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[OBF-421105-002-01]
Briefkorpus

18.)

Donnerstag, am 5. November 1942.

Herzensschätzelein! Mein liebster [Roland]! Herzensmannerli!

Ja, es stimmt schon, Du! Es ist schon Donnerstag, da ich zu Dir komme. Eben wird es Tag, ein Herbstmorgen dämmert herauf – es ist 7 Uhr vorbei und ich habe, trotzdem unsre Leselampe brennt, schon die Rollos hochgezogen, damit ich dem lieben Tag nicht die Augen ausbrenne mit meinem künstlichen Licht! Die liebe Sonne wird, scheint mir, heute keine Kraft haben durch die dicken Wolken zu dringen; denn es sind arg dicke Regenwolken. Na, ein paar Tage ohne Sonne, das macht uns nicht zum Miesepeter, gelt? Wo wir ja im Herzen so viel Sonne haben! Herzlieb! Vorhin hörte ich zu den 7 Uhr Nachrichten vermelden, daß man einen deutschen Architekten mit der Ausgestaltung und dem Umbau Sofias betraut hat; ebenfalls auch mit der zweitgrößten Stadt Bulgariens Plovdiv. Du, welche Ehre! Oder auch nicht. Mußt Du doch mit mir in 5 – 10 Jahren mal nachschauen, was von dem Landsmann geleistet worden ist, gelt? Denn ganz allein laß' ich Dich später nicht wieder so weit fort von mir!! Ach Du! Mannerli! Ich glaube, wir verreisen dann mal paar Jahre garnimmer [sic], gelt?

Ja, noch etwas führt mich in meinen Gedanken ganz nahe zu Dir hin. Der Verein für Buch- und Vortragswesen bietet morgen Abend in der Aula der Hindenburgschule einen extra eingeschobenen Vortrag (Lichtbilder) "Im Kraftwagen durch Rumänien, Serbien, Türkei [sic] ans Schwarze Meer." Den werde ich besuchen und feine Obacht geben, ob auch Bilder von Bukarest zusehen sind. Ach Schätzeli, verstehst Du, daß es mich brennend interessiert, wo Du herumsteigst ohne mich? Und ich greife doch jede Gelegenheit auf, noch mehr als ich von Dir ohnehin schon erfahre, über Land und Leute zu hören. Ich möchte doch immer ganz nah bei Dir sein, mein Herzlieb! ½ 800 zeigt die Uhr. Wie ich erfahre, beginnt Dein Dienst ab 1. November um 8 Uhr, (fein! da hat wenigstens die Wehrmacht auch ein Einsehen mit ihren Leuten im Auslande gehabt und sie in ihrem Dienstplan dem heimatlichen "Zeitgeschehen" angepaßt!) Gewiß gilt das bei Euch auch nur fürs Winterhalbjahr. Da wird mein Mannerli sich beeilen müssen mit dem Morgenkaffee, ja? und [sic] sich aufmachen. Bist Du denn auch satt geworden? Hast Dich warm angezogen? (Der Pullover muß bald ankommen!) Hast auch nichts vergessen? Klappt alles fein, Schätzeli? Dann kriegst auch einen Kuß mit auf den Weg. So — nun machs [sic] gut!

Du!!! Nimmst mein Kussel gleich als Sonntagsmorgenkussel gelt? Ich denke doch, daß dieser Bote Dich am Sonntag erreicht, und ich werde ihn fest zukleben, daß mein Kussel noch warm ist! Du Liebster! Ich habe doch heute Nacht so tief geschlafen, so tief und traumlos. Bin doch gestern Abend Schlag 7 [Uhr] zu Bett gegangen und heute früh um 6 Uhr erst wieder munter geworden! Wie das kam? Weißt? Gestern früh um 700 [Uhr] bin ich mit dem Zuge nach Chemnitz zum Weihnachtsmann gefahren und erst um ½ 200 [Uhr] heimgekommen, es ging nicht besser mit der Verbindung. Ja! Er war zuhause!! Und er hat gemeint, wenn der Bub, für den die ausgesuchte Gabe bestimmt ist, fein artig bleibt bis zum Fest, dann will er sie sogar persönlich an ihn schicken! Denke nur an! Aber die Zulassungsmarken kann er nicht von sich nehmen, meinte er – das ginge dann zu weit! Biste wohl neugierig?!!! Daheim angekommen aß ich zu Mittag, zog mich für die Kinderschar um und fort gings [sic] wieder. Ich mußte doch auch gestern eine kleine Feier anlässlich des 9. November arrangieren! Das konnte ich nur in Gedanken tun. Und war heilfroh, daß Frau L. einen Plan zusammengestellt hatte ein Konzept, das ich mit zum Ablesen benutzte. Und mein Dienst ging bis 6 Uhr abends. - Übrigens war Frau L. am Montagabend bei uns, es war sehr nett! Und sie läßt auch Dich grüßen, sie will bald mal wiederkommen. -

Gestern hatte ich viel Freude bei den Kindern, sie basteln mit Feuereifer und unsre beiden Schränke bergen so manche Herrlichkeit für Kinderherzen, daß oft der Jubel zum Orkan anschwillt und ich nur dosenweise solche Überraschungen verabreichen kann. Schade, daß man eben jetzt so wenig neues Material zum Basteln heranbekommt. Und nun hat uns die dunkle Jahreszeit gleich wieder vor eine neue Aufgabe gestellt. Höre nur: als ich gestern kurz nach 600 [Uhr] die Buben entließ und sie hinausschwärmten, kamen doch einige bganz verstört zurück und scharten sich um mich: "es ist so finster draußen, sie müssen mit uns gehen!“ Wahrhaftig, als ich aus dem Hellen hinaustrat, sah ich die Hand vor Augen nicht. Ich ließ die Kinder alle stehen bleiben für ein Weilchen und welche hielten sich [b]ei mir am Rocke fest und suchten Schutz wie die Küchlein bei der Glucke. Na, dann ging es an mit dem Sehen, die Läden waren auch erleuchtet, es wird erst ½ 700 [Uhr] verdunkelt. Was die eine Stunde ausmacht, die die Zeit zurückgestellt wurde! Das ist nur im November so schlimm. Ich kann aber auch die Schar nicht anders legen. Und nun bauen wir uns alle eine Laterne aus Sperrholz, die leuchtet uns dann heim. Dieser Vorschlag wurde freudig angenommen. So zogen wir nun langsam heimwärts und sangen, damit wie uns nicht fürchteten! Ach Du! Ich war ja so müde als ich heimkam, Herzlieb. Nach dem Abendbrot konnte [ic]h mich nicht mehr halten, ich fiel vor Müdigkeit um. So bin ich ins Bettlein gekrochen. Und den Grund meiner Müdigkeit will ich dir verraten:

ich bin doch gestern Nachmittag gegen 5 Uhr krank geworden. Du! Schätzelein! Nun ist uns Klarheit geworden wieder für die nächste Spanne Zeit. Ach, denkst Du noch an die heimliche, freudige Erwartung, die uns in Kamenz erfüllte? Wir waren doch enttäuscht beide. Aber wie wollen ganz vernünftig und dankbar hinnehmen, was Gott uns schickt. Ich will auch garnicht traurig sein. Will froh und gewiß an unsre Zukunft denken, von der wir ja noch so viel Schönes erwarten, ja, alles Schöne und Wundersame, alles Glück auch, das Zweien beschieden ist, die sich so von ganzem Herzen lieben! Ach Du! Du!!! Denke immer auch Du mit mir daran: alles Glück liegt noch vor uns, so Gott will, dürfen wir ihm bald, bald teilhaftig werden in reichem Maße. Herzelein! Sorge Dich nicht um mich, es geht mir gut. Und ich habe auch kaum Schmerzen. Ich fühle mich wohl und garnicht krank. Und am Sonntag, da ist vielleicht alles schon vorbei, ja? Ach Du! Du!! Herzelein! Nun verfolge ich doch das Kalendermannerli bis in den Frühling hinein mit Argusaugen!! Wieviel Mal soll ich’s denn noch einlassen, Du?!! – Zu Deiner Beruhigung will ich Dir auch sagen, daß ich mich ganz warm halte und sogar schon Stiefelein trage für draußen, es ist schon ganz hübsch kalt geworden. Bin doch Dein ganz artiges [Hilde]rle!

Liebstes Herzelein! Du hast mir wieder so viel Freude gemacht mit Deinem lieben Boten und ich bin dir so von Herzen dankbar dafür! Geliebtes Herz! Du! Jeden Tag kommt doch einer! Wie schön das ist! Und wie verwöhnt man da wird! Ach, wie dankbar müssen wir sein, daß es so ist zwischen uns! Herzelein! Papa strahlt, wie eine Bogenlampe über den feinen Tobak! Tausend Dank bestellt er durch mich. Aber ich habe ihm ans Herz gelegt, er soll Dir nur selber danken! Du! Du!! Gleich wird doch die Zeit um sein, wo mir der Briefträger wieder einen Boten von Dir bringt! Ich freu mich schon so sehr!! Ob ich heute dazukomme, Dir nochmal zu schreiben, kann ich noch nicht voraussehen, mein Lieb. Bist mir darum nicht gram! Am Nachmittag habe ich mit Mutsch eine Reihe Gänge zu besorgen in Limbach, auch zu T. will ich da mit. Und abends ist Singstunde und jetzt muß ich erst mal an das leibliche Wohl denken und an die Ordnung um mich her. Frau Sch. hat mir auch geschrieben, der muß ich heute unbedingt noch antworten. Ich will Dir den Brief danach nur gleich mal beilegen. Sie hält aber immer noch ein Stückchen auf uns die alte gute Haut! So umfängt mich nun bald wieder das geschäftige Treiben meiner Alltages. Und in meinem Herzen drinnen, da klingt es und ist so fröhlich! Weil du darinnen wohnst, mein Herzenslieb! Bin ja so glücklich in Deiner Liebe! Oh Geliebter! Wenn ich Dich nicht hätte! Wie reich ist mein Leben durch Dich geworden! Wie hell, wie froh und sinnvoll! Ich liebe dich über alles! Oh, Du mußt mir bleiben mein Herz!

Gott segne Deinen Weg, er behüte Dich mir! Und lasse Dich bald für immer zu mir heimkehren! Ich harre Dein in treuer Liebe, Du! Ewig Deine glückliche [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946