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Briefkorpus

Mittwoch, am 1. Juli 1942.

Geliebtes, teures Herzelein! Mein lieber, liebster [Roland]!

Es ist jetzt abends um sieben, endlich kann ich zu Dir kommen. Nach der Kinderschar besprachen wir Frauen noch unser 10 jähriges Bestehen und anschließend ging Frau L. mit zu mir, ich gab ihr einige Umschläge, damit sie ihrem Mann wieder schreiben kann. Sie verplauderte sich ein wenig bei uns, es ist darum so spät geworden. Wollte ja noch viel rascher zu Dir kommen, Du liebes, gutes Mannerli!

Herr L. ist also auf Kreta, Orsakli, hat viel Hitze zu ertragen, im Moment so 70°! Und die Tommy`s lassen Bomben regnen. Sonst ist er noch gesund; Frau L. sorgt sich sehr und sie ist sehr weich, empfindsam, sie weint ganz schnell. Ich kann sie verstehen, sie haben sich auch sehr lieb die zwei; aber so kann ich nun wieder mein inneres Empfinden nicht vor den Menschen zeigen, wie sie das kann.

Ich will nicht erforschen, wessen Liebe tiefer und inniger ist – oh Geliebter! Ich trage alles im Herzen und wenn mir einmal das Herz so schwer ist, so voll Sorgen, daß ich es fast nimmer ertragen kann, dann dringt immer noch kein Wort der Sorge und Klage über meine Lippen, anderen gegenüber – selbst den Eltern nicht – ich trage es allein – dann kann ich nur Dir mich anvertrauen und mitteilen; denn Du bist mein Vertrautester, allerbester, allerliebster Freund. Schau Herzelein! Ich bin Dir so fest verbunden bis in die feinsten Regungen des Herzens hinein, daß ich garniemanden [sic] brauche neben Dir, mich mitzuteilen. Du bist mir der Eine und Einzige, zu dem ich immer kommen kann; zu dem ich alles hintrage, was mich auch bewegt. Ich glaube, die Menschen, die mit mir in Verbindung stehen, die meinen, ich hätte gar keine Sorgen und keine Herzensnöte, weil ich eben immer ein frohes Gesicht zeige und für jeden ein liebes Wort habe und einen munteren Scherz – ich empfinde es so, weil man sich mir immer anvertraut in allen möglichen Dingen des Lebens. Ach Du! Wenn sie manchmal wüßten, wie mir ums Herze ist aus Sorge und Liebe um Dich, sie müßten denken, daß es mich garnicht berühren könnte, was sie mir da anvertrauen. Und es ist doch etwas Wundersames darum, wenn sich einem Menschenherzen zuwenden in Vertrauen; man verlernt, sein eigenes Sorgen und Leben überhaupt, als alleinwichtiges und -gültiges anzusehen, man wird still, bescheiden, demütig vor den Schicksalen anderer. Und beglückend zu spüren ist, daß man, trotzdem man selbst belastet ist vom Allgemeinschicksal dieses Krieges, immer noch Kraft hat, einem Menschen gut zuzureden und ein wenig Sonne ins Innerste des Alltages zu bringen.

Oh Geliebter! So hart diese Zeit auch ist und scheinen mag, ich fühle es, wie ich schon hineingewachsen bin in die Pflichten meines Lebens, nun unseres Lebens, Du! So fest spüre ich den Boden unter meinen Füßen, den Heimatboden, Geliebter! Den ich noch in viel tieferem Sinne Dir erhalten will um jeden Preis! Ach Du! Daß wir uns haben!! Daß wir einander so gut verstehen! Wie beglückend ist das! Wie unendlich beseligend ist das! Mein [Roland]! Ach Du! Wenn Du dieses Glück auch so groß spürst wie ich! Herzelein! Ich spüre es selbst garnicht, daß ich eine besondere Macht habe über manche Menschen, es wird mir nur ab und zu bewußt, wenn mir ein Mensch nähertritt, dann im Gespräch. Dann kann ich erkennen, daß irgend etwas Vertrauenerweckendes von mir ausgeht, von meinem Wesen – das man auf den ersten Blick vielleicht garnicht erkennt – denn anders als so kann ich mir die Mitteilsamkeit jener Menschen nicht erklären.

Vielleicht gehöre ich zu jenen Frauen, die etwas Mütterliches an sich haben, von denen man nichts Böses erwartet. Ach Du! Wie dem auch sei, ich will nur für einen da sein bis ins Letzte, nur einem kann ich alles sein, alles ihm schenken, einem einzigen gebe ich mich ganz. Du! Du kennst den Einen! Den Einzigsten! Geliebter!!

Auf meiner Fahrt nach Kamenz lernte ich einen Mann kennen, im Wartesaal. Er kam an meinen Tisch, wo ich schon mit einer Dame saß. Dieselbe wollte nach Memmingen, sie kam vom Lazarett aus Krakau, [sie] hatte ihren Sohn besucht, der ein Bein verlor. Ihr Mann steht als Hauptmann im Osten, auch der andere Sohn; die Tochter ist in Dresden Sportlehrerein. Es ist sonderbar, dieser Krieg, die gemeinsamen Sorgen schließen die Menschen viel enger zusammen, stockfremde Menschen teilen alle ein Schicksal miteinander. Wir unterhielten uns sehr nett. Und als die Dame ging, lief das Gespräch weiter zwischen dem Herrn und mir. Er trug eine Offiziersuniform, war technischer Offizier an der Ostfront im Eisenbahnwesen. Er wollte heim nach Schwaben in Urlaub zu seiner einsamen Mutter. Den Ort vergaß ich jedoch. Liebster! Es sind schon noch Männer, die Takt und Sitte wahren, dieser Mann war ein äußerst netter Mensch und ich habe mich gut mit ihm unterhalten. Das Thema ging um jene Frau, die eben unseren Tisch verließ. Die so schlicht und einfach von ihrem Leben erzählt hatte, das ein einziges Aufopfern für ihre Kinder ist und für ihren Mann. Es war eine Frau aus besseren Kreisen, sie muß nebenbei noch zum Teil die Fabrik ihres Mannes weiterleiten. Persönliche Nöte und Sorgen gehen unter in der Aufopferung um den Besitz ihrer Angehörigen. Und dabei ging von ihr eine stille Kraft aus, ein Leuchten, wie ein stilles Heldentum für sich erschien mir ihr Leben: Und wir, der Herr und ich konnten nicht anders als uns vom Wesen dieser Frau weiter [zu] unterhalten.

So kamen wir ins Gespräch. Und ich hörte aus seinem Reden, daß er einsam war. Von der Sehnsucht nach einem verständnisvollen Lebenskameraden war seine Rede getragen. Von der Klage, wie arm die Menschheit an Liebe geworden sei, wie alles ein flaches Erleben sei. Sonderbar, dieser Mensch hatte Vieles mit Dir gemeinsam Herzelein. Aus seinen Worten klang viel tiefes Empfinden; es war ein Mensch, auch einer, der sich den Glauben an das Gute gerettet hatte. Und er äußerte sich auch in der Sorge um unseres Volkes Zukunft und da merkte ich, daß ich es mit einem gläubigen Menschen zu tun hatte. Das erfüllte mich mit Freude. Es gibt noch edle Menschen, auch unter denen, die schon lang Soldat sind. Es brennt in ihnen noch das Feuer des Guten, Göttlichen. Und ich glaube, Herzelein! Auch 10 Jahre Krieg löschen dieses Feuer nicht! Ist es nicht schön, wenn man das glauben kann aus eigenem Erleben und Erkennen heraus? Das Gute in der Welt wird nicht untergehen! Nein! Ich kann’s nicht glauben! Auch nicht im Morast unsrer Zeiten versinkt es!

Der Herr brachte mich an meinen Zug und stand eine Weile sinnend vor mir, meine Hand zum Abschied in der seinen und er sagte gar seltsame Worte zu mir. Sünde sei es, was er mir sagen müsse, doch er müsse es sagen, er würde jenen Mann hassen, der mich zum Weibe habe und er müßte in diesem Augenblick denken, daß das Schicksal grausam sei, weil es ihm mich in den Weg geführt. Ich erschrak über seine Rede und fand kein Wort. Und wie im Traum [l]öste ich meine Hand von ihm und stieg rasch ein.

Ein seltsamer Mensch, fast unheimlich. Ich kenne ihn nicht und er steht zu mir in keiner Beziehung. Ich konnte nicht recht froh sein ein paar Tage lang. Ach Du! Wie seltsam ist das Leben. Wie unergründlich.

Es gibt Männer, die ganz von ihrer Arbeit ausgefüllt sind, die sich garnicht nach einem harmonischen Gleichklang sehnen, den ein geliebtes Menschenkind auslösen könnte. Und doch kommt plötzlich einmal der Moment, wo es wie ein Erwachen über sie kommt, wo sie spüren, es ist noch etwas, was das Herz, die Seele zuinnerst bewegt, es ist die Liebe. Und jenen Männern, die in ihrer Arbeit so ganz aufgingen muß ein Menschenkind begegnen, das nicht erst lang fragt und bangt und zagt. Es muß den heißen Willen haben sich ganz hinzugeben, ganz sich zu schenken aus Liebe. Ein Opfer ist solch großes entschiedenes Lieben für ein Weib, ein heiliges Opfer, ein beglückendes auch. Darin liegt alles echte Weibtum beschlossen, in solchem Lieben.

Und so bin ich zu Dir gekommen, Geliebter! Ach Du! Unaufhaltsam trieb es mich hin zu Dir, und ich hätte mich verzehrt in meiner Liebe, wenn nicht Dein Herz dem meinen offengestanden hätte im rechten Augenblick.

Stumm und selig stehe ich vor dem Wunder unsrer Liebe. Vor dem Wunder unsrer Begegnung. Und es erfüllt mich jedes Mal mit heiliger Gewissheit: Gottes Wille führte mich Dir zu, führte Dich mir zu! Vielleicht gäbe es heute noch einmal den Zufall solcher Begegnung mit einem fremden Menschen? Nein! Oh nein! So kann es nie mehr sein! Mein Herz ist ja vergeben, vergeben schon an den Einzigsten! An den Allerliebsten! Und ich bin so von Herzen glücklich, daß der Herrgott unsere Wege sich kreuzen ließ. Gerade unsere Wege! Du!!! Dich mußte ich lieben vom ersten Augenblick an, da ich Dich gesehen. Und meine Liebe ist immer tiefer und inniger geworden. Sie ist unwandelbar. Geliebter! Und es könnte wohl einen Menschen geben, dem es auch so erginge wie mir – es könnte mir einer begegnen, dessen Herz in Liebe entbrennt zu mir, aber ich kann ihn nicht erhören, nicht erlösen; weil mein Herz in einem anderen Herzen ruht! Weil es sich einem schon vermählt hat! Ach Du! Weil ich Dein bin für dieses ganze Leben! Dein für dies ganze Leben! Ach Herzelein! Daß ich es soo gewiß und sooo entschieden spüre zu wem ich gehöre, das macht mich so froh! Das macht mich sooo glücklich! Du ahnst es nicht! Und es läßt mich auch ein gütiges Wort für andre finden. Eine wundersame Kraftquelle ist solche entschiedene Liebe. Das ganze Innere, das ganze Wesen ist von Liebe durchdrungen, sodaß man aus dem Überfluß noch liebearme Menschen bedenken kann. Das schönste Gottesgeschenk ist doch, daß unser himmlischer Vater uns Menschen die Liebe ins Herz senkte. Ach, wenn doch jeder ein Ohr hätte für jenes wundersame Weben. Wieviel Böses, wieviel Schlechtigkeit wäre dann nicht an die Oberfläche getreten! Aber die Liebe ist selten geworden in der Welt überall, Haß treibt die Völker zum Krieg gegeneinander. Und wie man im Großen und Ganzen den Sinn der Liebe verloren hat, so ist auch das Verhältnis der Liebe zwischen Mann und Weib ein andres geworden. Sie ist wohl das Wichtigste geblieben den Menschen, ist ihnen Anfang und Ende. Sie ist den meisten, obwohl sie das Wichtigste ist, zugleich das Heiterste, Freudigste im Leben. Sie ist ihnen etwas, was man genießen muß.

Ach Du! Vielleicht ist den meisten Menschen eben nichts mehr heilig, nicht wie Dir und mir die Liebe heilig ist, weil sie das Empfinden dafür verloren haben, daß es etwas Heiliges geben muß. Sollten jene aber deshalb wirklich recht behalten, daß von allem nur der Genuß übrig bleibt? Sollten wir soviel dazu lernen müssen und soviel Glauben über Bord werfen müssen? Haben denn jene das garnicht mehr, daß sie in der Liebe Gott ahnen und daß sie sich vor allzuviel Hingabe schämten, eben weil es Gott gibt?

Ach Geliebter! Wir beide wissen um echte Liebe, um Liebe zwischen Mann und Weib. Zeichen höchster, letzter Traute ist sie uns geblieben und kein häßlicher Gedanke kommt uns, wenn wir in innigster Traute uns umfangen. Oh Du! Wie sind wir beglückt, das einzigartige Wunder wahrer Liebe so herrlich zu erleben! Herzelein! Es gibt nichts Besseres für Liebende, als einander die Treue zu halten. So ist der Bund letzter Traute besiegelt. Du! Ich bin Dir ewig treu. Und daß Du es mir auch bist, ich weiß es, Geliebter.

[Ausschnitt aus dem Brief.]

Tausend Schicksale sprechen uns an und immer liegt ihnen die Liebe zugrunde, die Liebe, die über alle Menschenherzen kommt und geht. Eines Nachts,v [auf dem linken Seitenrand geschrieben] wir waren alle zu Bäcker Schweck eingeladen, die Tochter feierte Geburtstag. Und mir scheint, sie hat Siegfried gern. [Ende], als wir in Kamenz [s]chlafen gingen, Siegfried und ich, kamen wir auch auf das Thema Liebe zu sprechen. Ich kann garnicht mehr sagen, was uns so besinnlich stimmte. Siegfried vertraute mir sein Schicksal an – das heißt, er sagte mir, daß ihn ein ganz seltsames Schicksal getroffen habe, er könnte mir nichts darüber sagen, nicht den Eltern, keinem Menschen. Er müsse es mit sich selbst ausmachen. Es könnte ihm auch niemand helfen, niemand. Auf meine Frage, ob er jemanden liebhabe, wich er aus. Er könnte seine Eltern nicht betrüben und er wollte es auch nicht, auch mit seinen Brüdern will er sich nicht entzweien. Er müßte dem Schicksal vertrauen „entweder ich bleibe oder .. “ so sagte er und weiter ließ er sich nicht bewegen zu sprechen. Ganz behutsam versuchte ich ihm klarzumachen, wie gut es sei, wenn er sich einem Menschen anvertrauen könnte, der Mutter, oder sonst einem, geteilte Sorge ist halbe Sorge. Alles wies er ab. Er war so verbissen in seinem Trotz, so habe ich ihn noch nicht gesehen. Er beruhigte mich aber auf mein besorgtes Reden hin, daß er sich mit dieser Last das Dasein beschwere und zumal er wieder in den Krieg ziehen müsse, daß er das Leben kennengelernt hätte, daß er sich vor nichts fürchte auch nicht v[or] dem Tod. Ich solle mich garnicht um ihn sorgen, er könnte es allein tragen, er trüge es schon lange.

Ich weiß ja durch Dich, Liebster, worum es sich handelt. Es ist das Mädchen aus Sch.s Hause. Er fühlt sich ihr verpflichtet, er ist abhängig von ihr. Siegfried ist viel zu anständig, um das Mädel einfach sitzen zu lassen, weil sie eben um vieles älter ist. Er fühlt sich nicht nur verpflichtet, weil sie ihm Geschenke macht und Gutes tut, ich weiß es seit dem Tage, da ich mit ihm im Massenei – Bad war, daß die beiden mehr verbindet als nur Freundschaft. Ich habe eine Entdeckung gemacht, die mir das Blut in die Wangen trieb, die mich erschreckte. Ich muß es Dir erzählen, mein [Roland]. Schreiben will ich es nicht. Ich kann Siegfried keine Schuld geben, er ist als junger, unerfahrener Mensch in ihre Hände gefallen und heute, da er gereift ist, kann er nicht zurück, er ist ein [Nordhoff] wie Ihr alle.

Wenn er sie liebte, würde er sie den Eltern bringen. Und als ich ihm in jener Nacht nahelegte, er solle doch dieses Schicksal aus eigener Entschlußkraft wenden, er solle Klarheit schaffen, da meinte er: „ich kann es nicht – “. Ach Geliebter! Nachdem ich das erfahren hatte, fand ich keinen Schlaf und es schlug schon 2 Uhr, da war ich immer noch wach. Ich versetzte mich in Siegfrieds Lage und ich wurde so traurig, daß ich weinen mußte. Weinen aus tiefem Mitleid, weil wir so glücklich sein dürfen und dieser arme junge Mensch kann es nicht. Und Siegfried hat wohl auch nicht geschlafen, denn plötzlich bat er mich, doch nicht zu weinen, er hätte schon die Kraft es zu tragen. Gott würde auch für ihn einen Weg haben, daran glaube er gewiß. Ach Geliebter! Denke Dich nur hinein in diese Lage. Es ist so bitter! Aus Mitleid lieben müssen, aus Edelmut Liebe geben müssen. Ach Du! Du!! Mir würde die Kraft nicht reichen dazu.

Er war tags darauf wie alle anderen Tage zu mir, ritterlich, brüderlich, nett. Nur der Übermut kam nicht durch. Und wenn ich ihm beim Gespräch einmal länger als sonst ernst in die Augen blickte, wich er mir aus. Es ist kein Wort wieder darüber gefallen.

Und am Freitag, wo Hellmuth kommen wollte, war er in Bisch. Kam erst Sonnabendfrüh mit Elfriede zurück. An dem Tage, als ich mit den Eltern nach Königstein fuhr, ist er auch mitgefahren, nach Dresden. Er wollte eine Woche in die Sächsische Schweiz mit ihr. Mutter hat`s mir erzählt. Er habe sie gefragt, ob er fahren dürfe, er fühle sich zu Dank verpflichtet. Mütter hat ihm geantortet : „du weißt meinen Standpunkt - tue, was Du verantorten kannst, bist alt genug.” Zu Vater kein Wort. Er war auch recht unsicher, als wir uns in Arusdorf verabschiedeten. Die Mutter ist recht in Sorge um ihn, nicht sei an den Mädel auszusetzen als ihr Alter. Sie wäre nahezu 20 Jahre älter als er, soviel ihnen bekannt ist. Genau wissen sie es nicht die Eltern.

Seltsames Leben, seltsames Schicksal, wie verworren sind oft deine Fänden, einer hält sie alle in seiner Hand, im rechten Augenblick wird er sie entwirren, lösen. Oh, wer deisen Glauben noch hat!

Geliebter! Bedauerst Du unseren Seigfried nicht auch? Ich kann mir dem Mädel eine Schuld geben, denn sie ist die ältere Person in diesem Verhältnis, sie hätte sich müssen in der Gewalt haben. Kennst Du sie? Weißt Du etwas von alledem? Herzelein! Es geht auf Mitternacht, ich will mich nun in mein Bettlein legen. Du! Will ganz leib an Dich denken und an unser Liebe [sic] Glück, oh Du!

Von ganzem Herzen dankbar müssen wir sein, Geliebter, daß Gott uns zusammenführte in seligem Einssein! Ach, wir können es nie ganz danken. Geliebter! Unser wundersames, trautes Liebesglück!

Und wenn wir auch noch nicht zusammenleben dürfen, auch die Ferne uns trennt, im Innern sind wir uns darum umso näher. Es besteht kein Zweifel, daß wir uns je loslassen könnten, kein Zweifel, daß wir uns auseinanderleben könnten durch irgendetwas. Du! Ich stehe zu Dir, komme was wolle. Mein ganzes Leben ist um das Deine herumgeschlossen! Ich gehöre einzig Dir mit Leib und Seele! Geliebter! Ach Herzelein! Nun habe ich Dir viel Besinnliches erzählt, ich wollte doch von der schönen Zeit in Kamenz erzählen: Es kam so über mich und nun da ich mich davon befreit habe, bin ich e[rs]t wieder ins rechte, alte liebe und traute Verhältnis zu Dir gekommen. Du hast mich angehört, Geliebter! Und Du sollst aus meinen Zeilen nichts anderes als die große, unendliche, unwandelbare Liebe zu Dir erkennen. Oh Du! Herzallerliebster! Ich liebe Dich! Herrgott, behüte mir mein Liebstes! Erhalte mir meinen [Roland] und führe ihn gesund zurück! Amen. Schätzelein! Behüt Dich Gott! Gut Nacht! Ich bleibe in unwandelbarer Liebe Deine glückliche [Hilde].

 

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Kommentare

miaeckstine

Fr., 19.04.2024 - 19:36

Hilde arbeitet mit einer Kinderschar, die schon 10 jähriges Bestehen feiert. Eine Frau L. berichtet von Kreta, wo ihr Mann stationiert ist, dass die Tommys [Engländer] Bomben werfen und dass es so heiß ist dort. Auf der Fahrt nach Kamenz hat sie einen Offizier kennen gelernt, der sie am liebsten für sich gehabt hätte. Sie sprach auch mit einer Frau, die ihren Sohn im Lazarett besucht hatte, auch ihr Mann war im Feld auch der 2. Sohn. Sie führt die Fabrik weiter. Lauter Kriegsschicksale begegnen Hilde und sie hat viel Verständnis für die Menschen. Siegfried verrät ihr, dass er Probleme mit der Liebe hat und sich herumquält damit. Er will aber nicht sagen, worum es sich handelt. Hilde beteuert eindringlich ihre Liebe und Treue zu Roland.

Einordnung
Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1_.420701-002-01b.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946