da am Waldrande; es wird morgen wieder einen schönen Tag geben. Morgens hält unser Pfarrer Erntegottesfeier. Wir singen. Vielleicht kann ich Dir wieder eine Folge des Gottesdienstes beilegen. Ob wir spazieren gehen? Mal schaun. Wir haben eine ganze Menge Äpfel, Fallobst und gutes, das möchte weg. Heute früh habe ich Dir ein Päckel von 2 ℔ geschickt, Du sollst Kam. H.'s eigene Ernte mit probieren! Er hat mir einen schönen Brief dazu geschrieben, ich will ihn Dir beilegen. Ich möchte mich bald dafür bedanken, ehe er operiert wird, der Ärmste. Nun kann's noch ein Wenig währen, ehe Du ihn wiedersiehst! Hoffentlich ver[l]äuft alles gut. Ich hätte schon ein wenig bange. –

Heute bekam ich Heidi's Vermählungsanzeige. Eine rechte kriegsmäßige. Ich habe ihren Festtag schon durch Deine Mutter erfahren und war gestern nach einem Geschenk für sie aus. Sie, als Kunstgewerblerin liebt etwas aus ihrem Fache, mein‘ ich. Und so habe ich im Dürerhaus etwas ausgewählt. Ein sehr hübsches Ding, was auch einen Schlag in's Wirtschaftliche hat. Ein Schneidebrett in ganz besonders reizvoller Ausführung mit Messer. Stellt mehr ein Zierstück dar, nicht so gebrauchsmäßig wie die hölzernen Bretter üblich sind. Ich muss leider auf die neue Sendung warten, das im Schaufenster, das letzte, war schon verkauft. Ich muß ihr wenigstens gratulieren und sie auf ein Mitbringsel vertrösten, vielleicht zur nächsten Hamsterfahrt?!

Hm!!! Du! Wie das eben verführerisch duftet!! Von den Äpfeln habe ich Kuchen gebacken auf den zwei Stollenblechen. Einen Hefeteig knetete ich, der braucht wenig Zutaten! Und paar Streusel obendrauf. 1 ℔ Quark strich ich unter die Äpfel. Er sieht direkt verführerisch aus! Du!! Zum Anbeißen! Wie jammerschade, daß Du morgen nicht mithalten kannst! Und Obstkuchen kann ich Dir unmöglich schicken, ja? Du bekommst auch wieder mal 'was, Du!! Jetzt derweile einen ganz lieben Kuß!!! Und nun zu Deinem lieben Briefe von gestern. Heute ist keiner angekommen.

Herzlieb! Ich kann Dir nachfühlen, daß Dir Deine Umgebung erst allmählich wieder vertraut werden wird. Vertraut sage ich, da hat man andere Gedanken – gewohnt muß man hier besser sagen, gelt? Liebster, Du mußt Dich mit den Kameraden trösten! Und nun war es wahrhaftig wieder das bekannte Bild, Deine Stube, der Blick zum Meere – zum Ägaischen [sic]! Wie ein Traum, so wechselvoll die Bilder in kurzer Zeit. Oder waren die vergangenen Tage wie ein Traum? So fragst Du, Liebster. Traumhaft erscheint auch mir das unermeßliche Glück Deiner Nähe, die mir nun entschwand. Was ist Traum, was Wirklichkeit, das Heute oder Gestern? Ich weiß es nicht, wie Du es nicht sagen kannst. Du wie ich fühlen aber so gewiß, so glückhaft und froh gewiß, daß eines von beiden der schönere Traum war! Du!!!

Rasch ist Dir die Fahrt vergangen bis Belgrad, nur das letzte Stück von da an schien ohne Ende. Und Du sagst mir wie bitterweh Dir um's Herze war, wenn Du so wachen Sinnes Dich mußtest Stück um Stück von mir entführen lassen, Du!! Oh, ich weiß um diesen Schmerz, Geliebter! Und nur der Wille, es einander leicht zu machen, das Scheiden, erhält einen aufrecht und stark. Unsere große Liebe, das Wissen, das schöne glückhaft-beruhigende, daß wir einander so ganz angehören, lassen uns nicht zerbrechen. Du bleibst mir – ich bleibe Dir. Und Gott ist mit uns. Das andre die Trennung, das ist nur vorübergehend; es kann an unserm Bund nichts ändern; nur zu innigerer Liebe kann sie uns anhalten und zwingen. Und die zwingende Notwendigkeit dieses Umstandes, so wie wir ihn heute beide klar und nüchtern sehen, unter Hunderttausenden, die läßt uns stille werden, stumm und stark! Alle tragen mit uns das gleiche Los. Und heute, da ich Dich fast eine ganze Woche wieder in deiner alten Umgebung weiß, da schmerzt das alles nicht mehr so sehr, so heftig – weil ich mir sage: auch Du hast Dich wieder darein gefügt. Die Wogen des Abschiedsschmerzes sind verebbt – vielleicht schon ein wenig in der lustigen Reisegesellschaft, die um Dich war auf Deiner Fahrt.

Und ich bin richtig erleichtert, seit ich Deinen lieben, ausführlichen Brief nun las. Alles wird nun wieder seinen alten Gang gehen. Die Tage mit ihren Geschäften aller Art reihen sich zu Wochen, zu Monaten und immer, Geliebter,! So müssen wir fest glauben, rücken wir dem Endsieg näher! Unser Leben, es winkt! Es winkt!!!

Und das selige Hoffen, es wird all unsre Tage übersonnen, auch wenn sie manchmal düster scheinen, das wird all unsre Schritte beflügeln!! Du!! Bis wir uns dann endlich für ganz und immer umschlingen. Ach Du!!! Wer könnte uns je unseren Glauben nehmen? Wir leben in einer großen Zeit, wir müssen in einer Hinsicht dankbar sein, daß wir dies alles miterleben dürfen. Denn eines ist uns klar, wir Menschen alle, die wir jetzt leben, wir sind ja nur Wegbereiter für unsere Kinder, für unser Volk. Und jeder soll sein Bestes dazulegen um ein Ganzes zu schaffen.

Hast Du des Führers Rede auch gehört? Ganz gewiß.

Sie hat mir gefallen. Er verschweigt uns nichts, so urteile ich. Und es stehen uns noch ernste Tage bevor. Vielleicht ist unser Siegfried schon wieder mit ganz in den vordersten Linien. Ach, gebe Gott, daß sie beide wiederkehren – möge er allen den Tapferen beistehen, mit seiner Gnade und Güte. Möge Gott uns bald einen guten Frieden schenken!

Geliebter! Wir wollen ganz still und gläubig ausharren, des Herrn Wege sind wunderbahr – und aus dem trostlosesten Dunkel führt ein Weg, wenn auch nur ein Pfad, ins Licht!

Du bist mein für immer! Oh! Geliebter! Du sagst es mir!!! Auch wieder in Deinem lieben Boten! Ich bin sooo glücklich! Ich bin sooo ganz glücklich mit Dir! Wie Du mit mir! Unser Bund ist uns beiden Heimat und Zuflucht, ist uns Lebensaufgabe und Zukunft. Du! Wir können beide auf Erden keine bessere Geborgenheit finden. Du sagst es so treffend, Herzlieb: unser Bund ist eine feste Burg. Und mit jedem Wiedersehen wird die Mauer um diese Burg höher und fester – immer eigener wird uns der Bezirk in ihr – sodaß wir, aus ihr heraustretend, uns fremd fühlen und in uns deutlich das Bewußtsein unsrer Eigenheit tragen.

Herzlieb! Nun laß' mich Dir heute Gut Nacht sagen! Gott behüte Dich! Die Mündchen wurden so gewandt in letzter Zeit – nun müssen es die Händchen wieder werden – o ja! Du hast so recht! Du! Aber ein ganz liebes Tintenkussel kriegst Du doch! Schätzelein!

Ich liebe Dich!

Ich bin in Treue immer deine [Hilde].

Du!!!!! !!!!! !!!

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946