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[OBF-421208-002-01]
Briefkorpus

48.)

Dienstagmorgen, am 8. Dezember 1942.

Herzallerliebstes Schätzelein! Du mein geliebter [Roland]!

Ich komme doch erst heute wieder zu Dir, seit dem Sonntagabend. Glaubst Du das? Solang warten, ohne zu Dir zu kommen?! Ach, Du!! Du weißt doch, das brächte Dein Fraule nicht grundlos fertig! Ich wills [sic] Dir nur verraten Du! Gestern hab ich doch für das Mannerli den Geburtstagsbrief geschrieben. Und er ist ein bisserl zu lang vielleicht ausgefallen; denn es waren einige Stunden plötzlich rum und ich hatte dann keine Zeit mehr, Dir auch noch den alltäglichen Boten zu schreiben. Und darum tu ich’s doch gleich heute früh, Herzelein! Will am Abend, wenn man mich vom Bahnhofsdienst eher entläßt, doch nochmal zu Dir kommen. Ach, Du mein Herzelein! Gleich käm ich selber zu Dir!! Ich käme sooo gerne! Du Dir!! Zu Dir!!! Wie mag es Dir denn ergehen, mein Herz? Bist Du auch noch ganz gesund und munter? Ich bin es wieder, Du!!! Sitzt eben jetzt schon fleißig bei Deiner Arbeit, gelt?

Ach Mannerli, Du! Gestern bekam ich doch die lieben Nachzügler nun von Dir! Sei viellieb [sic] bedankt dafür!

Die Husche [siehe Signatur 421202-2-1] ist noch nicht bei uns. Wer weiß lebt sie noch, die Arme. Vom Totensonntag ist der eine, vom Mittwoch darauf der andre Brief. Totensonntag hatte mein Herzelein wieder Dienst. Man nimmt Dich gerne sonntags, gelt? Na, wenn das Wetter schlecht ist, dann mag das gleich sein. Aber sonst gönnte ich Dir wirklich lieber Deine Freiheit, Du! Mußt die ganze Woche über lange im Stübel sitzen und [abends], ist es jetzt so rasch finster. Aber ich freue mich, daß Du jetzt, wenns [sic] nur irgend angeht, Deinen Mittagsspaziergang durchsetzt. Mußt doch Deine lieben roten Bäcklein behalten!! Du!! Ach Mannerli! Nun lese ich doch Deine Einstellung zum Möbelkauf in Kamenz. Und es will mir richtig bissel bang werden vor der Eiseskälte mit der mein Mannerli zuschaut! Ach Liebstes Du! Es gefällt mir doch, daß Du so bist! Und ich begreife doch Deine Haltung ganz recht. Unterdessen aber hat sich doch nun alles geklärt und so zu meiner Freude gewandelt, wie sich’s gewiß auch zu Deiner Freude wandeln wird. Gewiß, Herzelein!

Ich könnte mir nicht denken, daß wir in unsrer Freude und im Gefallen an dem Neuerwerb nicht zusammenstimmten.

Du! Komm nur erst mal heim und schau Dirs [sic] an, Du!! Bub!!! Dann sperr’ ich Dich gleich hinter Glas, wenn Du ein bös´ Gesichtel ziehst. Du! Nun wollen wir das Thema abtun, gelt? Und es bleibt dabei. Das Herrenzimmer bekommt mein Mannerli als Weihnachtsgeschenk. Und ich will doch gleich einen "Besen .. essen"! wenn's Dir nicht gefällt! Du!! Wenn Du wüßtest, wie ich mich drüber freue!! Du!

Mein Herzelein! Wenn Du mir doch erst heimkehren könntest!

Du! Liebster! Im lieben Mittwochbrief erzählst mir auch mal ein [wenig] vom Wesen Deines Stubenkameraden Heinrich? – vergessen. L. hieß er wohl. Er ist anders als Du. Aber das muß nicht sagen, daß Ihr Euch nicht vertragt deshalb. So wie Du mit den Menschen zusammensein kannst, Herzlieb – kann ich mir garnicht denken, daß man sich mit Dir nicht verstände. Du läßt dem lieben Nächsten so ganz sein Eigenleben und willst dafür nichts als auch Deine Ruhe. Ach Du! Wie viele kennen so eine Haltung nicht. Stürmen auf einen ein mit Fragen. Oder blättern ihr eignes Leben auf wie ein [Buch], in der Erwartung, daß man Gleiches mit Gleichem vergilt! Ich freue mich, daß Du einen Stubenkameraden hast, der Dir nicht irgendwie lästig fällt. Wenn man so zu Zweien wohnen muß, ist es schon wünschenswert, daß man zusammenpaßt ein wenig. Zumindest möchte auf beiden Seiten das nötige Verständnis fureinander [sic] dasein.

So eine verflixte Klingelei! Erst Herr U., der zog mir das…. o jegerl!! Jetzt hätte ich mich doch bald verplappert!!! Psssst!

Er zog mir nicht das Fell über die Ohren, Mannerli! Nein!!

Auch zog er mir nicht die Hosen straff! Was viel Schöneres. – Später! Dann der Postbote, der brachte mir doch wieder einen sooo lieben Boten, vom Mittwoch, den 2. Dezember. Du! Ganz aufgeregt bin ich ja vor Freude! Herzelein! Du bist sooo lieb zu mir gekommen, ach Du!!! Du!!!!! Als ich gelesen hatte, klingelts [sic] wieder! Ein Arbeiter ubb überreicht mir das Schlüsselbund im Namen des Vaters, er hatte 2 mitgenommen. Der nächste Alarm: 2 Buben! "Wann gehn wir ins Lazarett?!" Der folgende Alarm: “Frau [Nordhoff], haben sie Knochen?” Immer was andres. Knochen für die Sammlung in der Schule, weißt? Meine eignen vergebe ich noch nicht. Die will ich mit in den Frieden hinüberretten! Und jetzt sehe ich garnicht mehr so sehr viel Knochen an mir! Ich glaub, der Winterspeck setzt sich an!! Hast ein aufgezogenes Weibel heute früh, gelt Mannerli?

Ach ich bin so glücklich in Deiner Liebe! Sooo glücklich! Und ich möchte sich doch ebenso froh wissen! So ganz froh!

Mein Mannerli! Die Stunden eilen, gleich ist es 10 Uhr. Ich muß noch Essenkochen, Wegelaufen und aufwaschen, dann will ich mich umziehen für den Dienst. – Gestern Abend war ich im Frauendienst Adventsfeier im Jahnhaus. Es war so schön! Und am Nachmittag sind Mutsch und ich bei der Schneiderin gewesen, [wegen] unsrer Wollkleider, die wollen wir bis zum Fest haben. Es gibt dauernd etwas andres. Aber meine Freude an Dir ist doch überwiegend!!! Meine Liebe läßt alles um mich strahlen im hellsten Glanze!

Ich hab Dich sooo lieb! Ich komme heute noch einmal zu Dir! Du!

Jetzt behüt Dich Gott!

In Liebe bleibe ich Deine glückliche [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946