Dienstag, am 28. Oktober 1941.
Herzensschätzelein! Mein lieber, lieber [Roland]! Geliebter!!!
Nachmittag ist, ich bin mit meiner Hausarbeit fertig und setze mich erst ein Stündchen zu Dir, ehe ich meine übrigen Pflichten erledige; als da sind: noch 3 Briefe schreiben, an Hellmuth. Du! Ich hatte in der Zeit nochmal bei Mutter in Kamenz angefragt nach dem genauen Geburtstag, ich war nämlich gleich stutzig geworden, nachdem ich es in Deinem Boten niederschrieb!, Hellmuths' [sic] Geburtstag ist doch am 11.XI. Heute komme ich nicht drum herum, ihm zu schreiben. Morgen habe ich Kinderschar, Donnerstag will ich Kuchen backen und Freitag reinemachen, Betten überziehen; denn am Sonnabend rechne ich mit dem Besuch Deiner lieben Eltern!
Sieh an, meine Woche ist schon wieder ausgefüllt – und da will man mir auch noch eine Nebenbeschäftigung verordnen! Ich brauche keine, ja? Du!! Also: Hellmuth schreiben, den Eltern, und dem Häsel nach Lobeda; sie hat schon zweimal angefragt, warum ich ihr nicht mehr schreibe! Dann muß ich noch Wege besorgen. Ein großer Korb Strümpfe muß gestopft werden. Heute abend um 8 [Uhr] habe ich Sanitätskursus. Ach, ich habe garnicht Zeit, mich auszuruhen, obwohl ich's gerne mal täte. Ich weiß nicht wovon ich so müde bin, so abgespannt. Vielleicht hängt es mit meinen Halsschmerzen zusammen, ein wenig Grippe? Weiß nicht. Ich habe kein Fieber! Ich beuge so vor, nehme ein [sic] und neben mir auf dem Tisch steht eine Tasse Tee und noch eine Kanne voll im Ofen. Ich habe keine Zeit, krank zu sein.
Du! Herzlieb! Solltest nur mal unser Wetter sehen, ganz toll ist das heute wieder! Ich bin heilfroh, daß die Doppelfenster drin sind. Das pfeift und heult ums Haus, treibt nassen Schnee in alle Fugen. So rechtes Influenzawetter! Man muß einen Männerrock anziehen und die Kornflasche in die Westentasche stecken, ich glaube, so kommt man durch! Du?! Hast Du keine Angst, daß ich Deine Zivilsachen trage und zur Schnapsbulle [sic] greife?
Pfui Deibel! Korn! Brrr!!! Wenn's nicht Eierlikör ist! Trink' ich noch lieber Fliedertee, da bleibt der Kopf frei!!!
Mein Herzelein! Heute bekam ich einen lieben, ganz lieben Boten von Dir! Weißt, Du!! Wenn Du weiterhin sooo lieb zu mir bist, dann kommt es wieder soweit, daß ich eifersüchtig auf Deine Briefe bin! Die meinen müssen sich ja ganz verstecken hinter Deinen! Du!! Du!!! Herzlieb! Es ist der alte Streit, jeder möchte es besser zeigen, wie soo[oo]o lieb er den andern hat! Du!! Um die Wette haben wir einander lieb! Sag, Gibt es sowas noch einmal außer uns? Ich kann es kaum glauben! Du!!! Wir zwei sind doch die allerglücklichsten und allerseligsten in unsrer Liebe! Herzensschätzelein!!! So ist es nun geblieben, seit wir uns fanden – ich kann nicht glauben, daß es jemals anders würde. Dazu sind wir einander viel zu lieb und vertraut, viel zu eng verbunden! Nie im Leben wird eines von uns je vergessen, was ihm das andre bedeutet! Du!!!
Unsre Herzen sind so eng verbunden – kein Mensch kann uns trennen und auseinanderreißen! Du!!! Du!!!!! Mein Leben ist so ganz unermeßlich reich geworden durch Dich! Glücklicher noch bin ich geworden mit Dir, als in meinen Träumen ich es war, vorher! Du!! Tiefe Dankbarkeit gegen Gott ist darum in mir, der mich auf diesen Weg geleitete, den Weg zu Dir, und damit zum höchsten Erdenglück.
Ich denke noch einmal zurück an den Anfang unsrer Begegnung, es lag an mir, so wähnte ich, ob sich unsre Wege nach Deinem Weggang von O. je wieder kreuzen würden – ich konnte meinen anfänglichen Schmerz, der mich zu dem Willen brachte, Dich zu vergessen suchen, treu bleiben; konnte den anderen Weg nehmen, der in die Welt führte, ins Vergessen. Ich war so nahe daran. Und doch konnte ich nicht – ich mußte wie einer fremden Macht gehorchend den Weg einschlagen, der zu Dir wies, Du! Ich fühle heute nur noch deutlicher, daß es Gottes Wille war, der mich in meinem Handeln bestimmte. Und ich deutete es mir damals so:, [sic] das Herz, das Gefühl war die mächtigere Kraft, es drängte zu Dir, nur zu Dir! Geliebter!!
Mußte bei meiner Jugend nicht der Weg in die Freiheit, ins Leben, dem inneren Verlangen nach als Wunsch ausgedrückt, viel mächtiger sein? In die Freiheit, als junger, unabhängiger Mensch? Lockte sie mich nicht, die große Chance meines Lebens, die mir vielleicht ganz andere Richtung gegeben hätte in meinem Streben und meinem Lebensziel? Nein – Geliebter!
Und ich beneidete noch niemals meine Altersgenossinnen, die einst auszogen und heute irgend eine Stellung inne haben in einer der Organisationen des Dritten Reiches, bewundert von vielen anderen. Man kann es wenden wie mans auch will: es gehört viel Idealismus dazu, um als Frau da zu wirken, was man den ,weiteren Kreis' nennt. Sei es nun der Schwesternberuf, der Reichsarbeitsdienst, eine parteiische Gliederung – oder an's Jetzt gedacht, als Helferin der Wehrmacht, ach hundertfältig sind die verschiedensten Gelegenheiten, die sich auch der Frau bieten.
Aber, wir wollen einmal ehrlich sein, eine [d]ie nicht ausgesprochen unfraulich ist, spürt früher oder später das Verlangen, die Sehnsucht, nach reicherer Erfüllung. Und die findet ein Weib nur in der Gemeinschaft mit einem geliebten Lebensgefährten. Einem rechten Weibe liegt mehr am Herzen, einem engen, einem kleinen Kreise Erfüllung zu sein – als einem weiten Kreise irgendwo in der Welt.
So glaube ich: das Weib ist von Natur aus dazu bestimmt, sich nur eben als Weib zu geben. Hingabe an einen Menschen n[u]r ist ihre Bestimmung; Mütterlichkeit und Liebe in diesem einem Kreise ihre Aufgabe, der aus diesem Bund der Liebe entsteht. Und was darüber hinaus an guten Kräften noch im Weibe ist, das muß die es den ihren seinen schenken, der Familie; es werden da sein Buben und Mädel, die hinauswachsen ins Leben, die eine Stütze brauchen, einen guten Kamerad. Ist es nicht eine Mutter, die all das schenken kann an Liebe und Verstehen, auch wenn die Kinder längst erwachsen sind?
Ist es nicht das Weib, die Mutter, der zum größeren Teil das Innenleben in der Familie obliegt? Damit will ich Dir, mein Lieb garnicht [sic] nahe treten! Es ist so. Aber all die Kraft dazu, die schöpft das Weib aus dem Brunnen einer großen, tiefen verständnisinnigen Liebe und Ehegemeinschaft.
Dem Manne gehört das Draußen, die Welt, die er mit scharfen Verstand durchdringt, mit Mut und Gerechtigkeit und Wahrheit. Dem Weibe gehört, das Drinnen, das Heim, es auszufüllen mit Liebe und Traulichkeit, es den Lieben zu einer guten Bleibe zu machen, das ist ihre seine Aufgabe. Dem Herzallerliebsten soll es der geborgene, sichere Hafen sein, von dem aus er in die Welt hinausfährt – um dann froh und glücklich wieder einzukehren, auszuruhen. Und den Kindern soll das Drinnen bester Schutz sein und Unterschlupf in allen Zeiten.
So steht vor meinem geistigen Auge die Bedeutung und wahre Erfüllung des Weibtums.
Und Geliebter! Keinen Augenblick bereue ich es, daß ich vom Schicksal auf diesen meinen Weg geleitet wurde. Aus tiefstem, freudigsten Herzen bejahe ich ihn. Und nicht zuletzt erkenne ich Gottes Spruch darinnen, der alles wohl mit uns macht. Du!!!
Ahnte ich all das damals schon in meinem Unterbewußtsein, was mich heute mit tiefer, froher Erkenntnis erfüllt? Ich konnte noch nicht ahnen, welch unvorstellbar großes Glück ein Lebensbund in sich birgt, auf Liebe, Treue und Verstehen gegründet. Aber ich fühlte es schon einst in mir, mächtig und stark: In Dir war mir das Glück begegnet, das große, unwiederbringliche! Und zart und heimlich ahnte ich, was mir mit Deiner Liebe erschlossen würde, Du! Die Tür zu aller Weltenseligkeit! Geliebter!!! Die Erfüllung meines Lebens! Oh Du!!! Du!!!! Herzallerliebster mein!!!!! !!!!! !!!
Ich muß alle meine Kräfte nur an eines verschwenden! Muß alles, was in mir ist, nur an einen verschenken! Der bist Du!! Nur Du!!! Ich tauge nicht für die Welt da draußen – mein Glück blüht im Verborgenen – aber sooo reich, so herrlich und köstlich!! Oh – Du weißt es!!! Um nichts in der Welt tauschte ich mein Leben ein, so wie es ist, mit Dir! Mit Dir!!! Und wir schmieden noch immer daran, Du!! Noch schöner und köstlicher soll es werden! Unser ganzes Leben lang werden wir nicht müde werden, zu bauen an unserm Glück, an unsrer Lebensaufgabe! Geliebter! Geliebter! Was täte ich lieber, als Dein zu warten? Du!!! Du!!! Und sei es unter tausend Schmerzen.
Ich liebe Dich! Ich bin Dein! Nichts kann uns scheiden und un[s] unsrer Liebe und Treue zueinander berauben – nicht der Tod.
Du!!! Geliebter! Immer wieder sage ich es Dir: Ich bin Dein! Gehöre Dir, ganz allein Dir, im Leben und in Ewigkeit!
Der Herrgott schaue gnädig und segnend auf uns herab, er behüte unsern Bund, er erhalte mir Dich, mein Lebensglück! Er führe uns bald zusammen für dieses Leben! Geliebter! Oh Geliebter!!
Du meines Herzens Sonnenschein! All mein Glück!
Ich liebe Dich!
Deine [Hilde].
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Hilde Nordhoff
Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.
Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen
Oberfrohna
Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946