Bitte warten...

[OBF-421204-002-01]
Briefkorpus

45.) 

Freitag, am 4. Dezember 1942.

Herzensschätzelein! Geliebter! Mein herzlieber [Roland]!

Ich bin bei Dir, Geliebter!! Bin bei Dir! Ah Du!! Du!!

Ganz still möchte ich neben Dir sitzen nun, Hand in Hand, Schulter an Schulter gelehnt – oh Du! Wang gegen Wange geschmiegt. Geliebter! Ich sehne mich so sehr nach Deiner Nähe! Du!!! Du!!!

Wie muß ich Dich liebhaben! So von ganzem Herzen lieb!

Ach Du! Gestern fand ich doch nicht mehr Zeit, zu Dir zu kommen. Ich wollte richtig traurig und böse darüber werden. Und wollte es aber wiederum auch nicht; denn dann wäre ja mein Frohsinn erloschen, mein Glücklichsein, daß ich trotz allem im Herzen trage immer! Oh Du! Und gestern hast Du sie doch wieder so ganz hell angezündet, die Flamme meiner Liebe! Du!! Mit Deinem geliebten Boten, Du! Hast mir ja soviel Freude bereitet, Geliebter.

Laß Dir erzählen. Donnerstag war also, und für den Abend hatte die Frauenschaftsleiterin noch Tischschmuck erbeten, weil Lichtlabend sein sollte. Ich fand mich nach 2 Uhr nachmittags, als ich zuhause fertig war, bei Hilde L. ein. 10 Mädel saßen schon am langausgezognen Tisch emsig bei der Arbeit. Und ich reihte mich mit ein.

Wir waren alle fleißig und hatten ½ 6 Uhr über 20 Heinzelmännchen gefertigt, auf die Tafel zu stellen. Und dann auch noch wohl 7[5] Papierkörbchen für die Soldatenbescherung. Die Kinder nehmen nun welche mit heim zum Füllen. Voraussichtlich am Dienstagnachmittag um 8 [Uhr] findet die Bescherung der Frauenschaft statt, wobei unsre Kinder mitwirken. Sie singen Weihnachtslieder und sagen Gedichte auf. Dann verteilen sie in den Stuben ihre kleinen Gaben.

Das macht ihnen immer riesig viel Spaß.

Ich muß nun morgen Nachmittag von 2 Uhr ab, vielleicht 2, 3 Stunden nochmal mit paar Buben [sic] bei uns kleine Notizblöcke basteln. Dann haben wir genug. Hoffentlich klappt alles auch so gut wie gestern bei den Mädchen. Nächstes Jahr werde ich aber schon eher mit solchen Dingen beginnen, wenn auch noch kein Plan festliegt, vonwegen [sic] Bescherung u.s.w. So übern Hals lasse ich mir das nicht wieder kommen. Ich bin nicht gerade ärgerlich, daß ich die Arbeiten nun zuhaus mit den Kindern fertigen muß, mich reut nur meine eigene kostbare Zeit! Das ist alles.

Na, es geht nicht anders. Ich werde mich einrichten. Ja, gestern als ich heimkam, habe ich noch einiges eingeholt, dann Abendbrot gerichtet, Papa ist zum Nachtdienst! Mutsch die Unermüdliche wird doch heute fertig mit stricken!! Du! Dann muß sie sie nur noch zusammenhäkeln, meine schöne Jacke. Ich freue mich drüber. Und dann bin ich zur Singestunde gegangen, auf ausdrücklichen Befehl hin. Am 2. Advent ist morgens Heldengedenken und Ehrung der in diesem Jahre ungesegneten Jubelpaare. Um 1600 zurück. Adventsvesper. Ob ich 2 X [Mal] in die Kirche gehe!? Mal sehen. Die Pflicht gebietet´s mir, doch habe ich Wichtigeres, Lieberes vor. Du!!! Oh Du!!! Geliebter! Gestern war der frühere Kantor (Maler H.) mal da, Urlaub. Ich soll Dich vielmals grüßen! Die andern waren nochmal bei F.s, ich bin heim, hatte keine Lust. Ich hab doch zuhaus, es war schon gleich um 1/2 11 Uhr, nochmal Deine lieben Boten gelesen, Du!! Dann bin ich ins Bettlein gekrochen, war so selig froh, so müde! Ach Schätzelein! Du weißt, ich bin stets bei Dir, auch wenn ich Dir an einem Tage mal nicht schreibe. Du! Wenn einmal so vieles sich zusammendrängt, dann nimmst es mir garnicht übel, gelt Du? Dann komme ich doch am anderen Tag zu Dir wieder[,] ach [sic] – länger als einen Tag will ich Dich doch nicht warten lassen! Mit Willen nicht! Nur die böse Post, die macht es jetzt recht ungnädig mit mir. Aber es wird alles Fehlende noch ankommen.

Ich lese es, daß auch Du warten mußt. Wie tröstlich ist da der Gedanke: der Liebste schreibt doch täglich, sorge nicht, es wird bald Nachricht da sein! Ach Geliebter! Wenn einmal die Antwort ausbliebe auf mein Rufen! Oh Du! Du hältst mich so fest! Du hältst mich so warm! Ich bin Dein, Dein Liebstes!! Herzelein! Du lässt mich nie mehr allein! Du liebst mich! Du!!!!! !!!!! !!! Ich muß Dich auch sooo festhalten! Soooo liebbehalten! Oh Gott im Himmel! Sei du uns gnädig in unserem Glücke [sic]!

Geliebter! Jetzt ist es nachmittag nach 3 Uhr, da ich Dein denke. Ich habe nur noch den Vorsaal und das Treppenhaus reinzumachen. Das andre ist schon in Ordnung. Will jetzt nicht [so] draußen rumoren, weil Papa noch schläft. Wenn er wach ist, komme ich auch noch zur Zeit. Ich kann ja Licht brennen. Habe auch heute schon alle meine Wege besorgt, der Sonntagsbraten bruzelt schon im Ofen: Rouladen und auch Kalbsbraten. Du! Ich gehe jetzt ab und zu mal zum Fleischer A., da beim Rathaus! Und die sind so nett zu mir. Die Alte und die Junge, auch er. Heute z.B. hatte ich noch 800 gr. Marken. Da verlangte ich nur Rouladen u. Kalbfleisch. Für Wurst hatte ich nix mehr. Da gab man mir 3 schöne Rouladen, Knochen, ein schönes Stück Kalbsniere, 150 gr. Wurst und ein Stück Speck!! Als ich vor Staunen sie ansah und den Mund auftat zur Frage, da blinzelte sie mir zu: "das gibts auf Zusatzkarte!“

Ich habe mich ja so gefreut! Warum nur? Es mag so sein: das Töchterchen geht zu mir in die Scharstunde und vielleicht kommt sie gern hin. Denn einmal sagte die Oma, die alte Frau A., "die Traudl kann in ihrer Handarbeit nicht weiter, läßt sich aber auch von uns nichts zeigen, das könnte nur Frau [Nordhoff]; sie wäre ganz rapplig auf den Mittwoch immer.“ Ich bevorzuge keine. Und zumal deshalb würde ich es nie tun. Aber wenn A.s mir etwas zuschenken mögen, warum nicht? Ich nehme es mit Freuden an. Bezahle ich es doch. Und ich gehe [a]us Dankbarkeit wieder hin, ab und zu.

Du! Ich muß Dir doch heute auch das Kalendermannerli mitschicken! Ja!!! Ach Du! Bin wieder krank geworden. Heute morgen, als ich aufwachte und zum Örtchen rannte, da entdeckte ich es doch. Du! Nun muß ich noch 5mal krank werden – dann dann kommt mein lieber Gärtnersmann wieder heim und sieht nach, wieviel Röslein noch blühen wollen! Du! Ach Du! Einmal wollen wir doch gar keines mehr welken lassen und pflücken! Einmal wollen wir sie doch alle zu einem großen Strauße sammeln, Du! Und all die Röslein sollen sich wunderbar verwandeln durch des Zauberschlüssleins Besuch, in ein kleines süßes, rosiges Menschenwunder! Geliebter! Geliebter! Unsere Liebe soll dann sichtbar werden! Du! Du sollst das Leben anzünden in meinem Schoße! Du allein! Und ich will Dir unser Liebstes hegen und bergen. Du!! Du! Oh Geliebter! Im Herzen ist doch unser Wunsch, der Heimlichste längst besiegelt. Du bist so ganz eins mit mir zum Kindlein. Eins mit mir im Willen zum Ganzen, Letzten. Geliebter!

Und nur an Gottes Segen und seinen Spruch wollen wir uns halten, daran fest glauben. Dann wird uns einst Erfüllung werden.

Du! Ich bin nicht mehr so traurig, daß es nun eine falsche Hoffnung war, die wir leis schon hegten. Gottes Wille geschehe! Ich will ihn mit Dir, mein Liebster tragen. Ich habe deine Liebe,[sic]! Du willst mich mit dem Liebsten beschenken! Alles in uns ist Wille zum letzten Einssein! Alles ist bereitet, der Ehe Erfüllung entgegenzugehen! Gott mag das letzte Wort sprechen. Wenn wir uns nur einig sind und uns stets von des Höchsten Liebe und Güte und Weisheit umgeben wissen, dann wird alles zum Besten sich kehren, Du! Mein [Roland]! So lieb denke ich an Dich! Mein Alles!

Herzelein! Es geht mir soweit gut. Nur die Müdigkeit behagt mir nicht, Du weißt wie gern ich mich rege! Und das Abgespanntsein erinnert mich immer daran, mich zu schonen, meine Kräfte nicht unnütz zu beanspruchen. Ich halte mich gut.

Und ich habe auch nichts Anstrengendes vor. Du! Sorge Dich nicht. Dein Fraule wird ganz vernünftig sein. Und auch fein warm halte ich mich auch! Und wenn der Bahnhofsdienst dran ist, dann bin ich schon wieder wohlauf. Das wird nun so: ich hab mich befragt bei Frau B., weil ich am Dienstag um 15 Uhr gleichzeitig an 2 verschiedenen Stellen zu Platze sein soll, in Chemnitz und im Lazarett. Ich muß die Hauptführerin telefonisch benachrichtigen, daß ich meinen Dienst um 3 Stunden später verschieben muß. Grund: Als Kinderscharleiterin zur Lazarettbescherung.

Das geht an. Nur werde ich können nicht schon 2015 [Uhr] herausfahren, sondern bis nachts Dienst machen müssen. Das läßt sich nicht ändern. Ich kann Hilde L. unmöglich mit über 100 Kindern allein lassen. Zumal wir truppweise die Kinder in die Zimmer schicken. Eine fremde Person kann da nicht Ordnung schaffen. Die Bürschlein müssen sofort beim Namen gerufen werden und angeschnurrt, wenn’s mal nicht klappt. Du! Mannerli! Ich glaube, es holt mich nun niemand mehr hier fort, wo ich meinen Kindern so unentbehrlich bin!!!

Na, vielleicht bekommt durch so einen Fall doch der oder jener mal einen Einblick und sagt sich: das, was die schafft, es ist doch nicht so grund- und zwecklos, dazu gehört halt auch eine Person.

Ach Du! Ich mag doch jetzt wirklich garnicht fort von hier, wo ich nun weiß, der Krieg dauert noch ein Weilchen und es könnte geschehen, daß man gar jahrelang wegbleiben muß, geht man schon einmal weg von Hause. Nein! Ich weiß warum ich hier bin! Muß ja immerfort daran denken, daß ich meinem Liebsten die Heimat halte! Unsere Heimat! Du!! Wenn ich nun auch noch wollte mich umherreisen [sic], wie mein armes Mannerli, dann wären doch die "[LNordhoffs]" gar nirgends seßhaft! O wie schrecklich, wollte Mannerli heimkommen und wüßte doch garnicht, wo sein Heimchen gerade steckt. O nein! Du!!! Ich muß Dir hier bleiben, mein Herzensschatz! Mein!!!!!

Du! Du schreibst mir, daß Du schon der Mutter Stollen hast! Fein!! Da können wir gewiß sein, daß Du bis zum Fest alle Päckel kriegst. So fein weihnachtlich hast Du es nun schon! Ich freue mich doch so! Lichter für den Kranz hast zu doch wohl vom Vater, gelt?

Hier kriegen nur die Jugendlichen Lichter zu kaufen.

Und für so jugendlich hält man mich nun bei allen Betmühungen nicht mehr!! Ach, wir haben schon auch noch einige.

Du hast auch telefonisch mit Sofia gesprochen! Und der Drückeberger K. ist noch immer nicht dabei. Wie der das so fertig bringt! Recht, daß Du an H. mal schriebst. Bin ja neugierig, wohin es ihn verschlägt, sollte Varna aufgelöst werden.

Ach ja, an jedem Zipfel sitzt ein andrer. Und wenn man so die Politik verfolgt, dann denkt man manchmal: ob wir Deutschen bloß werden immer genug Menschen haben, den feindlichen Ansturm immer und überall abzuschlagen! Enorm ist es, was jetzt so zusammenspielt. Wenn’s nur gut ausgeht! –

Du! Das war am Freitagabend, dann konnte sich mein Hubo nimmer aufrecht erhalten, vor Müdigkeit! Ja, die Nudelsupp'!

Aber ich freu' mich doch, wenn’s Dir so schmeckt! Immer iß Dir ein Bauchel an! Du! Ich glaub, das Weibel wird dicker, seit dem letzten Urlaub, wo es immer so viel ge …. ssen hat!! Damit wir dann beim nächsten Mal nicht grundverschieden sind äußerlich. Du!!!

Was hast Du doch für närrisches Zeug geträumt! Von allem Möglichen! Und das Seltsamste ist doch Dein Herzeltraum, Du!!! Ich hab müssen zweimal lesen und mir war so komisch [dabei] zumute. Und dann hab ich doch lachen müssen, Mannerli. Du! Weißt, die Herzeln können ja bloß tropfen manchmal, wenn man ein Kindlein geboren hat. In der Zeit wo die Mutter stillt. Schau, da schläft manchmal das Kindlein und beim Mütterlein ist doch schon das Fläschlein zum Überlaufen voll! Und dann tropfts' halt schon heraus. Oder auch so: bei manchen Frauen arbeiten die Milchdrüsen besonders gut und das eigne Kindlein kann seiner Mutter Milch garnicht allein vertun. Dem muß abgeholfen werden. Die überflüssige Milch wird abgestillt in ein Gefäß. Sonst entzündet sich die Brust. In der Klinik bekommt so eine Mutter einfach ein Kind angelegt von einer anderen, die ihres nicht stillen kann. Zuhaus muß man dies wohl wegtun.

Weiß nicht, ob sich darum die Hebamme kümmert und die übige [sic] Milch zu einer anderen Wöchnerin mitnimmt.

Aber ich verliere mich ja ganz! Du!

Nein Mannerli! hast falsch geträumt, ich bin nicht in solcher Not. Und kannst Du Dir denken jemals, daß ich in solche Not gerate bei meinen Kinderherzeln? Du! Du!! Ach Du! Wenns auch ein seltsamer Traum war, Du hast Dich doch gefreut, daß ich Dir überhaupt im Traum erschien, Herzlieb! Auch ich bin so glüklich, wenn Du mir im Traum erscheinst!

Du! Aber in Wirklichkeit solltest Du mir erscheinen, Du!! Ach, vielleicht recht bald schon mal wieder! Du!

Bald ist Weihnachten! Allzubald [sic]! Und soo rasch vorbei – wie alles – nur unsere Liebe nicht, Herzelein! Du!

Ach, dann noch die kaltesten [sic] Tage vorbeilassen und dann, ich glaub, wenn die Voglein wieder singen und das junge Grün knospet, dann kommt mein [Roland] zu mir!

Wenn’s Frühling wird! Wenns [sic] Frühling wird! Gebe es Gott! Geliebter! Jetzt drücke ich Dir lieb die Hände. Und komme ja bald wieder zu Dir! Du! Ich liebe Dich so herzinnig!

Mein Sonnenschein! Du! Mein Ein und Alles! Gott behüte Dich!

Deine glückliche [Hilde].

Ewig bin ich Dein!

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946